Der Gipfel der Staats-und Regierungschefs der EU fand einmal mehr nur virtuell statt. Auch Einigungen blieben eher ungreifbar.

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Wie geht es mit den Grenzen in der EU weiter? Bis man eines Tages wieder ungehindert in der Union wird hin- und herreisen können, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Diesen Eindruck jedenfalls musste gewinnen, wer am Donnerstagabend die Debatten rund um den virtuellen Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU verfolgte. Die deutsche Regierung hatte die Frage möglicher Grenzschließungen schon vor Beginn der Unterredungen wieder aufs Tapet gebracht – wobei Kanzlerin Angela Merkel in einer eilig anberaumten Pressekonferenz ungewohnt deutlich wurde. Ein konkretes Ergebnis brachte der Gipfel in dieser Frage freilich nicht.

Stellungnahmen der EU-Spitze zur Frage des Vorgehens in der Corona-Pandemie nach den Beratungen am Donnerstagabend.
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Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen stellten nach dem Gipfel einen neuen Plan vor, die EU in virologische Zonen zu unterteilen. In gleichfarbigen Zonen sollen auch vergleichbare Regeln gelten, Austausch müsse möglich sein. Für neue dunkelrote Zonen, in denen sich die Aktivität mutierter Virusstämme stärker darstelle, solle das anders sein. Hier sollen die Staaten im Gespräch miteinander entscheiden, welche Maßnahmen – Einreisesperren, Quarantäne, Testpflicht – es geben soll.

Kernpunkt, der immer wiederholt wurde: Der Binnenmarkt müsse weiter funktionieren, für Waren und auch manche Dienstleitungen im Grenzbereich müssten die Grenzen offen bleiben. Viel einheitlicher werden soll künftig auch das Vorgehen bei Einreisen aus dem EU-Ausland. Hier werden nun von der Kommission Vorschläge ausgearbeitet.

Ringen um die Impfrate

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte schon vor dem Treffen die österreichische Position dargestellt. Österreich unterstütze die Vorschläge für mehr Kontrollen an den Grenzen, man müsse gemeinsam die Ausbreitung des Virus verhindern. Kurz hatte vor dem Gipfel vor allem die Frage der Impfstoffverteilung in der EU betont. Er sagte, er wolle sich für eine baldige Zulassung des Vakzins von Astra Zeneca aussprechen. Über diese wollte die zuständige Behörde EMA ohnehin in der kommenden Woche debattieren. Offen ist vor allem, ob die Impfung vollständig oder nur für bestimmte Altersgruppen zugelassen wird. Das war auch nach dem Gipfel nicht beantwortet. Kurz sagte aber der APA, er erwarte eine baldige Zulassung – für wen, sagte er nicht.

Grundsätzlich hält man in der EU an dem – durchaus ehrgeizigen – Ziel fest, bis zum Sommer 70 Prozent der Bevölkerung eine Impfung anbieten zu können. Das werde auch nach dem aktuellen Stand noch möglich sein, sagte von der Leyen. Auch das Ziel, bis Ende März 80 Prozent der über 80-Jährigen angesprochen zu haben, sei vermutlich erfüllbar. Wichtig sei, dass die Impfung nach transparenten Kriterien an die Staaten verteilt werde. Darüber hatte es, wie in zahlreichen Meldungen zu lesen war, "angeregte Diskussionen" bei dem Gipfel gegeben. Und viele Fragen der Staats- und Regierungschefs.

Was sagt die Impfbescheinigung aus?

Schließlich hatte man auch über Impfbescheinigungen gesprochen. Vor allem tourismusabhängige Staaten im Süden der EU hatten gehofft, mit diesen im Sommer wieder das Reisen ermöglichen zu können. Hier gab es aber keine Einigkeit und viele Unsicherheiten. Solange man nicht wisse, ob eine Impfung auch die Infektion – und damit die Möglichkeit, andere anzustecken – verhindere, und auch unklar sei, wie die Vakzine gegen Mutationen wirken, könne man hier keine eindeutige Entscheidung fällen, hieß es. Wichtig sei aber in jedem Fall, dass die Impfbescheinigungen strengen medizinischen Kriterien entsprächen.

Zumindest ein Ziel wurde bei der Pressekonferenz dann doch noch konkret genannt: Mindestens fünf Prozent soll künftig in allen EU-Staaten der Anteil der positiven Corona-Tests ausmachen, die genetisch sequenziert werden. Das sei dringend nötig, um neuen Mutationen schneller auf die Spur zu kommen. Dafür sagte die EU auch Finanzierung zu. Kurz zuvor hatte die Kommission schon gewarnt: Es werde in Europa zu wenig und zu uneinheitlich nach Mutationen gesucht. Vor allem Österreich wurde dabei kein gutes Zeugnis ausgestellt. (mesc, 22.1.2021)