Etwa 150.000 Impfdosen wurden Stand Mittwoch in Österreich verabreicht. Einzelne davon auch an Personen, die eigentlich noch nicht an der Reihe waren.

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So richtig versteht der Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt die Aufregung um seine Causa nicht. Am Mittwoch räumt der ÖVP-Politiker im Gespräch mit dem STANDARD jedoch ein: "Jetzt, im Rückspiegel gesehen, hätte ich die Impfdose wohl ausschlagen sollen." Noch am Abend zuvor erklärte Matt vor hunderttausenden Fernsehzusehern, er sehe kein Fehlverhalten darin, dass er eine Impfung erhalten hatte, die in einem Altenheim übrig geblieben sei. Matt bleibt dabei: Er sei der Allerletzte in der Warteschlange gewesen, habe also niemandem eine Dosis weggenommen. Medial kolportierte Aussagen der zuständigen Heimärztin klangen da anders. Die sagte, in der Warteschlange seien noch Personen aus der Hochrisikogruppe gewesen, die auf eine Impfung gehofft hatten.

Fälle wie diese, nämlich dass heimfremde Personen von Impfungen ebendort profitieren, gab es zuhauf in den letzten Tagen, die Berichte darüber kamen aus fast allen Bundesländern. Viele davon betrafen Bürgermeister – etwa in einem Bezirk in Innsbruck-Land, Stubenberg am See, in Enns, in St. Georgen an der Gusen, in Eberschwang und im Kärntner Völkermarkt – da soll es der Altbürgermeister gewesen sein, der geimpft wurde.

Der Ruf nach Konsequenzen kam nun von höchster Stelle. "Wenn sich jemand vordrängt, ist das moralisch enttäuschend", sagt etwa Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), "wütend und zornig" mache in das. Ähnliches kam vom Vizekanzler: "Empörend" und "nicht hinnehmbar" fand der die Praxis und forderte, dass diese von den Landeshauptleuten und den Gesundheitsreferenten abgestellt werde.

Kaum Sanktionen möglich

Auch das Gesundheitsministerium forderte prompt Sanktionen ein. Die sind aber begrenzt, immerhin ist die eigene Priorisierungsliste nur eine "Vorgabe mit Empfehlungscharakter", wie es aus dem Ministerium heißt. Konkrete Sanktionen könnten "von einer Aufklärung der Einrichtungen durch die Impfkoordinatoren bis zur strafrechtlichen Verfolgung bei gröberen Verstößen gehen". Strafrechtlich relevant können aber nur Fälle sein, bei denen Spendengeld floss. Die Staatsanwaltschaft prüft in diesem Zusammenhang einen Vorwurf in Kärnten.

Weitere massive Anschuldigungen wurden nun laut, sie sind – da anonym vorgebracht – derzeit schwer auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Ein Beispiel aus Salzburg illustriert dies: Die Gemeinderatsfraktion der Neos will in einer Anfrage wissen, ob in städtischen Altenheimen hausfremde Personen geimpft worden seien. Expliziter Vorwurf: Es solle sich um Personen handeln, die für die betreffenden Heime größere Beträge gespendet hätten. Basis der Anfrage ist unter anderem ein anonym gehaltener Angehörigenbrief an die Neos. Ein Faksimile des Briefs liegt dem STANDARD vor. Dass die Adressatin der Anfrage ausgerechnet Salzburgs Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ) ist, öffnet Spekulationen in alle möglichen Richtungen allerdings Tür und Tor. Hagenauer gehört selbst zu jenen, die in der Kritik stehen, die Sozialstadträtin hat sich mit einer übrig gebliebenen Dosis bereits Ende 2020 impfen lassen. Die Neos forderten damals den Rücktritt der Sozialstadträtin.

Zweiter Stich

Dazu kommt: All die Bürgermeister, Angehörigen und Bekannten, die nun, obwohl ihre Personengruppe eigentlich noch nicht dran ist, geimpft wurden, müssen innerhalb von drei bis vier Wochen ihre zweite Teilimpfung erhalten.

Das passiert auch. In Wien etwa: "Jeder, der eine erste Impfung erhalten hat, bekommt auch den zweiten Stich", heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) dazu. Alles andere wäre eine Verschwendung der ersten Dosis. Die Überprüfung, ob in einem Heim tatsächlich nur jene geimpft werden, die in der Priorisierung dran sind, findet in Wien stichprobenartig statt. Amtsärzte werden unangekündigt zu Impfterminen geschickt. Impfteams, bei denen es zu Verfehlungen kommt, werden nicht mehr eingesetzt.

Voranmeldungen in Wien

Die überschüssigen Impfungen will man in Wien künftig mittels der bereits gestarteten Voranmeldung besser handeln. Online können Impfwillige angeben, dass sie spontan für den Stich bereit wären. Berücksichtigt wird bei der Voranmeldung als Erstes das Geburtsdatum, danach die Angabe von Vorerkrankungen oder Risikoberufen.

Denn derzeit warten zahlreiche Senioren auf ihre Impfung. Laut Impfstrategie des Bundes sind über 85-Jährige im Februar an der Reihe, einzelne Bundesländer zogen diese Altersgruppe jedoch vor. Wie viele von ihnen tatsächlich schon immunisiert wurden, ist nicht klar, derartige Zahlen liegen dem Gesundheitsministerium nicht vor. Auch nicht, wie viele der Impfungen bisher an Personen aus dem Umfeld von Heimen oder Gesundheitseinrichtungen gingen. (Gabriele Scherndl, Oona Kroisleitner, Thomas Neuhold, 20.1.2021)