Eine Hauskatze gerät wegen Katzenminze in Ekstase. Forscher haben nun herausgefunden, dass Substanzen, die in der Pflanze enthalten sind, nicht nur Euphorie erzeugen, sondern die Katzen auch vor lästigen Insekten schützen.

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Das Internet ist voll davon. Und zugegeben: Die Videos sind auch nett anzusehen, wenn sich Stubentiger euphorisch in Katzenminze wälzen oder in Spielzeug, das damit gefüllt ist. Dieses euphorisierte Verhalten ist seit langem bekannt: Im Kräuterbuch Universal Herbal von Thomas Green aus dem Jahr 1820 heißt es (in deutscher Übersetzung) über Katzenminze:

"Wenn man sie pflanzt, wird sie von Katzen umtanzt; wenn man sie sät, kommen die Katzen zu spät. Wenn man beim Pflanzen oder Ernten das Laub verletzt, kommen die Katzen von überall her, wälzen sich, zerfetzen die Blätter und fressen sie."

Aber wie genau die Pflanze für die euphorische Reaktion sorgt, war lange ein Rätsel. Klar war, dass die enthaltenen Duftstoffe die entscheidende Rolle spielen. Aber um welche Substanzen handelt es sich dabei? Wie wirken sie? Und warum geben sich die Katzen nicht mit dem bloßen Schnuppern zufrieden?

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Eine neue Studie klärt nun all diese Fragen und liefert zum Teil auch neue Antworten, so etwa, dass die berauschenden Schlüsselchemikalien in den Pflanzen das Opioidsystem von Katzen ähnlich wie Heroin und Morphin bei Menschen aktivieren. Zudem dürfte das Wälzen der Katzen in Katzenminze eine funktionelle und nicht nur euphorisierende Seite haben.

Chemischer Schlüssel zur Katzenekstase

Bekannt ist, dass Katzenminze und Silberwein chemische Verbindungen enthalten, die Iridoide genannt werden und als der Schlüssel zur Katzenekstase gelten. Um die Wirkung dieser Verbindungen genauer zu bestimmen, führte der japanische Biologe Masao Miyazaki von der Uni Iwate fünf Jahre lang verschiedene Experimente mit den Pflanzen und ihren Chemikalien durch.

Zunächst extrahierte sein Team die Chemikalien, die sowohl in Katzenminze als auch in den Blättern von Silberwein enthalten sind, und identifizierte die stärkste Komponente, die den katzenartigen Rausch hervorruft: eine minzartige Chemikalie der Silberrebe namens Nepetalactol. (Bis zu dieser neuen Untersuchung, die dieser Tage im Fachblatt "Science Advances" erschien, war unbekannt, dass diese Substanz, die Nepetalacton in Katzenminze ähnelt, auf Katzen wirkt.)

Tests mit großen und kleinen Katzen

Dann füllten die Forscher um Miyazaki Blätter mit Nepetalactol in Papierbeutel und legten diese Behältnisse zusammen mit Beuteln, die nur eine salzhaltige Substanz enthielten, 25 Hauskatzen vor, um deren Reaktion zu messen. Wie nicht weiter überraschend, zeigten die meisten Tiere nur an den Beuteln mit Nepetalactol Interesse. Um sicherzugehen, dass diese Substanz der Schlüssel zur Katzeneuphorie ist, wiederholten sie das Experiment mit 30 verwilderten Katzen sowie einem Leoparden, zwei Luchsen und zwei Jaguaren, die in zwei japanischen Zoos leben.

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Das Resultat: Ob groß oder klein, die Katzen gaben sich der Substanz hin und rieben ihre Köpfe und Körper durchschnittlich zehn Minuten lang an den Beuteln. Im Gegensatz dazu zeigten Hunde und Mäuse, die getestet wurden, kein Interesse an der Substanz.

Erhöhe Konzentration von Beta-Endorphinen

Im Anschluss daran maßen die Biologen sogenannte Beta-Endorphine in den Blutbahnen von fünf Katzen fünf Minuten vor und nach dem Experiment. Beta-Endorphine gehören zu jenen Hormonen, die auf natürliche Weise Schmerzen lindern und Vergnügen hervorrufen, indem sie das Opioidsystem des Körpers aktivieren. Dabei zeigte sich, dass die Werte dieses "Glückshormons" nach dem Kontakt mit Nepetalactol signifikant erhöht waren. Und fünf Katzen, bei denen das Opioidsystem blockiert war, rieben sich nicht an den mit Nepetalactol versetzten Beuteln.

Damit blieb nur noch die Frage, ob die Rollbewegungen reines Vergnügen sind oder noch einen anderen Zweck haben. Um das zu klären, half eine 20 Jahre alte Studie, die herausfand, dass Nepetalacton lästige Insekten vertreibt und so gut wirkt wie der Gelsenstopper Deet. Die Hypothese lag auf der Hand: Katzen könnten sich, wenn sie sich an Katzenminze reiben, mit einem Insektenschutzmittel "einschmieren".

Wälzen in Katzenminze als Gelsenschutz

Tatsächlich konnten die Forscher erstens nachweisen, dass Katzen die Chemikalie durch Reiben auf die Haut applizieren können. Zweitens zeigten Tests mit sedierten Katzen, deren Köpfe mit Nepetalactol versetzt worden waren, dass sie sehr viel weniger stark von Gelsen heimgesucht wurden als unbehandelte Katzen.

Nahmen die meisten Forscher und Haustierbesitzer bis jetzt an, dass schiere Euphorie der einzige Grund ist dafür, warum sich Katzen in Katzenminze wälzen, zeigt die neue Studie etwas anderes: Dieses Verhalten hat auch eine höchst praktische Funktion. Ungelöst bleibt damit nur noch ein Rätsel: Was kam evolutionär zuerst: die Euphorie oder der Insektenschutz? (Klaus Taschwer, 22.1.2021)