Egal in welcher Form – über Masken sind die Mitglieder der beobachteten Facebook-Gruppe jedenfalls unglücklich.

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Es braucht nicht viele Klicks, um auf sozialen Medien Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen zu finden. Geschlossene Betriebe, Ausgangsbeschränkungen, Maskenpflicht – verständlicherweise macht das viele nicht glücklich. Notwendig ist es nach Ansicht der meisten Experten trotzdem. Was die Wissenschaft zur Pandemie sagt, interessiert so manchen Internetnutzer aber weniger als die Meinungen selbsternannter Fachpersonen in Youtube-Videos oder auf dubiosen Onlineportalen. In digitalen Echokammern werden deren Aussagen zu einem wohligen "Wir gegen die da oben"-Gefühl verstärkt.

Etwa in einer einschlägigen österreichischen Facebook-Gruppe mit über 10.000 Mitgliedern, in der sich Der STANDARD über Monate umgesehen hat.

Wer durch die Postings scrollt, kann kaum glauben, dass bei den jüngsten Wahlen in Wien und St. Pölten sowohl die ÖVP als auch die Grünen, also die beiden Regierungsparteien, zulegen konnten. Neben teils auch konstruktiver Kritik an der Corona-Politik der Koalition findet sich ein Sammelsurium an Meinungen, die sich vor allem so zusammenfassen lassen: Sehr viele der User wollen nicht an Covid-19 – oder seine Gefährlichkeit – glauben.


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"Merkel-Plan" und FPÖ-Fans

Die Maßnahmen seien sinnlos, das Volk werde unterdrückt, heißt es dort. Als "Schuldige" wird aber nicht nur die heimische Regierung benannt, sondern etwa auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, auf deren Befehl hin Österreichs Kanzler Sebastian Kurz "sofort springt". Auch der Beliebtheitsgrad von SPÖ und Neos ist in der Gruppe auf dem Gefrierpunkt. Die FPÖ hingegen erfreut sich regen Zuspruchs: Immer wieder werden Postings von Politikern wie dem Wiener Stadtrat Dominik Nepp oder Ex-Innenminister Herbert Kickl geteilt. Diese kritisieren einmal die Regierung, ein andermal sagen sie Corona-Demonstranten ihre Unterstützung zu. Die FPÖ weiß ihre Klientel via Social Media zu bedienen.

"Plandemie" und heldenhafte "Wutwirte"

In die Beiträge der Facebook-Gruppe schleichen sich immer wieder Untergangsfantasien. Ein deutscher Ex-Polizist und Autor berichtet etwa auf dem Youtube-Kanal eines bekannten Verschwörungserzählers vom "Merkel-Plan". Der Schreiber konstatiert, dass Deutschland am Rande einer Diktatur stehe und ein Bürgerkrieg nicht auszuschließen sei.

Das Narrativ einer großen Verschwörung kehrt auch in anderen Postings wieder und wird stets mit anekdotischen Erzählungen untermauert. Beispielsweise erzählt eine Frau in einem Video, sie wisse, dass wir uns in einer "Plandemie" befänden. Wer die Frau ist, bleibt unklar. Jedenfalls erzählt sie, sie sei jetzt im Auto noch rechts rangefahren, weil sie ihr Wissen darüber, dass die Pandemie von den Mächtigen geplant worden sei, dringlich teilen wolle. Sieben Minuten spricht sie über die "Plandemie" und argumentiert so: Beim ersten Lockdown durften Bürger bei den "Eliten", also Ketten wie McDonald’s und Burger King, essen, aber nicht in reguläre Lokale gehen.

Mit der Realität stimmt das nur bedingt überein. Die Fastfood-Lokale durften lediglich ihren Drive-in-Betrieb öffnen. Der Beitrag wurde dennoch tausendfach gelikt und in die Gruppe gespült. In den Kommentaren liken mehr als 100 Menschen die Einschätzung, dass "wir" uns in einem "asymmetrischen Krieg" nicht gegen das Virus, "sondern gegen uns" befänden.

Heldenfiguren und Feindbilder

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Nebst Feindbildern werden in der Gruppe auch Helden geboren. Etwa die Linzer "Wutwirtin" Alexandra Pervulesko, die vor wenigen Wochen aus Protest gegen die Maßnahmen ihr Lokal aufsperrte. Ein Termin, zu dem die Administratorin der Gruppe persönlich mit Kamera ausrücken wollte. Pervulesko und andere Gastronomen in verschiedenen Ländern, die sich nicht an die Auflagen halten wollen, werden gefeiert. Wenn es ihr alle nachmachten, könnte die Staatsmacht gar nicht so viel kontrollieren und müsste die Regelungen wieder außer Kraft setzen, glauben einige Mitglieder der Facebook-Gruppe.

