"Everspace 2" hat sich schon in dieser frühen Phase eine große Fangemeinde aufgebaut.

Foto: Rockfish Games

Der Weltraum – ein Augenschmaus. Während die unfassbare Leere des realen Alls vor allem mit ziemlich viel Vakuum und staubigem Gestein aufwartet, überwältigen Videospiele ihr Publikum seit jeher mit bunter Pracht. Von "Wing Commander" über "Freelancer", "Elite", "No Man’s Sky" und die "X"-Reihe bis hin zu – natürlich – diversen "Star Wars"-Videospielen und der ewigen Hoffnung "Star Citizen" ist im Videospiele-All im Gegensatz zur nüchternen Realität viel Farbe und optische Abwechslung angesagt.

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Auch das soeben im Early Access veröffentlichte und sofort auf Platz eins der weltweiten Steam-Charts gelandete Weltraumspiel "Everspace 2" (Windows, Early Access, 37,99 Euro) bietet statt staubiger Leere jede Menge galaktisches Eye-Candy. Das Indie-Spiel eines Hamburger Entwicklers, zeitgleich mit dem Early-Access-Release auch beim Deutschen Entwicklerpreis 2020 in der Kategorie "Most Wanted" ausgezeichnet, setzt auf den Wow-Effekt knallbunter Weltraumnebel, gewaltiger Planetenringe, farbenprächtiger Sterne und bombastischer Explosionen. Allein daran lässt sich erkennen, dass es hier nicht unbedingt um trockenen Simulationscharakter, sondern um actionreiche Weltraumoper geht.

Der erste Teil, 2017 erschienen, war zwar optisch ähnlich opulent, unter der Haube aber ein gänzlich anderes Spiel: Als Rogue-lite verband Teil eins häppchenweise Weltraum-Dogfights mit der Struktur des Klassikers "FTL" – es gab Permadeath, Zufallsgenerierung und kleine, begrenzte Einsätze. Der Nachfolger kippt diese Struktur und präsentiert sich klassisch und ambitioniert als Open-World-Weltraumspiel, das den Fokus auf actionreiche, unkomplizierte Kämpfe und vor allem ein an Action-Rollenspielklassikern orientiertes Aufstiegs- und Loot-System legt.

Der erste Teil erschien 2017.
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Das bedeutet hier stetige Verbesserung und Aufrüstung des eigenen Charakters und seines Raumschiffs, das höchst unkompliziert mit WASD-Shooter-Steuerung kontrolliert wird. Als Piloten-Outlaw ist man im Rahmen der in simpel animierten Comicszenen dargestellten Hintergrundgeschichte in den ersten Stunden zusätzlich mit dem Ausbau der eigenen Basis beschäftigt. Der zentrale Gameplay-Loop besteht rollenspieltypisch somit aus dem Erledigen großer und kleiner Missionen zunächst im eigenen Sonnensystem, das mit recht abwechslungsreicher Kulisse aufwartet; neben Asteroiden, Raumstationen und anderen Anlaufpunkten im Weltraum darf man sich auch auf Abstecher auf die Oberfläche einiger der größeren Planeten freuen. Als Belohnung warten Loot, Upgrades und der stetige Ausbau des eigenen Raumschiffs – die Motivation, mit jeder kleinen Quest ein wenig stärker zu werden, erinnert dabei an die Struktur von ARPG-Klassikern wie "Diablo" und Co und dessen Loot-Shooter-Erben.

Was ist gelungen?

Abgesehen von den offensichtlich gelungenen Schauwerten bereitet auch das Innenleben Freude: Das Versprechen unkomplizierter und bombastischer Weltraum-Action löst "Everspace 2" schon im Early Access ein. Die bislang nur zwölf Stunden dauernde Kampagnenstory liefert angemessen Motivation, aber eigentlich genügt auch die gelungene bekannte Suchtspirale des "größer, schneller, stärker", um die Zeit in diesem bunten Universum abwechslungsreich zu gestalten. Inklusive Nebenmissionen und zusätzlicher Beschäftigungsangebote sind schon jetzt knapp 25 Stunden Spielzeit zu erwarten; pro Quartal der verbleibenden zwölf bis 18 Monate Entwicklung soll Content nachgeliefert werden.

Bislang dauert die Story lediglich rund zwölf Stunden.
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Was ist weniger gelungen?

Simulationsfans und andere Flugasse werden mit den knalligen Kämpfen im All nicht warm werden, denn in "Everspace 2" zählt geradlinige Action mehr als Taktik oder Manövrierkunststücke. Die Flugphysik bleibt überall gleich simpel, um den Einfluss von Gravitation oder Atmosphäre etwa braucht man sich nicht einmal auf den Planeten selbst Gedanken machen.

Wie spannend die momentan noch etwas belanglose Hintergrundgeschichte letzten Endes sein wird, ist momentan noch nicht absehbar; auch die Nebenmissionen und Jobs wirken wie manche optischen Versatzstücke noch etwas steril und generisch. Das Balancing verschiedener Waffen- und Schiffskonfigurationen dürfte noch nicht final sein, im Moment bietet das Spiel vor allem bei hochgerüstetem Charakter und Ausrüstung tendenziell eher ein bisschen zu wenig Herausforderung.

Noch fällt das Spiel recht einfach aus.
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Fazit

Gelungene Optik, unkomplizierte, aber motivierende Dogfight-Action, ein solides Open-World-Rollenspielgerüst im Inneren und das Versprechen noch vieler, vieler Stunden bunt-explosiver Weltraumoper: "Everspace 2" ist trotz Early-Access-Status bereits heute eine sichere Bank für alle, die den goldenen Zeiten des Klassikers "Freelancer" nachgetrauert haben. Ein knallbunter Weltraumspaß – und schon jetzt technisch solider als so manches offiziell fertige Spiel. (Rainer Sigl, 22.1.2021)