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In Österreich wurden bisher 1.800 Vollsequenzierungen von positiven Corona-Tests durchgeführt. Nach Ansicht der EU-Kommission ist das bei weitem zu wenig.

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Die Warnung ist eindringlich und klar: Die EU-Staaten müssen sofort damit beginnen, mehr sogenannte Genomsequenzierungen durchzuführen. So, wie es derzeit laufe, könnten weder aktuelle Coronavirus-Mutationen wie die hochansteckende britische Variante B.1.1.7 entdeckt noch neue gefunden werden. Das schreibt die EU-Kommission in einem aktuellen zwölfseitigen Papier ans EU-Parlament und den Europäischen Rat.

Geht es nach der Kommission, sollten zwischen fünf und zehn Prozent der positiven Covid-Fälle genomsequenziert werden. Die Sequenzierung ist ein aufwendiges mehrtägiges Verfahren, durch das Virusmutationen entdeckt und ihre Verbreitung festgestellt werden kann.

Auch Österreich ist von diesem Ziel noch meilenweit entfernt. Allerdings laut Gesundheitsministerium nicht so weit, wie die Europäische Kommission in ihrem offiziellen Schriftstück schreibt. Denn in einer Liste darüber, welche Länder wie viele Sequenzierungen zwischen September 2020 und 13. Jänner durchgeführt haben, wird Österreich als absolutes Schlusslicht (mit 0,000 Prozent) genannt – noch hinter Polen, Griechenland und Kroatien. 23 europäische Länder werden darin aufgelistet, angeführt von Dänemark (15,1 Prozent).

Bisher 1.800 Sequenzierungen in Österreich

"Das stimmt einfach nicht", sagt ein Sprecher von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) dem STANDARD. Er geht davon aus, dass hier veraltete Daten herangezogen wurden. Zudem würden aktuell Einmeldungen in jene Datenbank passieren, auf der die Auflistung der EU-Kommission basiere.

Laut Ministerium wurden in Österreich seit Ausbruch der Pandemie 1.800 Sequenzierungen durchgeführt. Zum Vergleich: Bisher gab es knapp 393.500 positive Tests in Österreich. Europäisches Schlusslicht beim Aufspüren von Virusmutationen sei man damit aber bei weitem nicht, heißt es aus Anschobers Büro. Bei der britischen Variante sei Österreich bezogen auf Sequenzierungen auf Platz acht innerhalb der EU.

Österreich wies EU auf "fehlerhafte Grafik" hin

Am Mittwoch sei bei der Tagung der Botschafter bereits "auf die fehlerhafte Grafik durch Österreichs EU-Botschafter hingewiesen worden", hieß es aus Anschobers Büro. Zitat aus dem Sitzungsprotokoll: "Ausbau der Kapazitäten ist wichtig und wird jedenfalls unterstützt (Steigerung der österr. Kapazitäten). In diesem Zusammenhang darf darauf jedoch verwiesen werden, dass die Grafik zum Sequenzierungsanteil auf S.6 das tatsächliche Sequenzierungsvolumen in Österreich nicht korrekt widergibt (0,0%). Aktuell werden in Österreich 0.157% der Proben sequenziert, die Kapazitäten werden momentan auch noch weiter ausgebaut. Das Sequenzierungsvolumen mit Stand nächste Woche wird 0,255% betragen."

Das Kabinett der EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sei angehalten worden, den Link zur fehlerhaften Grafik zu berichtigen.

Laut Anschober soll jedenfalls die Zahl der Vollsequenzierungen weiter erhöht werden – und zwar auf 400 pro Woche, wie er am Donnerstag sagte.

EU-Kommission: "Es ist dringend"

Aus dem Bericht der EU-Kommission geht auch hervor, dass das European Centre for Disease Prevention (ECDC) die Mitgliedsstaaten bei den Sequenzierungen unterstützen kann und möchte. Bisher hätten dieses Angebot jedoch erst zwei – nicht genannte – Mitgliedsstaaten in Anspruch genommen. Österreich ist jedenfalls nicht darunter. Auch darüber hinaus bietet die EU den Mitgliedsstaaten ihre Hilfe an, damit rasch mehr Sequenzierungen durchgeführt werden – "es ist dringend".

Grundsätzlich stellt die Kommission fest, dass die aktuellen Virusmutationen um 50 bis 70 Prozent ansteckender sind, aber keine schwereren Krankheitsverläufe zur Folge haben. Durch die schnellere Verbreitung der Viren seien die Mutationen ein wahrscheinlicher Grund für die stark steigenden Fallzahlen in der EU in den vergangenen Wochen. Festgehalten wird auch, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die aktuell oder bald verfügbaren Impfstoffe bei den neuen Virusvarianten weniger Schutz bieten würden. (David Krutzler, Katharina Mittelstaedt, 21.1.2021)