Der Bau der neuen U5-Trasse bringt seit 11. Jänner im Bereich des Wiener Rathauses Umleitungen. Eine führt über die Felderstraße an der nördlichen Seitenfront des Rathauses vorbei in Richtung neunter Bezirk. Das soll vier Jahre dauern. Zeit genug, um sich Herrn Felder, dem Namensgeber der Gasse (benannt 1899), zu widmen.

Cajetan Felder, von 1868 bis 1878 Wiener Bürgermeister, wurde am 19. September 1814 in Wien (Karlsgasse 6) geboren und verstarb als 80-Jähriger am 30. November 1894 auf seinem Landsitz in Weidling (Niederösterreich). Die Eckdaten seiner Biografie mit Schwerpunkt auf seiner politischen Tätigkeit finden sich im "Wien Geschichte Wiki" und sollen hier nicht näher erläutert werden. Der Satz "Felder, der eine weltbekannte Schmetterlingssammlung besaß (sie befindet sich in London) und diese auch wissenschaftlich auswertete, wurde in Anerkennung dieser Tätigkeit am 27. Mai 1870 zum wirklichen Mitglied der Akademie der Wissenschaft ernannt" eröffnet eine weniger bekannte Seite jenes Mannes, der auch Dolmetscher war und eine Reihe von Fremdsprachen fließend sprach.

Jurist im Brotberuf – international anerkannter Entomologe

Der Doktortitel Felders war der eines Dr. iuris, er hatte ihn 1841 erworben, nachdem er sein 1834 begonnenes Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien abgeschlossen hatte. Seine Kanzlei war an der noblen Adresse Kohlmarkt 7 in der Inneren Stadt. Zum anderen war er Naturforscher – "Forschungsreisender", verkündet die Zusatztafel zur amtlichen Straßenbezeichnung. Folgt man dem Eintrag im Lehmann, jener unschätzbaren Fundgrube, die mit vollem Titel "Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger: nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k.k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung" heißt, findet man Details. Dem Lehmann des Jahres 1870 ist zu entnehmen, dass er auch Mitglied der kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturwissenschaften war sowie Mitglied und stellvertretender Präsident der vaterländischen Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, Ehrenmitglied der Sociedad de Naturalistas Neogranadinos, Mitglied der russischen entomologischen Gesellschaft wie auch des niederländischen entomologischen Vereins, Korrespondent der k. k. Geologischen Reichsanstalt in Wien und so weiter. Seine Wohnadresse war damals im 8. Bezirk in der Lenaugasse 19. In jenem Haus, dem Oskar-Werner-Hof, wohnte später auch der Dichter und zweimalige Direktor des Wiener Burgtheaters, Anton Wildgans (1881–1932).

Felderstraße mit Zusatztafel am Felderhaus, Ecke Rathausplatz.
Foto: Thomas Hofmann
Das Wohnhaus Cajetan Felders in der Lenaugasse 19.
Foto: Thomas Hofmann

Felders frühe Begeisterung für die Natur

An seinem Lebensabend diktierte er seiner Gesellschafterin Rosa Rittner seine Memoiren, deren 12.000 (!) handschriftliche Seiten sich im Wiener Stadt- und Landesarchiv befinden. Sie bildeten die Grundlage für das von Felix Czeike herausgegebene Buch "Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters" (1964). Sabine Gaal-Haszler, Kuratorin der Schmetterlingssammlung (II. Zoologische Abteilung) am Naturhistorischen Museum, hat darin jene Stelle gefunden, die den Ausschlag gab für die frühe Naturliebe des zwölfjährigen Vollwaisen. "Ich konnte mich oft stundenlang an den wunderbaren Farben und Zeichnungen nicht satt sehen und die vor Jahren gekeimte Neigung wurde nun zur Leidenschaft die mich, da ich unter gar keiner Leitung stand alles andere vergessen ließ. […] Ich kam am Wege hin und her zur und von der Schule an demselben vorbei und statt für den Nachmittag meine Lektionen zu lernen wurden, mittels eines im Versteck aufbewahrten Netzes Schmetterlinge gefangen." Fortan wurden Schmetterlinge ein Fixpunkt in seinem Leben, vorerst am Gymnasium im niederösterreichischen Seitenstetten und später während seiner Wanderjahre in Europa.

