Amanda Gorman (22) macht Poesie mit Botschaft hip.

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Einen Showstopper nennt man, was die junge, schwarze Poetin Amanda Gorman bei der Inauguration von Joe Biden als 46. Präsident der USA hingelegt hat. Entertainment-Schwergewichte wie Lady Gaga und Jennifer Lopez sangen zwar für den Demokraten, trotzdem spricht die ganze Welt über die 22-jährige Harvard-Absolventin – sie hält einen Bachelor-Titel in Soziologie – und ihr Gedicht The Hill We Climb. Es zielt auf Einheit und Heilung ab und wurde unter dem Eindruck der Kapitolstürmung fertiggestellt.

Aber wer ist Gorman, die als sechste und jüngste Dichterin bei einer Angelobung Größen wie Maya Angelou (Bill Clinton, 1993) oder Elizabeth Alexander (Barack Obama, 2009) nachfolgte? Und warum passt sie, die laut Medienberichten von Jill Biden vorgeschlagen wurde, so gut zur Programmatik der ganzen Veranstaltung?

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Gorman repräsentiert die amerikanische Aufstiegsstory mit jeder Faser. Als Tochter einer alleinerziehenden Lehrerin kam Gorman in einer sozial durchmischten Ecke von Los Angeles früh mit verschiedenen Realitäten und Soziotopen in Berührung.

Wie Präsident Biden litt sie als Kind an einem Sprachfehler. Als Outsiderin kam sie sich vor, schuf sich durch obsessives Lesen und Schreiben schon in jungen Jahren eine eigene Welt. Warum es gerade Poesie wurde? Die Tanzstunden, die Malfarben waren einfach zu teuer – Block und Kuli konnte sich die Familie leisten.

Das Amerika, das Biden vorschwebt

Inspiriert von einer Rede der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai engagierte sie sich als Jugenddelegierte zur Uno-Generalversammlung, bevor sie im Alter von 16 Jahren zur ersten National Youth Poet Laureate erkoren wurde.

Diese Auszeichnung erhält jemand, der sich nicht nur durch hohe Handwerkskunst im Bereich Poesie auszeichnet, sondern sich auch für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Gormans Selbstbeschreibung auf ihrer Website bringt das auf den Punkt: "Wordsmith. Change-maker."

Als dezidierte Feministin, als Aktivistin, die sich mit marginalisierten Gruppen beschäftigt, als junge Selfmadefrau verkörpert sie das Bild von jenem Amerika, das Biden vorschwebt, perfekt.

2036 will Gorman angeblich selbst als Präsidentin kandidieren. Unmöglich scheint das nicht. Immerhin hat das "skinny black girl", wie sie sich in The Hill We Climb selbst bezeichnet, Poesie gerade wieder für eine junge Zielgruppe hip gemacht. Damit hat nun wirklich niemand gerechnet. (Amira Ben Saoud, 21.1.2021)