Der Ski von Urs Kryenbühl.

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Ein Fußballspiel samt Verlängerung und Elfmeterschießen wäre längst vorbei gewesen, da lief die Abfahrt in Kitzbühel immer noch. Nach dreieinhalb Stunden wurde das Rennen abgebrochen, gerade einmal 28 Läufer hatten sich klassiert. Andere waren auf der Strecke geblieben, der US-Amerikaner Ryan Cochran-Siegle und der Schweizer Urs Kryenbühl mussten nach schweren Stürzen mit dem Hubschrauber ins Spital gebracht werden. Das sorgte für lange Unterbrechungen. Wieder einmal war die Streif ihrem Ruf als weltweit gefährlichste Strecke gerecht geworden. Hurra!

Ist das wirklich notwendig, fragt man sich. Muss ein Skirennen so gestaltet sein, dass man stundenlang miterlebt, wie ein junger Mensch nach dem anderen seine Gesundheit, wenn nicht sein Leben aufs Spiel setzt? Kryenbühl war der Zielsprung zum Verhängnis geworden, wie durch ein Wunder kam dort kein anderer schwer zu Sturz. Bei vielen musste man bangen. Man kann nicht davon reden, dass die Verantwortlichen nicht gewarnt gewesen wären. Der Zielsprung hat immer wieder furchtbare Unfälle gezeitigt, besonders schlimm erwischte es 2008 den US-Amerikaner Scott Macartney und 2009 den Schweizer Daniel Albrecht, der erst nach dreieinhalb Wochen aus dem Koma erwachte.

Dass auch am Freitag allen voran der Schweizer Sieger Beat Feuz mit Kritik nicht hinter dem Berg hielt, stellt den Veranstaltern ein verheerendes Zeugnis aus. "Es geht bei der Piste eigentlich seit drei Tagen nur um den Zielsprung", sagte Feuz, der dort gut 70 Meter weit geflogen war. "Er geht einfach zu weit." Zusatz: "Muss nicht sein, sollte nicht sein." Es ist aber so. Und das ist nach so vielen Jahren, nach so vielen Stürzen und Beinahestürzen an dieser Stelle nur mit Verantwortungslosigkeit zu erklären. Kitzbühel und die Streif sollten es nicht nötig haben, auf diese Art weiter an ihrer Legende zu basteln. Die Legende ist lang genug. Und schlimm genug. (Fritz Neumann, 23. 1. 2020)