Dämonenalarm im Brut: Alex Franz Zehetbauers "AyH".

Foto: Freie Szene Tanz

In Lockdown-Zeiten weckt die Idee, auch Tanz und Performance der freien Szene in die enge Online-Dimension zu bringen, Hoffnungen auf eine Rückkehr in die Öffentlichkeit. Manche davon erfüllen sich, andere zerschellen an den Klippen der technischen Möglichkeiten. Trotzdem bemühen sich unter anderem das Tanzquartier Wien und das Brut-Theater, Publikum und darbender Künstlerschaft Möglichkeiten der virtuellen Begegnung zu bieten.

Netzübertragungen liefern gerade – als Überbrückung – wenigstens annähernden Kontakt mit Tanz, Theater und Performance. Eh klar, Live-Kunst bleibt Live-Kunst und kann durch Streamings nicht ersetzt werden. Wenn die Häuser nicht Belege dafür liefern wollen, dass sie eigentlich durch Onlineplattformen ersetzt werden könnten, müssen sie die jetzt nur online präsentierten Arbeiten unter allen Umständen nochmals live zeigen.

Zum Beispiel das Solo protect. there is no wind in geometrical worlds der Wienerin Inge Gappmaier. Dessen Uraufführung hat das Brut-Theater vor kurzem als Präsentation eines vorab aufgenommenen Videos gestreamt, das seither auf der Brut-Website abrufbar ist. Gappmaier zählt sicherlich zu den überragenden Tänzerinnen in Wiens freier Szene. In protect beweist sie auch bestechende Qualitäten als Stückemacherin.

Isolation innerhalb sozialer Medien

Mit emotionaler Treffsicherheit lässt die Künstlerin ihre Figur in die Isolationsblasen des virtuellen Soziallebens eintauchen. Dabei lässt sie auch den berühmten Programmierer-Pionier Joseph Weizenbaum zu Wort kommen, der schon in den Sixties mit "Eliza" einen digitalen Psychotherapeuten programmiert hat. Weizenbaum gehörte zu den frühen Kritikern der Hybris von Computernerds.

Deren posthumanes Wirken steht den Precarious Moves diametral entgegen, um die es in Michael Turinskys so benannter Solo-Tanzperformance ging, die gerade vom Tanzquartier Wien vorgestellt wurde. Die genau gebaute Arbeit mit ausführlichem Monolog ist eine fragile Untersuchung der Verhältnisse zwischen Körpern mit Behinderungen und ihren Umgebungen, in der Begehren, Fantasien und Leidenschaften regieren.

Zäher One-Night-Stand

Eher zäh dagegen wirkt ein One-Night-Stand mit Cello, den Alex Franz Zehetbauer als Solo-Performer in seinem neuen Stück AyH simuliert. Auch diese – zusammen mit dem Musiker Christian Schröder produzierte – Uraufführung ist noch auf der Brut-Website abrufbar. Zehetbauer erinnert darin indirekt an die von Anthroposophie und Okkultismus umflorte schwedische Malerin Hilma af Klint, blubbert soundverstärkt in Wasserwannen und blickt als genießender Dämon grimmig aus geröteten Augen. Wem das nicht fad war, kam auf ihre oder seine Kosten.

Das war bei Elio Gervasis zusammen mit den Künstlern David Altweger und Mira Loew geschaffener Performance On Abeyance leider anders. Ich habe das Video trotz vieler Bemühungen nicht zum Laufen bringen können. Emanzipierte Mediennutzer dürfen in so einem Fall ohne weiteres auf die Bringschuld der Anbieter pochen. Wem gerade jetzt ein Mindestmaß an Barrierefreiheit wurscht ist, zeigt halt nichts – außer Techniknarzissmus. Man kann sich nur wünschen, dass Liquid Lofts Stranger Than Paradise, das ab 28. Jänner vom Tanzquartier übertragen wird, richtig läuft. (Helmut Ploebst, 20.1.2021)