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"Es gibt nur sehr wenige Menschen, die täglich so schrecklichen und grausamen Angriffen ausgesetzt werden wie Dr. Levine", sagt Brian Sims, Abgeordneter im Kongress des Bundesstaates Pennsylvania
Foto: Joe Hermitt/The Patriot-News via AP

Es war im vergangenen Mai: Rachel Levine gab als Gesundheitsministerin des US-Bundesstaates Pennsylvania in einer Radiosendung Auskunft zur Corona-Krise. Ihr Problem waren dabei weniger die Fragen der Hörerschaft, sondern vielmehr der Umstand, dass der Moderator Levine stets als Mann ansprach. "Bitte hören Sie damit auf", bat sie, "das ist wirklich beleidigend."

Rachel Levine wurde zwar vor 64 Jahren als Richard in Massachusetts geboren und zeugte zwei Kinder, doch seit 2011 lebt sie in seinem gefühlten weiblichen Geschlecht. Die Ehe wurde zwei Jahre später geschieden.

Was im akademischen Umfeld der Harvard-Absolventin – sie ist Kinderärztin, Psychiaterin und Professorin an der Penn State University – kaum eine Erwähnung wert war, macht ihr im Zusammenhang mit ihren politischen Ämtern aber deutlich zu schaffen, vor allem nachdem sie 2017 von Gouverneur Tom Wolf zur Gesundheitsministerin Pennsylvanias gemacht worden ist.

"Was kann ich tun, wenn ich groß bin?"

"Es gibt nur sehr wenige Menschen, die täglich so schrecklichen und grausamen Angriffen ausgesetzt werden wie Dr. Levine", berichtet Brian Sims, Abgeordneter im Kongress des Bundesstaates Pennsylvania und ebenso wie Levine in der Organisation Equality Pennsylvania tätig, dem "Philadelphia Enquirer".

Als Staatssekretärin im Regierungsteam von Joe Biden wird Levine – ihre Bestätigung im Senat gilt als Formsache – das höchste politische Amt bekleiden, das bisher eine Transperson innehatte. Raffi Freedman-Gurspan, die erste Transgender-Person, die im Weißen Haus (während der Amtszeit Barack Obamas) arbeitete, sieht eine neue Ära anbrechen: "Das ist eine so wichtige Botschaft an junge Menschen und junge trans- und nichtbinär identifizierte Kinder, die sich fragen: Was kann ich tun, wenn ich groß bin?"

Auch in ihrem familiären Umfeld beschritt Levine neue Wege. Aufgewachsen in einer Familie, die sich dem konservativen Judentum verbunden fühlt, bezeichnet sie sich heute als Reformjüdin: In dieser Bewegung erlebe sie mehr Offenheit ihrer Person gegenüber.

Mit Levine holt sich Biden eine Politikerin ins Kabinett, die im Ruf steht, viel Expertise in den kritischen Bereichen Corona, HIV, Hepatitis und Opioide zu besitzen. Mit Widerstand und Feindseligkeiten aus dem konservativen Lager muss Levine aber wohl auch im neuen Amt rechnen – wenngleich diese einmal mehr eher auf ihre geschlechtliche Identität als ihre fachliche Kompetenz gemünzt sein werden. (Gianluca Wallisch, 20.1.2021)