Biologisch gesehen sind auch kognitive Fähigkeiten nichts anderes als Anpassungen an bestimmte ökologische und soziale Lebensbedingungen. In diesem Sinne gibt es Intelligenz nicht nur beim Menschen, sondern – in unterschiedlichen Ausprägungen und Abstufungen – auch bei Tieren. Erforscht werden die kognitiven Fähigkeiten von Tieren in Österreich in erster Linie am Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien und an dem an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien angesiedelten Messerli-Forschungsinstitut.

Die Zeiten, in denen man auf der Suche nach tierischer Intelligenz Affen und anderen Tieren Schädeldecken öffnete, Elektroden einpflanzte oder sonstige fragwürdige Eingriffe vornahm, sind zumindest in Österreich vorbei. An den genannten Instituten arbeitet man stattdessen mit klug aufgesetzten Verhaltenstests, an denen die tierischen Probanden freiwillig teilnehmen – gewöhnlich, um eine Futterbelohnung zu ergattern – und dabei zeigen, was sie können.

Was genau Intelligenz bedeutet, ist allerdings schon für Menschen schwer zu beantworten und erst recht für Tiere. Prinzipiell geht es zwar um mehr eine oder weniger flexible Problemlösung, doch das beinhaltet wiederum verschiedene Fähigkeiten, die je nach Tierart unterschiedlich ausgeprägt sein können.

Für Ludwig Huber, Leiter der Abteilung für Vergleichende Kognitionsforschung am Messerli-Forschungsinstitut, gibt es einige "höchste Formen der Kognition", zu denen unter anderem Werkzeuggebrauch, Kausalverständnis, Planung und die Fähigkeit gehören, sich in andere hineinzuversetzen – etwas, das in der Kognitionsforschung wie in der Psychologie als "Theory of Mind" bezeichnet wird.

Alle diese Begabungen wurden früher ausschließlich dem Menschen zugeschrieben – eine Annahme, die sich mittlerweile als unhaltbar herausgestellt hat. Denn auch Tiere weisen oft erstaunliche kognitive Fähigkeiten auf.


HUNDE

Des Menschen bester Freund hat alles im Blick

Hunde können trainiert werden, sich sogar per MRT durchleuchten zu lassen.
Foto: Getty Images / iStock / Media Production

Dass des Menschen bester Freund wirklich clever ist, zeigte sich bei folgendem herausforderndem Versuch am Clever Dog Lab der Vet-Med Uni in Wien: Unter einem von vier Hütchen wurde eine Belohnung versteckt. Dabei wurde die Person, die sie versteckt hatte, von zwei Personen flankiert, die von ihm weg in dieselbe Richtung an die Wand schauten. Für eine der beiden lag das Geschehen optisch "auf dem Weg", sodass sie das richtige Hütchen kannte; die andere konnte es nicht wissen.

Die Hunde beobachteten die Situation, aber nicht, wo das Leckerli zu liegen kam. Sobald sie sich für ein Hütchen entscheiden mussten, zeigte die wissende Person auf das richtige, die andere auf ein falsches. Um die Hilfe des informierten Menschen annehmen zu können, mussten sich die Hunde in die räumliche Lage der beiden versetzen – und das taten sie mit Bravour: 80 Prozent der Hunde warfen das richtige Hütchen um.

Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (MRT) wirft man am Clever Dog Lab aber auch einen direkten Blick ins Hundehirn. Den Forschern ist es gelungen, die Tiere durch geduldiges Training dazu zu bekommen, für die Dauer der Tests im engen, lauten Tomografen entspannt und bewegungslos zu bleiben. Dabei zeigte sich, dass Videos des jeweiligen Frauerls oder Herrls Aktivitäten in Hirnarealen auslösen, die mit Bindung und Belohnung zusammenhängen, während Fremde nur visuelle und bewegungsbezogene Bereiche anregen. Die wenigste Aktivierung erfolgte durch bekannte Gesichter, die nicht der Besitzer oder die Besitzerin waren.


SCHWEINE

Kunekune-Schweine trainieren im Coworking

Bild nicht mehr verfügbar.

