Es hat der Erkundung eines sehr speziellen Lebensraums bedurft, um wieder einmal ein neues Säugetier zu entdecken – ein Ereignis, zu dem es heutzutage nur noch selten kommt. Konkret handelt es sich bei der im Fachjournal "American Museum Novitates" vorgestellten Spezies um eine Fledermaus mit orangem Pelz und schwarzen Flughäuten. Sie ist eigentlich recht auffällig, und doch war sie der Wissenschaft bislang entgangen.
Doppelt ungewöhnlicher Lebensraum
Heimatregion des Tiers ist eine Kette sogenannter Sky Islands oder "Himmelsinseln", nämlich die über 1.700 Meter hohen Nimbaberge in Westafrika. Himmelsinseln zeichnen sich dadurch aus, dass Klima- und Umweltbedingungen in den Höhenlagen extrem von denen im umgebenden Tiefland abweichen. Viele Tier- und Pflanzenspezies, die sich an das Leben in der Kühle der Höhe angepasst haben, könnten unter den tropischen Bedingungen weiter unten nicht existieren und sind daher in ihrem Lebensraum gefangen.
Doch damit nicht genug: Das US-amerikanische Forschungsteam, das sich in dem Gebiet auf Fledermausexpedition begeben hat, untersuchte in der Region Miniaturlebensräume, die erst der Mensch geschaffen hat. Das uralte Gestein der Nimbaberge, das bis ins Präkambrium zurückreicht, enthält nämlich Adern von hochwertigem Eisenerz, und das wird seit Jahrzehnten abgebaut. Sobald aber Stollen nicht mehr ergiebig sind und aufgegeben werden, flattern Fledermäuse herbei, um sie zu kolonisieren. Es ist also ein durchaus ungewöhnlicher Ort für eine Neuentdeckung.
Eigentlich war das Team um Winifred Frick von der Organisation Bat Conservation International auf der Suche nach der Nimba-Rundblattnase (Hipposideros lamottei), einer nur in diesen Bergen vorkommenden Fledermausart. Bei der Erkundung von sogenannten Akeldruften – Minenstollen, die zur Ausleitung von Wasser vorgesehen sind – kam ihnen jedoch unerwartet eine ganz neue Spezies unter.
Die eigentliche Entdeckung erfolgte bereits 2018. Dass sie erst jetzt in einem Fachjournal präsentiert wird, liegt daran, dass zunächst einmal ein langwieriges Verfahren durchlaufen werden musste, um zu bestätigen, dass man diese Spezies bislang tatsächlich noch nicht gekannt hat – immerhin gibt es weit über 1.000 verschiedene Arten von Fledertieren. Die Forscher werteten dafür alles aus, was sie an morphologischen und genetischen Daten sowie aufgezeichneten Echoortungsrufen der Fledermäuse zusammentragen konnten.
Mithilfe der Fledermausexpertin Nancy Simmons vom American Museum of Natural History konnte schließlich geklärt werden, dass die orange-schwarzen Tiere in der Tat bislang unbekannt waren. Die Spezies erhielt die Bezeichnung Myotis nimbaensis; der erste Namensteil zeigt an, dass sie zur Gattung der Mausohren gehört, einer völlig anderen Fledermausgruppe als die Rundblattnase, der die Forscher eigentlich nachgespürt hatten. Mit der Entdeckung eines neuen Säugetiers geht für Frick ein Kindheitstraum in Erfüllung.
Auf die Erstbeschreibung folgte aber sofort auch die Einstufung als gefährdet, allein schon wegen des begrenzten Verbreitungsgebiets der Fledermaus. Dazu kommt noch, dass die in den 1970er- und 80er-Jahren angelegten Stollen allmählich verfallen und einstürzen. Dem will Bat Conservation International aber nicht tatenlos zuschauen: Zusammen mit der Bergbaugesellschaft Société des Mines de Fer de Guinée hat die Tierschutzorganisation ein Programm gestartet, um abseits der eigentlichen Abbaustätten neue Stollen anzulegen und so zu stabilisieren, dass die Fledermäuse dort für Jahrhunderte Unterschlupf finden können. (jdo, 19.1.2021)