Das Sozialkreditsystem soll sowohl finanzielle wie auch soziale Kontrolle schaffen.

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Mit seinem Sozialkreditsystem will China den idealen Bürger mittels totaler Überwachung erziehen und zugleich die Marktwirtschaft perfektionieren. Das System, das eigentlich mit Ende 2020 für alle Chinesen gelten sollte, verzögert sich allerdings, wie "Heise" berichtet. Es soll eine Art Ranking für jeden Bürger – basierend auf seinem Verhalten – schaffen, ähnlich einer Bonitätsprüfung. Wer beispielsweise bei Rot über eine Ampel läuft oder Rechnungen nicht zeitnah bezahlt, muss mit Abzügen rechnen. Wer ein schlechtes Ranking hat, darf nicht mit dem Flugzeug fliegen, teure Hotels buchen oder einen Zug für eine längere Strecke buchen.

Ursprünglich hätte mit Ende des vergangenen Jahres eine derartige Bewertung in ganz China erfolgen sollen, jedoch bleibt es bisher bei einzelnen Pilotprojekten. Ein breit angelegter Test stammt etwa von dem chinesischen Onlineriesen Alibaba, der mit "Sesame Credit" ein System speziell für die Einstufung der Kreditwürdigkeit entwickelt hat und diese Informationen an den chinesischen Staat weitergibt. Derzeit bleibt die Teilnahme aber freiwillig, ähnliche Probebetriebe liefert die Whatsapp-Alternative Wechat mit erweiterter Funktionalität.

Nicht interoperabel

Das Programm gehört zum Epizentrum der chinesischen Überwachung, da es mit über einer Milliarde Nutzern, großteils aus China, von einem großen Teil der Bevölkerung genutzt wird. Jedoch sind die Systeme nicht interoperabel – sie können also nicht miteinander kommunizieren und somit großflächig ausgerollt werden.

Seine Anfänge hat das Projekt in den späten 90ern, damals sei aber ausschließlich ein Bewertungssystem im Finanzbereich angedacht worden, schreibt die NGO Algorithm Watch. Vor allem geht es darum, Betrug in der Wirtschaft zu stoppen, argumentierte die Regierung in Peking das Vorhaben, derartige Überwachungsmethoden staatlich auszuweiten. In den letzten Jahren wurde der Plan eines Rankings jedoch auch um soziale Komponenten erweitert.

Überwachung via Unternehmen

Chinas Regierung setzt auf einen Überwachungsstaat, um seine Macht über seine Bürger zu festigen – dafür wurde ein System der dezentralisierten Überwachung etabliert: Die Unternehmen im Land sind dazu verpflichtet, sämtliche Nutzerdaten weiterzureichen – diese werden dann anhand von Algorithmen automatisiert gescannt, um mögliche verbotene Inhalte zu identifizieren. Damit wird sämtliches Verhalten online kontrolliert, offline schauen Behörden mit fast einer Milliarde Überwachungskameras zu, die Gesichter der Erkannten werden mit Datenbanken abgeglichen, um sie zu identifizieren.

Schon jetzt werden illegale Inhalte im Netz rigoros abgestraft. Webseiten, die sich weigern, sich an diese Regeln zu halten, werden gesperrt – etwa Google oder Wikipedia; Apps verboten. Die große chinesische Firewall kann zwar anhand von VPN-Angeboten umgangen werden, jedoch sind auch diese eigentlich verboten und werden regelmäßig aus den App Stores entfernt.

Zensur und Sperren

Bei jenen Programmen, die legal sind, wird die Kommunikation massiv zensiert, selbst wer beispielsweise in einem privaten Chat via Wechat kommuniziert, muss damit rechnen, dass regierungskritische Inhalte entfernt werden. Haften muss der jeweilige Verfasser, in Gruppen kann der Administrator für Inhalte belangt werden. Mit dem Sozialkreditsystem würde auch besonders "nicht vertrauenswürdiges Verhalten" in sozialen Medien mit Minuspunkten belangt werden.

Dazu kommt, dass es in China keine Pressefreiheit gibt – denn außerhalb der Parteimedien ist es keinem Unternehmen gestattet, Berichterstattung zu verfassen. Zwar existieren Tochterunternehmen der Staatsmedien, diese müssen allerdings im Vorfeld Artikel genehmigen lassen, von großen Ereignissen dürfen zuerst nur direkt von der Partei geführte Medien berichten. (muz, 20.1.2021)