Die neuseeländische Freilandrasse Kunekune ist äußerst lernfreudig.
Foto: Picturedesk.com / Action Press / Newsteam Mathew Growcoot

Schweine fanden bis vor kurzem in der Kognitionsforschung eher wenig Beachtung. Im Clever Pig Lab des Messerli-Forschungsinstitutes der Vet-Med Uni Wien untersuchen Leiterin Marianne Wondrak und ihre Mitarbeiter seit 2014 die geistigen Talente von Kunekune-Schweinen, einer alten neuseeländischen Freilandrasse. Sie werden ganzjährig auf einer großen Weide im Freien gehalten und ernähren sich dort weitgehend selbstständig.

Wie sich gezeigt hat, sind die Tiere imstande, voneinander zu lernen: Zuerst wurden die beiden Säue Beauty und Zora darauf trainiert, eine Schiebetür mit der Schnauze aufzuschieben, um an eine Belohnung – ein Stück Obst oder Gemüse – dahinter zu kommen, wobei Beauty die Tür nach links bugsieren musste und Zora nach rechts. Wenn ihre Ferkel dabei zusahen, waren sie rasch imstande, die Türen selbst zu öffnen, und zwar auf die jeweilige Seite, die auch ihre Mutter oder Tante benutzt hatte.

Derzeit testen die Forscher, wie gut die Schweine in Zusammenarbeit sind: Um an eine Belohnung zu gelangen, müssen zwei Tiere gleichzeitig mit dem Rüssel einen Balken in die Höhe schieben. Nach etwas Training klappt das zumindest so weit, dass die Wissenschafter von Coworking sprechen, einer Art Vorstufe der echten Kooperation. In nächster Zeit soll geklärt werden, ob die Schweine, wenn sie sich ihren Partner aussuchen können, dessen Erfahrung im Umgang mit der Aufgabe berücksichtigen oder ob sie sich aufgrund anderer Faktoren, wie etwa individueller Vorlieben, für oder gegen einen Artgenossen entscheiden.


GOFFINKAKADUS

Indonesische Vögel mit erstaunlichem Geschick

Forscher wollen die Leistungen der Goffinkakadus mit denen von Kindern vergleichen.
Foto: Bene Croy

Goffinkakadus (Cacatua goffiniana) kommen ausschließlich auf den zu den Molukken gehörigen Tanimbarinseln in Indonesien vor, wo sie – soweit bisher bekannt – keine Werkzeuge benutzen. Im Goffin Lab des Messerli-Institutes der Vet-Med Uni in Wien hingegen tun sie das mit großer Kreativität.

Wie Lab-Gründerin Alice Auersperg und ihre Mitarbeiter in den vergangenen Jahren zeigen konnten, sind selbst untrainierte Vögel imstande, fünf verschiedene Verschlussmechanismen einer Box zu überwinden, in der sich eine begehrte Cashew-Nuss befindet. Dabei verwenden sie auch Werkzeug, wie etwa ein Stäbchen, um einen entsprechenden Mechanismus zu betätigen. Wenn es notwendig ist, biegen sie sich Werkzeug auch buchstäblich zurecht, etwa indem sie zur Verfügung stehende Drähte zu Haken umformen.

Damit nicht genug, erzeugen sie technische Hilfsmittel auch selbst: Wenn sie an etwas Gewünschtes nicht mit dem Schnabel allein gelangen können, beißen sie schon einmal Splitter von einem Brett oder Streifen von einem Karton ab und verwenden diese als Verlängerung. Die Forscher nehmen an, dass die Geschicklichkeit der Vögel in ihrer natürlichen Umgebung einen Vorteil bietet, wo Essbares von allen möglichen Hindernissen umgeben sein kann.

In einem laufenden Projekt soll die Leistung der Vögel mit jener von Kindern verglichen werden. Bei diesen entsteht die Fähigkeit zum Bau von Werkzeugen nämlich erst mit etwa sieben Jahren. Der Gebrauch von Werkzeug setzt allerdings deutlich früher ein, nämlich bereits mit etwa zwei Jahren.


