Polizeibeamte vor der Haftanstalt, in der sich Alexej Nawalny im Moment befindet.

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Wie nun bekannt wurde, gibt es inzwischen in Russland die erste Festnahme wegen der Vergiftung von Alexej Nawalny. Freilich trifft es dabei keinen der acht Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, die einer internationalen Recherche zufolge dem Oppositionellen jahrelang folgten und mutmaßlich in die Affäre verwickelt waren.

Stattdessen hat das Ermittlungskomitee ein Verfahren gegen einen Polizeibeamten in der Wolgaregion Samara eingeleitet. Der Mann wird verdächtigt, Flugdaten von Passagieren an Dritte weitergegeben zu haben. Konkret geht es wohl um die Daten der FSB-Agenten an die Enthüllungsjournalisten.

Handy- und Buchungsdaten

Datenbanken mit persönlichen Angaben von Fluggästen sind auch in Russland normalerweise geheim. Zugang zu dem System, das "Fahndungs-Highway" heißt, hat nur die Polizei. Da das System aber so korrupt sei, habe es sich selbst verkauft, hatte Nawalny bei der Veröffentlichung des brisanten Recherchematerials Mitte Dezember noch gesagt.

Denn die Identität der Verfolger Nawalnys wurde weitgehend über Handy- und Buchungsdaten festgestellt, die die Recherchegruppe um die investigative Internetplattform Bellingcat, das russische Magazin "The Insider", den US-TV-Sender CNN und den "Spiegel" auf dem russischen Schwarzmarkt erstanden hatte.

Möglicher Amtsmissbrauch

Den Weg hat über die entsprechenden Sucheingaben nun offenbar der russische Geheimdienst zurückverfolgt, denn um in den Fahndungs-Highway zu kommen, müssen sich die Benutzer mit Namen und Passwort anmelden. Unmittelbar vor der Festnahme des Verdächtigen, die bereits Ende Dezember stattgefunden haben soll, flog in Samara eine Einsatzgruppe des FSB aus dem zentralen Moskauer Apparat ein.

Sollte sich der Verdacht gegen den bestechlichen Polizisten bestätigen, droht ihm wegen Amtsmissbrauchs eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Derzeit steht er noch unter Hausarrest. Untersuchungen laufen zudem gegen den Chef des Polizeireviers.

Vergiftung kein Thema

Die Aufnahme von Ermittlungen wegen der Vergiftung selbst lehnen die russischen Behörden hingegen nach wie vor ab. Die von der deutschen Staatsanwaltschaft im Zuge eines Moskauer Amtshilfeersuchens bereitgestellten Angaben seien nichtssagend und reichten nicht für die Eröffnung eines Verfahrens, erklärte das russische Außenministerium.

Es soll sich dabei weitgehend um die Ergebnisse einer Befragung Alexej Nawalnys selbst handeln, während Blutwerte und andere Gesundheitsdaten des "Berliner Patienten" (so die offizielle Umschreibung Nawalnys im Kreml), die die russische Seite gern gehabt hätte, geheim blieben.

30 Tage Haft

Der Oppositionspolitiker kehrte am Sonntag nach fast fünfmonatiger Rehabilitation nach Russland zurück und wurde von hunderten Anhängern erwartet. Die Maschine wurde kurz vor der Landung auf einen anderen Flughafen umgeleitet, der Politiker selbst bei der Passkontrolle wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen festgenommen.

Einen Tag später verlängerte ein Moskauer Gericht den vorläufigen Arrest für Nawalny auf 30 Tage. Juristen bezeichnen die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, das nicht in einem Gerichtssaal, sondern im Polizeirevier stattfand, zumindest als zweifelhaft. (André Ballin aus Moskau, 19.1.2021)