Doch ihre Gunst kann man auch schnell wieder verspielen. Der Sänger Andreas Gabalier etwa wurde flott zum Idol stilisiert, als Aussagen von ihm die Runde machten, die ihn in Verdacht brachten, ein Impfgegner zu sein. Der Enthusiasmus endete jäh, als der Musiker erklärte, sich schnellstmöglich gegen Covid-19 impfen lassen zu wollen.

Überhaupt scheint die Impfbereitschaft in diesem Facebook-Zirkel gering zu sein. In den vergangenen Wochen nahm die Frequenz an Postings über angebliche Todesfälle in Zusammenhang mit den Vakzinen deutlich zu. Da werden Sorgen darüber erörtert, dass der Impfstoff so schnell entwickelt wurde. In der Kommentarspalte wird über eine Vertuschung durch Medien und Politik gemunkelt. Das diesbezügliche Misstrauen ließe sich freilich mit ein wenig Internetrecherche leicht beheben.

"Maskenwahnsinn"

Das wohl größte Feindbild der Gruppenmitglieder ist der Mund-Nasen-Schutz. Der sei komplett unnötig und schränke nur die Atmung ein. Ein steirischer Arzt, der im Herbst "Atteste gegen den Maskenwahnsinn" ausstellte – und dafür Berufsverbot erhielt –, wird in einer Welle an Solidaritätsbekundungen verteidigt. Der Mann darf sich übrigens mittlerweile einer kleinen Berühmtheit in Verschwörungskreisen erfreuen, denn sein Status als Mediziner gibt ihm in den Augen vieler Nutzer eine höhere Glaubwürdigkeit. Dass derartige Atteste in vielen öffentlichen Gebäuden nicht akzeptiert werden, stößt Mitgliedern der Facebook-Gruppe im Tagesrhythmus sauer auf.

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Manchmal geht es aber auch weniger harmlos zu. Für seine Aussage, für Extremisten gebe es keine Toleranz, wenn sie "Grundrechte missbrauchen", wird Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) als "Himmler 2.0" bezeichnet. Ein anderer Nutzer befindet, Nehammer fordere "das Volk heraus". Dazu teilt er ein Bild mit dem Schriftzug "Vorsicht Bürgerkrieg! Was lange gärt, wird endlich Wut".

"Denunzianten verfolgen"

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Regelmäßig beschweren sich User über die Entfernung ihrer Beiträge. Facebook hinterlegt Falschnachrichten nämlich bei Meldung immer wieder mit Warnhinweisen oder entfernt sie ganz. Für manche User ist das ein Beleg für "Zensur" und die "Erodierung der Demokratie".

Kritische Aufmerksamkeit wird von der Administratorin ohnehin nicht gerne gesehen. So rief sie im November dazu auf, "Denunzianten" an die Gruppenmoderation zu melden, weil sie durch die Meldung von Beiträgen eine Sperrung der Gruppe verursachen könnten. Das stieß freilich nicht auf ungeteilte Zustimmung. Während sich manche freuten, etwaige "Verräter" hinauswerfen zu können, wiesen andere darauf hin, dass man für eine Diskussion auch unterschiedliche Meinungen brauche. Die Administratorin hielt dagegen, dass Beiträge an Facebook gemeldet werden könnten. Auf die Gegenfrage, wer unter Verdacht stehe, folgte nur die vage Antwort, dass es um Personen mit "Fakeprofilen" gehe.

Zuflucht Telegram

Für den Fall der Fälle hat man aber ohnehin Vorkehrungen getroffen. Es gibt seitdem eine Website und auch – erraten – einen passenden Telegram-Kanal. Wer dort unterwegs ist, darf sich an einem ganz anderen Niveau von Realitätsverweigerung erfreuen. Denn während Verschwörungsideologien bei Facebook auch ihre ersten Funken sprühen können, setzt das Netzwerk bei Meldungen mittlerweile Maßnahmen.

Bei Telegram, das allerdings weitaus nicht so viele Nutzer aus Österreich hat und somit oft erst die nächste Station ist, werden Beiträge nur vereinzelt gelöscht. Dort können die kruden Theorien der radikalsten "Querdenker" gänzlich ohne Widerspruch wuchern. (Muzayen Al-Youssef, Georg Pichler, 30.1.2021)