Italiens Premier Antonio Conte darf durchatmen. Er hat die Vertrauensfrage im Senat überstanden.

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Nach der gelungenen Generalprobe im Abgeordnetenhaus am Montag hat Italiens Premier am Dienstag im Senat mit einer weitgehend identischen Rede um das Vertrauen des Parlaments geworben – der optisch sichtbarste Unterschied zwischen den beiden Auftritten bestand darin, dass Giuseppe Conte in der kleinen Kammer eine andere Krawatte trug. Einen wichtigen Unterschied lieferte aber die Abstimmung: Mit 154 zu 140 Stimmen erhielt Conte im Senat im Unterschied zur Abgeordnetenkammer lediglich eine einfache Mehrheit.

Für die absolute Mehrheit wären im 321 Mitglieder zählenden Senat 161 Stimmen erforderlich gewesen. Grundsätzlich genügt laut Verfassung aber auch eine einfache Mehrheit in der Vertrauensabstimmung, und es existieren auch schon etliche Präzedenzfälle. Die meisten dieser Regierungen hatten aber nicht lange gehalten. Dass Conte im Senat nicht unterging, lag hauptsächlich daran, dass sich die 18 Senatoren der Kleinpartei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi enthielten, statt gegen die Regierung zu stimmen.

Mit anderen Worten: Conte wurde ausgerechnet von seinem Erzgegner gerettet, der die Regierungskrise mit dem Abzug seiner beiden Ministerinnen in der vergangenen Woche überhaupt erst ausgelöst hatte. Renzis Stallorder im Senat war ein etwas verspätetes Friedensangebot an Conte – das dieser ablehnte: Der Ex-Premier habe dem Land großen Schaden zugefügt und seine mangelnde Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt. "Jetzt wird eine neue Seite aufgeschlagen", betonte der Regierungschef.

Neue Alliierte

Die Stimmenthaltung von Italia Viva alleine hätte Conte vielleicht noch nicht gerettet – aber der Premier konnte im Senat, wie schon tags zuvor in der Abgeordnetenkammer, auf die Unterstützung von etwa einem Dutzend Überläufern der Opposition und dem "Gruppo misto", der gemischten Fraktion zählen. Diese sollen nun nach den Vorstellungen Contes eine stabile neue Fraktion der "Willigen" bilden, auf die die Regierung für die verbleibenden zwei Jahre der Legislatur zählen kann.

Die neuen Verbündeten waren in den vergangenen Tagen mit allen möglichen Versprechungen geködert worden. Der Basar im Senat sei derart peinlich gewesen, dass sie sich für Conte fremdgeschämt habe, erklärte die Chefin der rechtsnationalen Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni. Die Regierung müsse "auf Höhe der Aufgaben sein, die sie erwarten", hatte Conte im Senat betont und um Unterstützung geworben. Doch in Rom herrschen erhebliche Zweifel, ob die Handvoll Neuzuzügler dies ermöglichen werden. "Wahrscheinlich reichen sie Conte, um politisch zu überleben – aber nicht, um in einer so dramatischen Situation zu regieren", schreibt der "Corriere della Sera".

Das Unbehagen reicht bis in die Regierungskoalition: Der Chef des sozialdemokratischen PD, Nicola Zingaretti, sprach von einem "sehr schmalen Weg", auf den sich die Regierung begebe. Das ficht aber Conte nicht an: Der Regierungschef ist zuversichtlich, dass sich in den nächsten Tagen und Wochen weitere Verbündete dazugesellen werden. Er hofft dabei insbesondere auf die Senatoren von Renzis Italia Viva, die in den Schoß des PD zurückkehren könnten, den sie zusammen mit Renzi im Herbst 2019 verlassen hatten. Conte trägt sich außerdem mit dem Gedanken, im Hinblick auf die Parlamentswahl 2023 eine eigene sozialliberale und europafreundliche Partei zu gründen; sie könnte mittelfristig ebenfalls zu einem Auffangbecken für die Überläufer werden.

Beschwertes Italien

Angesichts der prekären Mehrheitsverhältnisse im Senat wird erwartet, dass Conte in Kürze Staatspräsident Sergio Mattarella aufsuchen wird, um mit ihm die Perspektiven seiner Regierung zu erörtern. Der Präsident hat in den vergangenen Tagen nie ein Hehl daraus gemacht, dass er sich angesichts der schweren Probleme, die Italien zu bewältigen hat, eine starke und handlungsfähige Regierung wünscht. Bekommen hat Mattarella nun das genaue Gegenteil davon. Aber nachdem Conte sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat die Vertrauensabstimmung gewonnen hat, bleibt Mattarella nicht viel anderes übrig, als das Verdikt der beiden Parlamentskammern zu akzeptieren. (Dominik Straub, 20.1.2021)