Seit den 1980er-Jahren im Business: Thaddaeus Ropac brachte Werke von Künstlergrößen wie dem deutschen Maler Anselm Kiefer in wichtige Museen und Privatsammlungen.
Foto: Stefan Faullend

Der Galerist Thaddaeus Ropac vertritt mit seinen Galerien über 60 Künstler und Künstlerinnen – darunter Größen wie Lee Bul, Arnulf Rainer oder Georg Baselitz. Mit seinen Galeriestandorten in London, Paris und Salzburg, Büros in Hongkong und New York sowie insgesamt über 100 Mitarbeitern zählt er zu den Global Playern. Wir erreichen ihn in seiner Galerie in Paris, wo gerade eine Ausstellungseröffnung stattfindet.

STANDARD: Als wie unterschiedlich nehmen Sie die Situation in Salzburg, Paris und London aktuell wahr?

Ropac: In London ist die Galerie momentan ganz zu, da sind die Bewegungsabläufe sehr eingeschränkt. In Salzburg haben wir auch geschlossen, wobei wir intern arbeiten können. Und in Paris sind beide Galerien geöffnet und auch sehr frequentiert. Weil hier die Museen geschlossen sind, sehen viele Menschen die Galerien als Ersatz. Letzten Samstag hatten wir sogar 700 Besucher. Paris war immer der Standort, der am meisten Besucher hatte, auch intensiver als London.

STANDARD: Inwiefern wird sich das jetzt durch den Brexit verändern? Wird Paris noch stärker werden?

Ropac: Ja, Paris erlebt hier gerade eine Renaissance. Das hat mit dem Brexit zu tun, aber nicht nur. Für London wird vor allem der Transport komplexer, wir müssen extra jemanden für die Logistik anstellen. Ansonsten wird sich nicht viel ändern. In London sitzen die großen Museen und Auktionshäuser, der Kunstmarkt ist fein ausgeprägt. Das kann man nicht so schnell ersetzen.

STANDARD: Welche langfristigen Auswirkungen wird die Pandemie auf den Kunstmarkt haben?

Ropac: Langfristig erwarte ich überhaupt keine Auswirkungen. Hoffentlich wird sich die Lage bis 2023 normalisieren, die nächsten zwei Jahre werden uns die Folgen noch begleiten. Mittelfristig müssen wir den Schaden aufräumen. Wir versuchen, abgesagte Ausstellungen auf neue Termine zu legen. Das Wichtigste aber ist, dass wir das Einkommen und die Sichtbarkeit unserer Künstler garantieren.

STANDARD: Welchen Einfluss haben die gekürzten Ankaufsetats der Museen für die Galerien?

Ropac: Einen massiven. Manche dieser Ankäufe werden ja lang im Vorhinein geplant. Das heißt, ein Museum entscheidet Anfang 2020, etwas im Budgetjahr 2021 zu kaufen und es bis 2022 fertig zu bezahlen. Viele solcher Vereinbarungen können jetzt nicht eingehalten werden. Da versuchen wir aber, flexibel zu sein und den Museen zusätzliche Zeiträume zu geben.

STANDARD: In der Krise haben Sie junge Kunstschaffende mit Ausstellungen unterstützt. Ist die Situation für diese noch schwieriger geworden?

Ropac: Ja, aber nur kurzfristig. Ich bin überzeugt, dass es nach der Krise einen unerwarteten Boom geben wird. Vieles wird nachgeholt werden – auch der Kunstkauf. Viele Menschen sitzen jetzt auf Erspartem. Deshalb ist es auch so wichtig durchzuhalten. Ich sehe den Herbst schon wesentlich positiver.

STANDARD: Wird nicht vielen das Geld fehlen, um Kunst zu kaufen?

Ropac: Ja, aber wie frühere Krisen bewiesen haben, entwickelt sich danach eine bestimmte Dynamik. Die wird es auch für den Kunstmarkt geben.

STANDARD: Der Kunstmessenkalender für 2021 ist bereits voll – werden Riesen wie die Art Basel, die nun auf September verschoben wurde, überhaupt stattfinden können?

Ropac: In den nächsten Monaten bezweifle ich das sehr. Der Herbst wird dafür sehr busy – da wird sich dann eine Messe an die andere reihen. Der Boom ist vorhersehbar.

STANDARD: Was bedeutet das für die Galerien? Können Online-Viewing-Rooms bis dahin aushelfen?

Ropac: Durchhalten lautet die alte Parole. Online hat das ganz gut funktioniert, auch wenn man jetzt gerade eine gewisse Müdigkeit feststellen kann. Der Umsatz, den man auf einer Messe macht, ist aber in keiner Weise mit jenem von Online-Verkäufen zu vergleichen. Es ist ein Bruchteil. Das Erlebnis von Kunst kann man online nicht einfangen. Deswegen glaube ich auch nicht, dass Kunstmessen in Zukunft nicht mehr stattfinden werden. Das Bedürfnis, Kunst physisch sehen zu können, wird sogar noch stärker ausgeprägt sein, nachdem man über so viele Monate auf Entzug war.

STANDARD: Aber werden die Kunstmessen als Mega-Events – auch in Hinblick auf den Klimaschutz – an Bedeutung verlieren?

Ropac: Ökologisch wird uns das sicher vor eine große Herausforderung stellen. Wir müssen das ganze System neu überdenken. Ich nehme beispielsweise an einem Climate-Zoom-Treffen teil, das von Galerien organisiert wird und wo man über neue Modelle nachdenkt. Wir müssen aber auch davon ausgehen, dass der Kunstmarkt ständig größer wird. Dieses Wachstum wird sich auch durch die Krise nicht einschränken.

STANDARD: Aber widersprechen sich dieses Wachstum und der Versuch der Einschränkung nicht?

Ropac: Natürlich. Aber realistisch gesehen wird sich das nicht von allein verlangsamen, sondern wir müssen das erzwingen. Indem wir zum Beispiel unser lokales Publikum wieder verstärkt zurück in die Galerien holen. Das erschwert natürlich vielen Menschen, die zum Beispiel in Südamerika oder Asien leben, den Zugang. Den schafft eine Messe wiederum. Es ist ein Dilemma, ich habe keine Lösung dafür.

STANDARD: Ist jetzt der Zeitpunkt, in dem die Kunstszene in Ruhe einen Gang zurückschalten kann?

Ropac: Nein, momentan herrscht keine Ruhe, sondern Panik. Es handelt sich um eine Ausnahmesituation. Niemand lehnt sich gerade zurück. Diese Klimadebatte gab es ja schon vor der Pandemie. Jetzt geht es aber erst einmal ums Überleben und darum, relativ unbeschadet aus der Krise herauszukommen. Wenn man dann wieder in eine ruhigere Situation zurückschaltet, kann man sich dieser ökologischen Probleme ernsthaft annehmen.

STANDARD: Welche Schritte werden Sie dann als Galerist setzen?

Ropac: In den letzten Jahren ist dieser weltweite Kunstmarktzirkus immer schneller geworden. Weshalb Entscheidungen immer später gefallen sind. Man hat Werke um den Globus geschickt – und dann auf den Messen oft nicht einmal ausgepackt. Das kann man mit einer bewussten Planung verbessern. Es wäre aber naiv zu sagen, die Messen werden aufhören, weil sie ökologisch nicht vertretbar sind. Wir Galerien können es schaffen, unseren konkreten Fußabdruck zu verringern. Ich bin gerne bereit, das anzugehen (Katharina Rustler, 24.1.2021)