Die Wortschöpfungen, die rund ums Impfen entstanden sind und entstehen, sind erstaunlich. Jahrelang sprachen wir von "Impfmuffeln", von "Impfskeptikern" und von "Impfgegnern". Nun wendet sich das Blatt, plötzlich reden wir über "Impfneid", "Impfdrängler" und "Überimpflinge".

Dass sich einzelne Personen aus der Lokalprominenz und Kommunalpolitik vordrängeln, ist, gelinde gesagt, nicht in Ordnung. Es ist egoistisch und ein Schlag ins Gesicht jener, die eine Impfung dringender benötigen und noch nicht einmal wissen, wie, wo und wann sie an diese kommen können.

Eine Corona-Schutzimpfung ist etwas Besonderes.
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Doch es gibt zwei gute Gründe, warum eine derartige Verteufelung dieser Personen, wie sie momentan passiert, fehl am Platz ist. Erstens ist jede verabreichte Impfdosis besser als eine weggeworfene – egal ob der Arm, in den sie injiziert wird, einem Zwanzigjährigen oder einem Dorfkaiser gehört. Waren die Dosen tatsächlich Überbleibsel? Gab es tatsächlich weit und breit niemand Wichtigeren, der oder die für eine Impfung bereitstand? Dann haben sie nichts angestellt, dann gibt es keinen Grund zum Rücktritt.

Der Ruf nach einem neuen Straftatbestand für Impfdrängler ist daher überzogen. Ist Geld gegen Impfdosen geflossen, ist die Sachlage freilich eine andere, dann muss es Konsequenzen geben. Denn das ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern in den meisten Fällen auch korrupt.

Zweitens, und auch das ist zu begrüßen, zeigt die Debatte, dass eine Corona-Schutzimpfung etwas Besonderes ist, etwas, das man haben will – ein Geschenk. Wenn es für diese Feststellung drängelnde Bürgermeister gebraucht hat: auch okay.

Wichtig ist nun, dieses Gefühl zu behalten, anstatt die Wut und den Grant auf einzelne Egoisten. Jetzt geht es darum, diese Aufregung in etwas Positives zu verwandeln. Man könnte einen Begriff dafür finden. "Impfglück" zum Beispiel. (Gabriele Scherndl, 22.1.2021)