Ende 2019 hat ein neuer Sonnenzyklus begonnen, unser Stern wird in den kommenden Jahren wieder aktiver. Diese Aufnahme machte die Raumsonde Solar Orbiter im Mai des vergangenen Jahres.

Foto: Esa/Nasa

Die Aktivität unserer Sonne weist erstaunliche Regelmäßigkeiten auf. Etwa alle elf Jahre erreicht sie ein Maximum, um dann wieder abzuflauen. Benannt ist dieser Zyklus nach dem deutschen Astronomen Samuel Heinrich Schwabe (1789–1875), der ihn 1843 beschrieb. Einem internationalen Forscherteam ist es nun gelungen, weit zurück in die Vergangenheit unseres Gestirns zu blicken: Die Wissenschafter konnten das Aktivitätsmuster der Sonne für die vergangenen tausend Jahre lückenlos rekonstruieren – und den Schwabe-Zyklus bis ins Jahr 969 zurückverfolgen. Dabei fanden sie Spuren einiger besonders heftiger Ereignisse.

Von der Erde aus können wir die Sonnenaktivität nur indirekt beobachten, etwa durch die Anzahl der dunklen Sonnenflecken auf der Sonnenoberfläche. Diese Flecken sind untrügliche Anzeichen turbulenter Phasen: Bögen aus heißem Plasma schießen bis in die äußere Hülle des Sterns, hochenergetische Teilchen werden ins All geschleudert und führen zu sogenannten Sonnenstürmen, die auch auf der Erde Konsequenzen haben können.

Verräterisches Isotop

Um die Aktivität der Sonne für das vergangene Jahrtausend rekonstruieren zu können, folgten die Forscher um Lukas Wacker von der ETH Zürich und Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen aber einer ganz anderen Spur – radioaktivem Kohlenstoff in uraltem Holz. Wie das Team im Fachblatt Nature Geoscience berichtet, wurde ein Archiv aus Baumscheiben aus England und der Schweiz genutzt.

Das Alter der Scheiben ließ sich durch die Wachstumsringe im Holz bestimmen, zweifellos der einfachste Teil der Studie. Das Archiv umfasste demnach alle Jahre von 969 bis 1933 lückenlos. In den Ringen selbst findet sich zudem, wie in allen organischen Materialien, ein winziger Anteil an radioaktivem Kohlenstoff C14. Aus der Halbwertszeit dieses Kohlenstoffisotops (rund 5700 Jahre) lässt sich auf den Gehalt an radioaktivem Kohlenstoff schließen, der sich zum Zeitpunkt der Entstehung eines Jahresrings in der Erdatmosphäre befand.

Und daraus konnten die Forscher wiederum auf die Sonnenaktivität schließen: Denn radioaktiver Kohlenstoff wird hauptsächlich von kosmischen Teilchen gebildet. Wie viel dieser Teilchenstrahlung unseren Planeten aber erreicht, hängt stark von unserem Gestirn und seinem Magnetfeld ab: Je aktiver die Sonne ist, desto besser schirmt sie die Erde ab. Aus einer Änderung des C14-Gehalts in der Erdatmosphäre lassen sich daher Informationen über die Sonnenaktivität gewinnen.

Starke Stürme

Die Auswertung der Messdaten ergab ein klares Bild: Der Elfjahreszyklus der Sonne ist für den gesamten Untersuchungszeitraum nachweisbar. Außerdem konnten die Forscher ein bereits vermutetes Ereignis im Jahr 993 bestätigen. Damals erreichte offenbar ein sehr starker Sonnensturm die Erde. Auch in den Jahren 1052 und 1279 dürften besonders viele hochenergetische Teilchen die Erde getroffen haben.

In unserer heutigen hochtechnisierten Welt können solche starken Sonnenstürme folgenreich sein: Sie können Änderungen im Erdmagnetfeld hervorrufen, die sich negativ auf Kommunikationssysteme und Stromnetze auswirken. Auch Satelliten können ernsthaft geschädigt werden. "Die Vergangenheit der Sonne möglichst genau und über einen langen Zeitraum zu kennen hilft uns nicht nur dabei, die innere Dynamik unseres Sterns besser zu verstehen. Es erlaubt uns auch, besser abzuschätzen, wie sich die Sonne in Zukunft verhalten könnte", sagte Studien-Koautor Solanki.

Mehr Informationen über Sonnenwinde sollen auch die europäisch-amerikanischen Raumfahrtmissionen Solar Orbiter und Parker Solar Probe liefern, die in den vergangenen Jahren gestartet sind. Sie können unseren Stern nun einmal in der Aufwachphase beobachten: Vor gut einem Jahr hat ein neuer Zyklus begonnen. (David Rennert, 21.1.2021)