In Moskau ging die Polizei am Nachmittag gegen Aktivisten vor.

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Julia Nawalny – hier auf einem Foto aus dem Sommer 2020 – befindet sich unter den Verhafteten.

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Auch in Wladiwostok gingen die Menschen aus Solidarität mit Nawalny auf die Straße.

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Trotz eisiger Temperaturen versammelten sich Hunderte Demonstranten.

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Moskau/Chabarowsk – Die regierungskritischen Proteste in Russland zur Freilassung des inhaftierten Putin-Kritikers Alexej Nawalny haben die Hauptstadt Moskau erreicht. Polizisten nahmen am Samstagnachmittag zahlreiche Demonstranten fest, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Auch Nawalnys Ehefrau Julia und seine engste Mitarbeiterin, die Juristin Ljubow Sobol, wurden festgenommen.

Unter den Tausenden Protestierenden waren viele junge Leute und Angehörige der Mittelschicht. Anders als bei nicht genehmigten Kundgebungen in der Vergangenheit war der zentrale Puschkin-Platz nicht weiträumig abgesperrt. Aktivisten beklagten eine Drosselung des Internets.

Reuters-Augenzeugen schätzten die Zahl der Demonstranten im Zentrum der russischen Hauptstadt auf mindestens 10.000. Das Innenministerium bezifferte die Zahl der Versammlungsteilnehmer auf rund 4.000, wie die amtliche Nachrichtenagentur TASS berichtete.

Für die Freilassung Alexej Nawalnys gingen zehntausende Demonstranten in ganz Russland auf die Straßen.
DER STANDARD

"Putin ist ein Dieb"

Nawalnys Anhänger hatten für diesen Samstag in mehr als 90 russischen Städten zu Protesten aufgerufen. Sie fordern die Freilassung des Oppositionellen, der am Montag in einem umstrittenen Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden war. Nawalny soll gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben, während er sich in Deutschland von einem Giftanschlag erholte. Der 44-Jährige und sein Team sehen das Vorgehen der Justiz als politisch motiviert an.

"Putin ist ein Dieb", riefen die Menschen in Moskau – so wie zuvor auch schon in vielen anderen Städten des Landes, in denen die Protestaktionen aufgrund der Zeitverschiebung mehrere Stunden früher stattfanden als in der Hauptstadt. Nawalnys Team hatte Anfang der Woche unter dem Titel "Ein Palast für Putin" ein Enthüllungsvideo veröffentlicht, das beweisen soll, dass der Präsident sich aus Schmiergeldern ein "Zarenreich" am Schwarzen Meer bauen ließ. Der Kreml bezeichnet die Vorwürfe in dem mehr als 67 Millionen Mal angeklickten Film als "Unsinn" und "Lüge".

369 Festnahmen

Landesweit zählte die Bürgerrechtsorganisation OWD bis zum Nachmittag 369 Festnahmen. Es gab aber auch Berichte von Sicherheitskräften, die nicht eingriffen, sondern die Menschen marschieren ließen. Die russischen Behörden drohen mit hohen Strafen für die Teilnahme an den nicht genehmigten Kundgebungen am Samstag. In den vergangenen Tagen waren bereits zahlreiche Mitstreiter des Oppositionspolitikers festgenommen worden.

Nawalny macht Langzeit-Staatschef Wladimir Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für den Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok im August verantwortlich. Putin und der FSB weisen das zurück. (APA, 23.1.2021)