Felder, Frauenfeld und die Novara-Schmetterlinge

Ehe Felder als Nachfolger von Andreas Zelinka (1802–1868) im Jahr 1868 Bürgermeister wurde, kam seine große Stunde in der Entomologie, der Schmetterlingskunde. Durch die Weltumsegelung der Fregatte Novara (1857–1859), auf der neben dem Geologen Ferdinand von Hochstetter (1829–1884) auch der Zoologe Georg Ritter von Frauenfeld (1807–1873) mitfuhr, waren reichhaltige Sammlungen naturwissenschaftlicher Forschungsobjekte, darunter auch Schmetterlinge, nach Wien gekommen. Frauenfeld koordinierte die wissenschaftliche Aufarbeitung des Materials. Er kam dem Wunsch von Erzherzog Ferdinand Max (1832–1867), dem Bruder des Kaisers und Oberkommandanten der Marine, nach, der die Ergebnisse der Novara-Expedition veröffentlicht haben wollte. Felder wusste über Frauenfeld, selbst mehr als zehn Jahre nach dessen Tod, wenig Wertschätzendes zu sagen: "Georg Frauenfeld war ursprünglich Postexpeditor in Purkersdorf; in der Entomologie, wie überhaupt in der Zoologie und Botanik, daher von der Pike auf Autodidakt und Dilettant." Diese Worte sind hart, war Felder doch als Jurist zwar promoviert, aber in Sachen Schmetterlinge ebenfalls ein Autodidakt. Im November 1859 hatte ihn Frauenfeld eingeladen, die Schmetterlinge der Novara-Expedition zu bearbeiten. Als ihm Frauenfeld die Kisten mit den Novara-Schmetterlingen zeigte, äußerte er sich abfällig. "… und schon die oberflächliche Durchsicht zeigte mir, dass diese für ein mir halbwegs anständiges Werk keinen Stoff bieten. Höchst distinguiert über diese meine abfällige Äußerung, ließ dem ungeachtet Frauenfeld seine Schachteln bei mir liegen und die Sache beruhte auf sich."

Zeitgenössische Karikatur Felders im "Zeitgeist".
Foto: Wien Museum Online Sammlung

Felders wissenschaftliche Neugier

Ganz so schlecht mag das Material der Novara-Expedition wohl nicht gewesen sein, denn am 9. April 1862 legte Felder in der Sitzung der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft ein "Verzeichniss der Macrolepidopteren der Novara-Expedition" vor. Er hatte wohl seine wissenschaftliche Neugier nicht bändigen können und heimlich zu arbeiten begonnen, denn sonst hätte er nicht schon 1862 die 24-seitige, oben zitierte Arbeit fertig gehabt. Darin resümierte er: "Der werthvollste Theil der ganzen Sammlung sind unstreitig die von den Nikobaren stammenden Arten, da diess abgesehen von dem oberwähnten, die ersten von dort erhaltenen Schmetterlinge sind."

Am 11. Juni 1863 erreichte ihn ein Schreiben der Akademie der Wissenschaften. Der Inhalt war – sinngemäß –, ob er, der durch die Übernahme der Sammlung damit ein gewisses Interesse bekundet habe, auch daran denke, diese zu bearbeiten, wovon man ausgehen würde. Felder, nicht wenig selbstbewusst, erklärte, dass er nicht alleine das gesammelte Material der Novara-Expedition, sondern auch die Schmetterlinge seiner eigenen Sammlung hier bearbeiten wolle. Auch den Umfang der Arbeit und die Anzahl der Tafeln, deren Herstellung damals mit hohen Kosten verbunden war, wollte er selbst bestimmen. Als Zugeständnis wollte er auf das Autorenhonorar verzichten. Felders Ansinnen war ein No-Go, doch die gelehrten Herren der Akademie der Wissenschaften schwiegen, Frauenfeld war empört, und Felder ging – das Stillschweigen als Zustimmung wertend – an die Arbeit.

Novara-Werk mit 2.500 Schmetterlingsabbildungen

Felder publizierte nicht nur Schmetterlinge, die im Zuge der Novara-Fahrt gesammelt worden waren, sondern auch all jene, derer er habhaft werden konnte beziehungsweise die er selbst besaß. Darunter waren welche vom Amazonas, aus Mexiko und Kuba, ferner solche aus dem Himalaya, von der malaiischen Halbinsel, Nordchina und aus Abessinien. Unterstützt wurde er von seinem Sohn Rudolph (1842–1871), der in die Fußstapfen des Vaters gestiegen war. Rudolph hatte Rechtswissenschaften studiert und widmete sich in seiner Freizeit den Naturwissenschaften; den Schwerpunkt bildeten – wen wundert's? – Schmetterlinge.

Die erste von insgesamt 140 Tafeln aus dem Novara-Werk.
Foto: Geologische Bundesanstalt

Das Ergebnis der Novara-Schmetterlingsmonografie war beachtlich: Zwei der insgesamt 18 großformatigen Bände mit den wissenschaftlichen Ergebnissen der Novara-Expedition haben Schmetterlinge zum Inhalt. Sie ist mit 140 Tafeln und 2.500 Schmetterlingsabbildungen höchst aufwendig gestaltet. Als Ferdinand von Hochstetter dem Kaiser 1877 über die wissenschaftlichen Ergebnisse der Novara-Fahrt berichtete, überreichte er dem Monarchen die beiden Schmetterlingsbände. Kaiser Franz Joseph nahm sie in seine Privatbibliothek auf, und Cajetan Felder war gerührt.

Doch was geschah mit der Schmetterlingssammlung Felders, die er zeitlebens durch Zukäufe und Tausch erweiterte? Kurz vor seinem Tod verkaufte er seine Sammlung an Lionel Walter Rothschild (1868–1937), einen Spross der Rothschild-Dynastie, der eine der größten privaten zoologischen Sammlungen der Welt besaß. Sammelschwerpunkte waren Vögel und Schmetterlinge. Heute befindet sich seine Sammlung im Natural History Museum in London und steht der Forschung zur Verfügung. (Thomas Hofmann, 22.1.2021)