Eva Blimlinger schaut "Vorstadtweiber" seit Beginn.

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Nico (Nina Proll) hat jetzt Geld, fragt sich nur wie lange: "Vorstadtweiber", montags um 20.15 Uhr auf ORF 1.

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Nico ist im Dauerrausch, Walli am Rande des Nervenzusammenbruchs, Hadi hängt am Porsche, und insgesamt ist ihnen wieder einmal kein Mittel zu schlecht, um ihre Ziele zu erreichen, die sie schließlich – wie immer – mit Pleiten, Pech und Pannen meilenweit verfehlen. Die fünfte Staffel der Vorstadtweiber, montags auf ORF 1, ist wie die vierte und alle davor. Entsprechend gedämpft ist Eva Blimlingers Begeisterung inzwischen für die Vorstadtweiber nach dem Buch von Uli Brée, für die sie am Anfang schwärmte. Als Serienschauerin und ehemalige Uni-Rektorin hat sie Ansprüche: "Die Aneinanderreihung von Szenen der Dumpfheit, der Intrige, das ist für den Aufbau zu wenig", sagt die grüne Nationalratsabgeordnete im Serientalk mit dem STANDARD. Ähnliche Charaktertypen kennt sie aus dem realen Politikerinnenleben.

STANDARD: Vorstadtweiber, fünfte Staffel, sind Sie immer noch begeistert?

Blimlinger: Es hat abgenommen, wie ich ehrlich sagen muss. Die österreichischen Serien haben nach wie vor etwas, das ich als "Kottan-Effekt" bezeichne, also der wiederkehrende Kaffeautomatengag. Hier ist es jetzt die Aneinanderreihung von Szenen der Dumpfheit, der Intrige, das ist für den Aufbau einer Serie zu wenig.

STANDARD: Die Serie liefert seit Beginn ein überspitztes Sittenbild der sogenannten besseren Gesellschaft in Österreich, die in keiner Weise besser ist, sondern egoistisch, gierig, unverfroren und gleichzeitig unfassbar dumm. Tatsache?

Bliminger: Zunächst ist zu sagen, dass in Wien mit "Vorstadt" eher das kleinbürgerliche, proletarische Milieu gemeint ist. Für mich sind es Cottageweiber, weil die Vorstadtweiber kommen gar nicht in so eine Situation, absolute Egoshooterinnen, korrupt und intrigant zu sein. Ja, natürlich gibt es die Cottageweiber. Sittenbild ist mir aber zu umfassend, weil das würde bedeuten, dass diese Eigenschaften einen großen Teil der österreichischen Gesellschaft einnehmen, ich würde außerdem lieber von einem Teilbereich der Wiener Gesellschaft sprechen.

STANDARD: Wo begegnen Ihnen die Cottageweiber? Wenn man den Begriff als Lebensstil definiert, sind damit Männer genauso gemeint.

Blimlinger: In meinem parlamentarischen Umfeld begegnen mir eher Cottagemänner, weil Männer – das sehen wir auch in der Serie – den unmittelbareren Zugang zur Politik haben und in so einer Weise agieren. Als Surrounding dieser Cottagemänner gibt es natürlich auch die Frauen.

STANDARD: Die Serie könnte man im weitesten Sinne als Kritik an der Klassengesellschaft verstehen. Die Großkopferten, die es sich richten, sie mögen zwar gut ausschauen und auf uns herabschauen, aber in Wahrheit sind es lauter Vollpfosten. Das mag auf den ersten Blick recht befriedigend erscheinen, ist aber im schon ein recht direktes Schielen auf niedere Instinkte. Da winkt für mich der Untertan – die Neidgesellschaft.

Blimlinger: Klar könnte man die Cottageweiber als Klassenkritik auffassen, dazu bräuchte es aber ein Setting, in dem diese Struktur deutlich wird, denn wir verharren ja hier in einem bestimmten Milieu einer Klasse, wenn man es mit einem marxistischen Klassenbegriff sieht. Die wissen ja sehr genau, wie sie es anlegen und sind damit manchmal erfolgreich, dann wieder nicht. Den Neid gibt es immer, das ist in den Familien so, unter Geschwistern, auch unter Freundinnen und Freunden. Natürlich wird damit eine Situation beim Zuseher, Zuseherin produziert, wo die sagen können: Na, schau, wie das ist und die richten sich’s. Aber die Idee, es sich zu richten, dafür braucht man die Cottageweiber nicht. Das ist eine sehr allgemeine Haltung von sehr vielen Menschen, dass man es sich richten will.

