Die Figlmüller-Dependance in der Bäckerstraße hat die Schnitzelbereitschaft auf Take-away und Lieferservice umgestellt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Licht der Erinnerung sind es kulinarische Schlüsselerlebnisse: Jene seltenen Tage, da die Küche kalt bleiben durfte und der Bub zum Wirten geschickt wurde, Schnitzel holen. Die schweren, warmen Stanniolpakete in Händen zu halten, in denen sich die Schnitzel samt fettgetränktem Küchenkrepp vielfach auftürmten, war der Inbegriff sinnlicher Verheißung.

Dass die Schnitzel sich nach solcher Prozedur stets in einem Zustand fortgeschrittener Auflösung befanden, lauwarm, die Panier arg zerfleddert und letschert vom Dampf, der Geschmack ganz generell vom nachhaltig genutzten Frittierfett durchwirkt? Völlig wurscht.

Das hier war Wirtshausessen und damit von der seltensten, wertvollsten Art, die man sich als Bub nur vorstellen konnte. Außerdem waren diese Schnitzel, in Kombination mit dem süßklebrig speckigen, von rubinroten Zwiebelwürfeln durchsetzten Erdäpfelsalat, für legendäre (und beliebig wiederholbare) Aufstoßer gut: Lange noch durfte man sich so auf zartsäuerlich wohlige Weise an die Herrlichkeiten des Mittagstisches erinnern.

Mit dem Alter verschieben sich die Parameter, dennoch wird auch ein perfektes Schnitzel nie wieder so gottvoll schmecken wie diese Fledder-Lappen der Kindheit. Was sich auch nicht ändern wird, ist der Status des Schnitzels als essenzielles Wirtshausessen. Es schmeckt da einfach besser. Die Infrastruktur der Mietwohnungsküche ist nicht aufs Schnitzelbacken ausgelegt. Das weiß jeder, der nach der ganzen Patzerei fettdunstig zu Tisch sitzt und die im Rohr verwelkten Schnitzoide auf den Teller geklatscht bekommt.

Nun sind Wirtshausschnitzel ohne Zweifel Genüsse, die umso größer wirken, je seltener man sie sich zu genehmigen weiß. Mit Fortdauer des Elends wird die Sehnsucht nach solchen Urmetern des Wohlseins halt umso dringlicher. Tja.

Wenn einen der Rappel aber richtig packt, wenn sich die kalte Klaue des Schnitzel-Turkeys um die Seele krallt, dann hilft nur Substitutionstherapie. Eine solche hält das Institut Figlmüller zur Abholung in der Filiale Bäckerstraße bereit, in Form einer ganzen Batterie an Gebackenem. Wer in fahrradfreundlichem (also ziemlich engem) Radius wohnt, kann sich das Zeug auch von den Mjam-Kurieren liefern lassen. Nur: Wo genau der endet, wissen sie weder bei Figlmüller noch in der Mjam-Pressestelle. Okay, die sitzt auch in Berlin.

Schnitzel wie Pizza

Mit Innenstadtadresse geht es sich aber in jedem Fall aus. Eine Bestellung, Mittwoch um 18 Uhr aufgegeben, war exakt 42 Minuten später an der Wohnungstüre. Weil Figlmüller sich (siehe Bild) einen speziellen Schnitzelpack hat einfallen lassen, der tatsächlich panierfreundliche Eigenschaften hat, kommt der legendär flach gedengelte Originallappen auch wirklich fast knusprig an.

Weil Figlmüller sich einen speziellen Schnitzelpack hat einfallen lassen, kommt das Schnitzel auch wirklich fast knusprig an.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer die Teller in weiser Voraussicht wärmt, kann sich nicht beklagen: Der Geschmack dezidiert neutral, das Fleisch in der Hauptsache weich (und geschmacklich nur als Idee wahrnehmbar), die Panier nach klassischer Figlmüller-Schule hauteng am Fleisch haftend. Ein Schnitzel, wie es viele mögen.

Echtes Wiener gibt’s auch, das schneidet im Vergleich aber nicht besser ab: Das Kalb fester, nicht saftiger als die Sau, die Panier souffliert, aber von jener Art, die das Fleisch herausfallen lässt. Hm.

Richtig gut gelingt das ausgelöste Backhendl, fünf saftige Stückeln aus der Keule, knusprig, mit sattem Geschmack, tadellos. Nur der Gurkensalat gerät gar dickrahmig, wie Gervais mit Gemüseschnipseln. Der Erdäpfelsalat ist dafür (auch hinterher) für Kindheitserinnerungen gut. Alles in allem macht das jedenfalls anständig schnitzelbreit. (Severin Corti, RONDO, 22.1.2021)