Die Besten sind gerade gut genug. Nichts anderes würde ein Personalverantwortlicher auf die Frage antworten, wie die Auswahl bei Anwärtern auf eine offene Stelle getroffen wird. Selbstverständlich, denn alles andere wäre auch kontraproduktiv.

Ausbildung, fachliche Kompetenz, Erfahrung, zunehmend auch Soft Skills wie Teamfähigkeit: Das sind die Kriterien, die bei der Besetzung einer Arbeitsstelle in aller Regel wichtig sind – oder sein sollten. Die Realität sieht oft anders aus, wie zahlreiche Studien gezeigt haben. Muhammed hat es schwerer als Franz, bei Gabriele geht man davon aus, dass sie weniger durchsetzungsfähig ist, und ein guter Stall schadet meist auch nicht. Ob jemand eine offene Stelle bekommt oder nicht, dabei spielen mitunter auch Geschlecht, Herkunft oder Ethnizität eine gewichtige Rolle. Faktoren, die wenig über die Eignung aussagen.

Weitreichende Folgen

Diese Art der Diskriminierung ist durch zahlreiche Gesetze verboten. Nicht immer ist der Nachweis in der Praxis (leicht) zu erbringen. Davon abgesehen sind die Folgen mitunter weitreichend. Langfristig können Betroffene länger arbeitslos bleiben, oder sie verdienen weniger. Das ist aus gesellschaftlichen wie volkswirtschaftlichen Gründen schlecht.

Online-Plattformen werden bei der Stellensuche und beim Rekrutieren von Personal immer wichtiger.
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Doch wer wird diskriminiert – und vor allem warum? Schweizer Forscher haben nun Anzeigen auf der größten Schweizer Online-Stellenbörse Jobroom durchforstet, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die Wissenschafter der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und der dort angesiedelten Konjunkturforschungsstelle KOF analysierten über eine Dauer von rund zehn Monaten, welche Kandidaten die Unternehmen kennenlernen wollten und wie sie ihre Auswahl trafen – und haben so Millionen Entscheidungen, die hierzulande wohl ziemlich genau so getroffen würden, beobachtet.

Neue Methode

So konnten sie abschätzen, wie die Herkunft oder das Geschlecht die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, überhaupt kontaktiert zu werden. Eine neue Methode, wie die Forscher betonen, die große Vorteile gegenüber anderen Untersuchungen von Diskriminierung habe.

Die Ergebnisse sind durchaus überraschend. So zeigte sich: Nicht zu jeder Tageszeit wird gleich diskriminiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausländische Bewerber kontaktiert werden, ist im Schnitt 6,5 Prozent geringer als bei Schweizern mit ansonsten identischen Charakteristika. Diese Vorbehalte waren besonders bei Migranten aus den Balkanländern, aus Afrika, dem Nahen Osten und Asien ausgeprägt.

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Wer es bis zum Vorstellungsgespräch geschafft hat, hat schon eine Hürde genommen.
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Gegen Mittag und Abend hatte die ausländische Herkunft ein stärkeres Gewicht – dann, wenn die Personalverantwortlichen die Lebensläufe rascher durchgehen. Für Co-Autor Dominik Hangartner spricht "dieses Resultat dafür, dass auch unbewusste Mechanismen – etwa Stereotypen in Bezug auf Minderheiten – zu Diskriminierung beitragen". Sie spielten besonders dann eine Rolle, wenn man müde sei oder Feierabend machen wolle.

Betroffen von Benachteiligung sind übrigens nicht nur Frauen, sondern beide Geschlechter: Bei gleicher Qualifikation werden Frauen vor allem in typischen Männerberufen benachteiligt, Männer hingegen in typischen Frauenberufen. In den fünf Berufen mit dem geringsten Frauenanteil haben weibliche Interessenten eine sieben Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, kontaktiert zu werden. In den fünf Berufen mit dem höchsten Frauenanteil werden sie mit 13 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit kontaktiert. Laut Co-Autor Michael Siegenthaler dürfte bei einigen Personalverantwortlichen nach wie vor die Ansicht bestehen, dass Frauen für gewisse Berufe eher geeignet seien als Männer und umgekehrt. "Das führt dazu, dass die berufsspezifische Segregation bestehen bleibt oder sogar noch verstärkt wird."

Dass auf Online-Plattformen stärker diskriminiert werde als in anderen Rekrutierungsprozessen, davon gehen die Forscher nicht aus. Es handele sich um ein strukturelles und gesellschaftliches Problem, das sich im gesamten Arbeitsmarkt widerspiegele. (23.1.2021)