Die Uni Graz sagt Erasmus-Aufenthalte ihrer Studierenden nicht aus eigenem Antrieb ab, 130 Personen sind derzeit für das Sommersemester im Ausland angemeldet.

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Sich in einem anderen Land zurechtfinden, eine neue Kultur erfahren oder mit Studierenden aus aller Welt feiern gehen: Vieles von dem, was einen Erasmus-Aufenthalt ausmacht, ist während der Pandemie nur eingeschränkt möglich. Wenn der Uni-Betrieb großteils online stattfindet, fällt auch das spontane Kennenlernen schwer.

So ist es naheliegend, dass die Zahl der angetretenen Erasmus-Stipendien derzeit allerorten stark rückläufig ist, wie die Hochschulen einhellig berichten. Doch nicht alle Studierenden wollen sich von der Corona-Krise ihren bereits bewilligten Auslandsaufenthalt vermiesen lassen. Immerhin haben sie das Bewerbungsprozedere schon vor einem Jahr begonnen, manche haben sich in der Zwischenzeit eine Unterkunft reserviert, und im Lebenslauf macht es sich sowieso gut. Der 26-jährige Pädagogikstudent Jakob hatte lange gehofft, die Endphase seines Masters im malerischen Göteborg zu verbringen, er hat im Vorjahr dafür auch extra einen Schwedischkurs absolviert. Diese Woche hätte sein Semester in Göteborg begonnen, doch daraus wurde nichts, wie ihm die Uni Wien Anfang Jänner – also zwei Wochen im Voraus – endgültig mitteilte.

Fast ganz Europa auf Rot

Die größte Hochschule des Landes hat beschlossen, Erasmus-Aufenthalte ihrer Studierenden für das Sommersemester prinzipiell abzusagen, wenn eine Reisewarnung ab der Stufe 5 für den Zielort gilt. Mittlerweile betrifft das fast ganz Europa, nur Finnland, Norwegen, Island und Griechenland werden vom Außenministerium auf Stufe 4 gestellt. "Wir halten das Sommersemester angesichts der großen Unsicherheiten für nicht geeignet", sagt eine Sprecherin der Uni Wien zum STANDARD. Die Corona-Situation sei zu instabil, zudem gelte es, die Mobilität in der Pandemie einzudämmen. Studierende, die aus dem Ausland nach Wien kommen ("Erasmus incoming"), werden allerdings nicht abgewiesen. Freilich müssten diese dann damit rechnen, in Wien großteils digital zu studieren, erklärt die Sprecherin.

EU-Sonderregeln für die Pandemie

Einheitlich von der EU vorgegeben ist diese Linie nicht, heißt es vom Österreichischen Austauschdienst (OeAD), der das europäische Vorzeigeprogramm als nationale Agentur für Österreich abwickelt: "Ob ein Austausch über Erasmus plus möglich ist, hängt von der Entscheidung der beteiligten Hochschulen und des jeweiligen Teilnehmers ab." Allerdings rate man von Aufenthalten in Risikogebieten dringend ab und übernehme "keine Haftung für eventuell dadurch entstandene Schäden", wenn ein Teilnehmer dennoch hinfährt. Allerdings weist der OeAD auch auf eine Sonderregelung der EU-Kommission während der Pandemie hin. Demnach ist es möglich, ein Erasmus-Semester zunächst vom Heimatland aus "virtuell zu beginnen und – wenn möglich – zu einem späteren Zeitpunkt physisch fortzuführen".

Entscheidung bei Studierenden

Tatsächlich haben sich zahlreiche Unis anders entschieden als die Uni Wien, sie streichen den Austausch trotz Reisewarnungen nicht von sich aus. "Es gibt weder einen Ratschlag für noch gegen den Antritt des Aufenthalts im Ausland", schreibt die Uni Graz dem STANDARD. Die Studierenden würden aber gebeten, die Reisewarnungen in ihre Abwägung einfließen zu lassen, zumal ab der Stufe 5 Reisekrankenversicherungen keinen Schutz mehr garantieren. Im Sommersemester werden von der Uni Graz nach derzeitigem Stand 130 Studierende mit Erasmus ins Ausland gehen, wobei die Verantwortlichen bis dahin noch mit einigen Stornos seitens der Studierenden rechnen.

Auch von der Uni Innsbruck werden Erasmus-Semester nicht prinzipiell gestoppt, erklärt die Leiterin der Internationalen Dienste, Barbara Tasser: "Wir wollen den Studierenden nicht automatisch die Chance nehmen, an den Partner-Unis ihrer Wahl zu studieren, sei es auch bloß im Onlinemodus." Das sei zwar sicherlich nicht das Ideal von Erasmus, aber man wolle wenigstens diese "Minimalvariante zugestehen". Letztlich müssten die betroffenen Studierende selbst entscheiden, ob sie die schwierigen Bedingungen in Kauf zu nehmen gedenken. Für Studierende, die mit Erasmus nach Innsbruck kommen wollen, sei man ebenso offen, sofern es die Reisebestimmungen zulassen.

Keine Recht auf Verschiebung

Und was passiert, wenn die Unis bereits bewilligte Aufenthalte von sich aus absagen? Ein Vorrecht auf einen neuen Platz nach Abflauen der Pandemie gibt es jedenfalls nicht, wie der verhinderte Austauschstudent Jakob erfuhr: "Eine Verschiebung in das nächste Studienjahr ist leider nicht möglich. Sie können sich aber innerhalb des Bewerbungszeitraums für das Studienjahr 2021/22 erneut um einen Platz für Erasmus plus bewerben", beschied ihm ein Schreiben der Universität Wien. (Theo Anders, 20.1.2021)