Bild nicht mehr verfügbar.

Das Spike-Protein (blau) unschädlich machen: Was bei einer Erkrankung natürlicherweise passiert, simuliert auch die Impfung. Nanopartikel (lila) werden eingeschleust, können sich dann aber nicht in den Zellen ausbreiten, weil Antikörper (oben pink) das verhindern. Der Organismus ist damit vor einer Infektion geschützt.

Foto: Picturedesk

In der Corona-Pandemie zählen Zahlen. Es geht um die täglichen Neuinfektionen, die Anzahl der Kranken und die Auslastung der Spitäler. Ein Kennwert ist in der Öffentlichkeit ein wenig in den Hintergrund geraten. Es ist die Zahl der Genesenen. Mit Stand 24. Jänner haben in Österreich 370.870 Menschen die Erkrankung hinter sich. "Die Erfahrungen der letzten acht Monate zeigen, dass es nur sehr wenige Fälle einer erneuten Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus gibt", sagt der Labormediziner Helmuth Haslacher von der Medizinischen Universität Wien.

Aus immunologischer Sicht bedeutet das, dass im Blut der meisten Genesenen Antikörper nachgewiesen werden können, die gegen das Virus schützen. Zumindest acht Monate, wie sich durch Daten aus neuesten Studien belegen lässt. Bei einem erneuten Kontakt mit Sars-CoV-2 aktiviert der Körper aber auch jene Abwehrzellen, die er braucht, um eine erneute Erkrankung zu verhindern. Immunität ist der Fachbegriff dafür.

Wie immun bin ich?

Wie lange diese Immunität anhält, kann derzeit allerdings kein Wissenschafter mit Sicherheit sagen. "Unser Blick nach vorn kann immer nur so lange wie die Dauer unserer Erfahrungen in der Vergangenheit sein, alles darüber hinaus sind Schätzungen", sagt Haslacher. Fakt ist: Der überwiegende Anteil der Genesenen ist geschützt, es sind nur vereinzelt nachgewiesene Reinfektionen bekannt. Eine aktuelle Studie aus Katar untersuchte 133.266 Probanden mit einem positiven PCR-Test-Ergebnis auf Reinfektion. Sie beschreibt 54 Fälle, die erneut symptomatisch an Covid-19 erkrankten. Genetisch bestätigt werden konnte das jedoch nur in einem Drittel dieser Fälle. Das Risiko, nach einer durchgemachten Infektion erneut zu erkranken, liegt demnach bei 0,02 Prozent.

Doch Tatsache ist auch, dass die Immunantwort auf Sars-CoV-2 von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann. "Wer die Erkrankung hinter sich hat, hat auch eine umfassende Immunantwort", sagt Haslacher. Die Bildung von Antikörpern ist lediglich ein Teil davon. Das Virus besteht aus unterschiedlichen Proteinen, mit denen das Immunsystem in Interaktion tritt. Auch die sogenannte zelluläre Immunantwort, bei der die T-Zellen eine wichtige Rolle spielen, ist essenziell. Wie gut Genesene geschützt sind, wird über einen Titer bestimmt, der die Aktivität der im Blut vorhandenen Antikörper beziffert. Sie können für die Sars-CoV-2-relevanten IgG- und IgM-Werte (siehe Kasten) durch einen neuen Antikörperschnelltest ermittelt werden.

Dynamisches System

"Die Immunreaktionen können bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 sehr unterschiedlich verlaufen, insofern gibt es keine fixen Zielwerte", sagt Haslacher. Immunologen gehen davon aus, dass bei Genesenen Antikörper immer auch on demand gebildet werden, also dann, wenn Genesene einen erneuten Kontakt mit Sars-CoV-2 haben.

Zudem habe man beobachtet, dass auch geringe Mengen von Antikörpern einen guten Schutz bilden können. Manche Patienten mit schwerem Verlauf hingegen könnten Antikörper bilden, die eine wirksame antivirale Reaktion hemmen, wie eine kleine, in Nature veröffentlichte Studie nun zeigte. Viele Fragen seien in diesem Bereich jedenfalls noch ungeklärt und müssten durch Messungen der Titer in Zukunft erst ermittelt werden. Genau das mache man auch, so Haslacher.

Genesene impfen

Die Impfung ist ein anderer Weg, um die Bildung der wichtigen IgG-Antikörper zu stimulieren. Sie schützen im Fall von Sars-CoV-2 vor einer Erkrankung, aber nicht sicher vor einer Infektion. Auch Genesene können sich impfen lassen, "damit wird ihre Immunantwort noch einmal stimuliert", sagt Haslacher.

Führt eine durchgemachte Erkrankung zur selben Immunantwort wie eine Impfung? Nein, sagt der Experte. Eine Impfung mit den derzeit zugelassenen Impfstoffen ist für das menschliche Immunsystem so etwas wie das Phantombild des Virus, doch dieses reicht aus, damit das Virus zuverlässig erkannt wird. Im Zuge einer natürlichen Infektion werden hingegen Antikörper gegen eine Vielzahl weiterer Virusbestandteile gebildet, die jedoch nicht alle direkt zur Abwehr beitragen müssen. Damit könne man im Labor auch zuverlässig unterscheiden, ob jemand eine Infektion durchgemacht hat oder geimpft worden ist. Die Impfung ist für das Immunsystem nur ein Ausschnitt dessen, was eine Erkrankung im Körper bewirkt.

Impfung wirkt bei Mutationen

Das tut der Wirkung keinen Abbruch. Denn bei einer Erkrankung und genauso bei einer Impfung werden jene Antikörper gebildet, die Sars-CoV-2 daran hindern, mithilfe seines Spike-Proteins in die Zellen einzudringen. In den letzten Wochen habe sich gezeigt, dass dieses Spike-Protein auch bei den Mutationen von Sars-CoV-2 in seinem Grundaufbau unverändert bleibt und folglich die Impfung ebenso weiterhin wirkt. Das könne sich in der Zukunft vielleicht ändern, so Haslacher, die Impfung müsste dann entsprechend angepasst werden. Wie sich das Virus, seine Wirte und damit die Pandemie entwickelt, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen, sagt der Labormediziner.

Wer sehen will, dass die Impfung greift, kann das ebenfalls über einen Antikörpertest machen. 14 Tage nach der zweiten Impfdosis gibt der IgG-Wert an, ob man gegen eine erneute Infektion geschützt ist. Auf diese Weise könne man Impfversagen erkennen. (Karin Pollack, 26.1.2021)