Standard: Es gibt aber auch das "Cottageweibische" in PolitikerInnen. Stichwort: Brot schmeißt man ja auch nicht weg, Drängelei bei Impfungen. Die richten sich’s.

Blimlinger: Bedienen genau dieses Klischee. Auf der anderen Seite muss man fragen: Wann sollen Politiker, Politikerinnen geimpft werden? Wäre es nicht gescheit, mit den BürgermeisterInnen zu beginnen, die viel mit Menschen zu tun haben und als Vorbild vorangehen sollten? Dann würde es heißen: Die richten sich’s. Würde man warten, würde es heißen, sie sind verantwortungslos, schaut’s her, die Politiker lassen sich auch nicht impfen. Das mit der Neidgesellschaft ist oft und nicht ganz leicht zu lösen, und die BürgermeisterInnen gehören zum größten Teil ganz sicher nicht zur Upper Class und das bestätigt, dass das -ich-richt-mirs-auf-meine-Art – nicht auf eine Klasse beschränkt ist.Sehr viele Menschen versuchen, Situationen zu ihrem Vorteil zu nützen. Maria Köstlinger sagte in einem Interview, sie hätte gerne die Szene drinnen gehabt, wie sie beobachtet hat, wie wohlbetuchte Ladys im 18., 19. Bezirk Rabattmarken von Supermarktketten aus den Sonntagszeitungstaschen stehlen.

STANDARD: Den Doktortitel der ehemaligen Frau Arbeitsminister hätte sich womöglich auch ein Cottageweib auf diesem Wege verschafft.

Blimlinger: Jeder versteht, wenn Schülerinnen und Schüler voneinander abschreiben. Das Verständnis für eine abgeschriebene plagiierte schlechte Dissertation gibt es nicht, weil das ist Betrug, aber ein Cottageweib braucht keinen Doktortitel

STANDARD: Politiker kommen in Serien generell schlecht weg – bei den "Vorstadtweibern" ist das nicht anders. Ärgert Sie das katastrophale Image, das der Berufsstand in der Öffentlichkeit genießt?

Blimlinger: Ich bin nicht korrupt, also warum soll es mich ärgern? Eine Serie, die ausnahmslos gute Politikerinnen zeigen würde, würde wahrscheinlich eine Quote von 50.000 Zuseherinnen haben.

STANDARD: Frauen tun sich angeblich schwerer mit Machtfragen. Ein sehr aktuelles Beispiel ist die Abberufung von Birgit Hebein, erfolgreiche grüne Stadtpolitikerin. Inwiefern ist sie über diese Schwäche gestolpert, die man Frauen in Machtfragen nachsagt?

Blimlinger: Ich glaube nicht, dass es die Frage ist, ob sie darüber gestolpert ist. Wie das Ganze gelaufen ist, war sicherlich schlecht, das hätte man aus meiner Sicht vollkommen anders machen müssen. Aber den Zusammenhang mit Macht sehe ich hier nur sehr eingeschränkt. Die Frage ist doch, welche Möglichkeiten Frauen in Bezug auf Macht und Herrschaft überhaupt haben, ohne dass sie nicht sofort in Zuschreibungen, Klischees gepresst werden. Wenn Frauen erfolgreich sind, sind sie aggressiv ehrgeizig, verbissen,. Da haben es Frauen selbstverständlich schwerer als Männer. Auch mit der Frage, die ihnen immer wieder gestellt wird, ob sie ein Problem damit haben, Macht auszuüben. Das würde man einen Mann nie fragen. Abgesehen davon habe ich ein Problem damit, dass Macht negativ konnotiert ist. Politikerinnen sind dazu da, Macht auszuüben. Das heißt ja noch lange nicht, dass man autoritär herrschen muss, das muss man selbstverständlich demokratisch machen. Dafür bin ich gewählt, die Mittel der Politik, die mir gegeben sind, auszuwählen und einzusetzen.

STANDARD: Wie haben Sie Macht gelernt?

Blimlinger: Ein zentrales Element von Macht ist, dass man im Wesentlichen angstfrei ist. Das heißt, genau das zum Ausdruck zu bringen, was man will, ohne sich vorher hundertmal aus Angst überlegen zu müssen, was sind die Konsequenzen. Angstfreiheit war mir immer eine gute Begleiterin. (Doris Priesching, 23.1.2021)

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