RABENVÖGEL

Die Meister des Tarnens, Täuschens und Planens

Kolkraben haben erstaunliche Fähigkeiten, viele werden noch erforscht.
Foto: APA / Daniel Zupanc

Rabenvögel werden aufgrund ihrer herausragenden kognitiven Fähigkeiten gerne auch als "Schimpansen der Lüfte" bezeichnet. In den vergangenen Jahren konnten Forscher der Universität Wien erstaunliche Leistungen bei ihnen nachweisen.

So sind Kolkraben (Corvus corax) fähig, sich zumindest räumlich in andere hineinzuversetzen: Die Vögel verstecken gerne überschüssige Nahrung für später, und genauso gerne plündern sie die Verstecke anderer Raben. Als Gegenmaßnahme legen sie oft Scheinverstecke an, mit denen sie ihre Artgenossen täuschen. Andererseits geben sie sich betont desinteressiert, wenn ein anderer Rabe in ihrer Nähe ein Versteck anlegt – nur um es zu plündern, wenn er weg ist.

Die ebenfalls zu den Rabenvögeln gehörenden Neukaledonienkrähen (Corvus moneduloides) sind nicht nur Meister des Werkzeuggebrauchs, sondern können auch ein Stück weit vorausplanen: Die Tiere lernten zuerst, durch Gebrauch eines Hakens bzw. den Einwurf eines Steins an ein begehrtes Stück Fleisch in einem Behälter zu kommen.

Dann wurde ihnen eine der beiden Fleischspendervarianten gezeigt, ehe sie in einen Raum mit einem Haken, einem Stein, zwei unnützen Objekten und einem kleinen Apfelstück kamen. Nachdem sie sich eines dieser Dinge ausgesucht hatten, wurden sie wieder in den Raum mit der Apparatur gebracht. An die Belohnung gelangten sie also nur, wenn sie sich vorher für das richtige Objekt entschieden hatten – was sie in vielen Fällen taten: eine Krähe sogar in neun und zwei andere immerhin in sieben von zehn Fällen.


WÖLFE

Beziehungstiere mit ausgeprägter Kooperationsfähigkeit

Um erfolgreich zu sein, müssen Wölfe auch eine gewisse Impulskontrolle an den Tag legen.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

An dem zum Domestikations-Lab am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vet-Med Uni Wien gehörigen Wolf Science Center (WSC) im niederösterreichischen Ernstbrunn werden seit Jahren die kognitiven Fähigkeiten von Wölfen erforscht.

Die handaufgezogenen Tiere können auf einem Bildschirm mit der Schnauze jenes von zwei Objekten berühren, das mit einer Belohnung einhergeht. Sie sind auch imstande, menschliche Blicke und Gesten als Hilfe zu berücksichtigen, wenn sie sich zwischen zwei Behältern entscheiden sollen, von denen nur einer ein Leckerli enthält. Auch dass eine gefüllte Box im Unterschied zu einer leeren beim Schütteln ein Geräusch macht, kann ihnen als Hinweis dienen.

Vor allem aber zeichnen sich Wölfe durch eine ausgeprägte Fähigkeit zur Kooperation aus. Die brauchen sie auch, denn in freier Wildbahn bewältigen sie sowohl Jagd als auch Jungenaufzucht und Revierverteidigung gemeinschaftlich. Um gemeinsam eine Aufgabe zu lösen, braucht es unter anderem eine gewisse Impulskontrolle, also die Fähigkeit, auf einen Partner – und damit auf eine Belohnung – im Bedarfsfall ein bisschen zu warten. Das schaffen die Wölfe für rund 20 Sekunden.

Wie Forscherinnen des WSC kürzlich zeigen konnten, spielen für den Erfolg der Zusammenarbeit aber weniger geistige Fähigkeiten eine Rolle als die Beziehung der jeweiligen Teilnehmer zueinander: Je besser diese ist, desto größer ist der Erfolg. Das gilt übrigens nicht nur für Wölfe, sondern auch für manche Vögel, Makaken, Schimpansen – und den Menschen. (Susanne Strnadl, 30.1.2021)