Linz, Klagenfurt, Villach und St. Pölten sind – nach Wien – die zweit- bis fünftgrößten Städte mit sozialdemokratischen Bürgermeistern und Mehrheiten. Die SPÖ wirkt zumindest bei diesen vier Kommunalwahlen 2021 ungefährdet, so Peter Plaikner im Gastkommentar.

Am Sonntag wählt St. Pölten. Das ist in weltläufiger Herablassung so etwas wie eine Austrovariante von Bielefeld, der Stadt, die es nicht gibt. Doch sie eröffnet einen Wahlreigen in den nach Wien stärksten urbanen SPÖ-Bastionen. Auch Linz, Klagenfurt und Villach bestimmen 2021 ihre Gemeinderäte und Bürgermeister neu. Graz und Salzburg sind schwarz, Innsbruck ist grün, Wels blau. St. Pölten vervollständigt als Nummer neun die Liste der Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern.

Aus Wiener Perspektive ist das wenig der Rede wert, weil 17 der 23 Gemeindebezirke mehr Bevölkerung haben. Niederösterreichs Landesregierung und Landtag sind auch erst 1997 aus der Herrengasse in die 1986 gekürte Landeshauptstadt gezogen. Noch Michael Häupl und Erwin Pröll residierten in ihren Anfangsjahren als Landeshauptleute nur hunderte Meter voneinander entfernt. Ihre Verkörperung von Stadt-Land und Rot-Schwarz hat oft verdeckt, dass in St. Pölten seit 1785 ein Bürgermeister in einem mehr als 500 Jahre alten Rathaus regiert. Aber sosehr der neue Landhausboulevard als Stammrevier der Volkspartei gilt, so unerschütterlich wirkt hier die traditionelle Dominanz der Sozialdemokratie.

In St. Pölten wird am Sonntag ein neuer Gemeinderat gewählt.
Foto: APA / Helmut Fohringer
27,02 Prozent der Wahlberechtigten haben eine Wahlkarte beantragt – ein Corona-bedingter Rekord.
Foto: APA / Helmut Fohringer

Der Langzeitschattenmann

Matthias Stadler ist nach Siegfried Nagl (57) in Graz der längstdienende Chef einer Landeshauptstadt. Der fünfte aus der SPÖ seit 1950, als hier die rote Tradition der ersten Republik fortgesetzt wurde. Gäbe es in Niederösterreich die Direktwahl, würde der noch 54-Jährige von 60 Prozent gekürt. Die Mitbewerber folgten im einstelligen Bereich. Und auch die Partei sollte wieder erreichen, was ihr nur 1960 misslungen ist: die absolute Mehrheit. Bewegung bringen – laut Umfrage von Peter Hajeks Institut Public Opinion Strategies für die NÖN – die Grünen ins Spiel, die sich (2016: 2,7 Prozent) verdoppeln bis verdreifachen sollten. Ihr Ortsrekord (2001: 7,5 Prozent) könnte fallen. Die FPÖ hingegen dürfte ihren (2016: 14,7 Prozent) klar verfehlen. SPÖ (58,9 Prozent) und ÖVP (20,4 Prozent) sieht der Marktforscher nahezu exakt auf dem Niveau der bisher letzten Wahl und die Neos (1,6 Prozent) vor einer Verdoppelung.

Die rivalisierenden Südlichter

So klare Verhältnisse kann sich Stadlers Kollegin in Klagenfurt nur wünschen. Maria-Luise Mathiaschitz (fast 64) hat dort 2015 den Bürgermeistersessel für die SPÖ erst im Stechen gegen ihren Vorgänger Christian Scheider (56) zurückerobert, der ursprünglich für das BZÖ angetreten war, um dann zur FPÖ zurück zu wechseln. Im ersten Wahlgang lag er vor sechs Jahren noch voran. Am 28. Februar versucht er ein Comeback mit dem Team Kärnten. Die aus Stronach-Erbgut entstandene Liste rund um einen einstigen SPÖ-Granden ist auch im Landtag vertreten. Sie macht die Gemengelage unübersichtlicher. Vor Scheiders Abspaltung wurde ein deutlicher Verlust der FPÖ (2015: 24,9 Prozent) und klarer Zuwachs für die SPÖ (2015: 30,7 Prozent) erwartet; bei leichten Gewinnen oder Stagnation ihrer Koalitionspartner, den Grünen (14,1 Prozent) und der ÖVP (18,8 Prozent), die von 1973 bis 2009 den Bürgermeister gestellt hatte. Mathiaschitz wird klar gewinnen. Aber anders als in Villach wäre eine Stichwahl keine Sensation. Dort hatte sich Günther Albel (47) 2015 bereits beim ersten Antreten durchgesetzt und seiner SPÖ (48,7 Prozent) die absolute Mandatsmehrheit gesichert. Ob er das erneut oder gar in Prozent schafft, ist spannender als die Verschiebungen zwischen ÖVP (20,5 Prozent), FPÖ (14,5 Prozent) und Grünen (7,9 Prozent). Auch die Neos hatten in Villach einen Mandatar, bis er die Partei verließ, wogegen in Klagenfurt sie den Kollegen verstieß.

Donau-Rot stromaufwärts

Ähnlich wie beim Lindwurm ist die Ausgangslage in Linz, obwohl die Stadt mit Ausnahme der NS-Ära immer rot regiert wurde. Die SPÖ (2015: 32 Prozent) kämpft am 26. September um Verbesserung ihres historisch schlechtesten Ergebnisses, der ungefährdete Bürgermeister Klaus Luger (60) gegen eine Stichwahl und um sein Vermächtnis. Er kündigte seine Pension für 2027 an. Unterdessen sollte die ÖVP (20,1 Prozent) mit der FPÖ (24,9 Prozent) wieder Platz tauschen, falls diese nicht auf Rang vier hinter die Grünen zurückfällt (14,8 Prozent), denen wie den Neos (4,9 Prozent) Zuwächse zugetraut werden.

Um den absehbaren Erfolg in trockene Tücher zu bringen, meidet Luger jeden Zusammenhang mit der Landtagswahl am gleichen Tag, spielt pragmatisches Pingpong mit dem ebenso fest im Sattel sitzenden ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer und positioniert sich auch bundespolitisch immer wieder als roter Eigensinn. Für Oberösterreichs zweitgrößte Stadt ist hingegen kein solches Kaliber in Sicht. Die SPÖ gilt als chancenlos, das 69 Jahre von ihr regierte Wels zurückzuerobern. FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl (48) wirkt geradezu konkurrenzlos und hält die blauen Verluste auch dadurch in Grenzen, indem er extremen Positionen seiner Bundespartei widerspricht.

Die rote Kommunalriege von St. Pölten bis Klagenfurt und Linz bis Villach vereint unterdessen etwas mit ihrem Klassensprecher in Wien: Wie Michael Ludwig (59) sind sie im Zweifel bis zur parteilichen Unkenntlichkeit pragmatisch. Linke sehen anders aus. Dieser strategische Zeigefinger für das nächste Regionalwahljahr 2023 (Niederösterreich, Kärnten, Tirol, Salzburg) ist deutlich. Bei der Landtagswahl in Oberösterreich in acht Monaten hingegen geht es für die SPÖ nur noch um Schadensbegrenzung. (Peter Plaikner, 23.1.2021)