Wegen Fluchthilfe für Jan Marsalek kam es in Österreich zu neuen intensiven Ermittlungsschritten

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Die Causa Wirecard erschüttert einmal mehr die heimische Politik: Ein einstiger BVT-Abteilungsleiter und ein ehemaliger Nationalratsabgeordneter sollen dem nun international gesuchten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek bei dessen Flucht nach Weißrussland geholfen haben. Beide wurden festgenommen.

In Akten, die dem STANDARD vorliegen, heißt es, dass BVT-Mitarbeiter jahrelang nebenberuflich für Wirecard tätig gewesen seien. Sie sollen für den deutschen Finanzdienstleister die "Zahlungsfähigkeit von Anbietern pornographischer Internetseiten" überprüft haben. Dafür seien "hoheitliche Ermittlungstätigkeiten" vorgenommen worden, also "personenbezogene Daten zu ausschließlich privaten Zwecken" benutzt und "an Verantwortliche des Unternehmens Wirecard AG" weitergegeben worden.

Flucht nach Weißrussland

Als der Bilanzskandal bei dem börsennotierten deutschen Konzern ruchbar wurde, ist Marsalek geflohen. Er wird verdächtigt, Bilanzfälschung mit einer Schadenssumme von 1,9 Milliarden Euro betrieben zu haben. Am 18. Juni 2020 trafen sich Marsalek und der Ex-BVT-Abteilungsleiter M.W. noch in München, tags darauf flog Marsalek von Bad Vöslau ins weißrussische Minsk, heißt es in den Ermittlungsakten.

Die genauen Umstände der Flucht soll der Unternehmer und Ex-Politiker S. organisiert haben. Er wurde am 20.1.2021 festgenommen, in U-Haft sitzt er nun im Zuge von Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die nichts mit Wirecard zu tun haben. Laut Presse wurde auch M.W. bereits verhaftet. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

BVT-Affäre und Ibiza-Vorspiel

M.W. und S. spielten jeweils eine Rolle in den größten Skandalen der vergangenen Jahre. M.W. wurde mehrfach unterstellt, Urheber des sogenannten BVT-Konvoluts zu sein, in dem zahlreiche, vielfach falsche Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und des Innenministeriums verbreitet wurden.

Dieses Konvolut führte schließlich zur Razzia beim BVT im Frühjahr 2018. Vor dem U-Ausschuss stritt M.W. ab, das Schriftstück verfasst zu haben. Er war jedoch einer der wichtigsten Belastungszeugen für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Auf seine Aussagen hatte sich die später als rechtswidrig beurteilte Razzia im BVT gestützt.

S. soll mit Hilfe ukrainischer Oligarchen ein Nationalratsmandat bekommen haben. Er war von 2013 bis 2017 Abgeordneter. Die Ukrainer zahlten angeblich eine hohe Summe an die FPÖ unter dem damaligen Parteiobmann Heinz-Christian Strache, um einen guten Listenplatz für S. zu sichern – was Strache bestreitet, es gilt die Unschuldsvermutung. Bei der FPÖ sei das Geld nie angekommen, sagen mehrere Parteifunktionäre. Im Zuge der Ibiza-Affäre tauchten Fotos von Sporttaschen mit Bargeld auf, die in Straches Auto transportiert worden sein sollen. Dabei soll es sich um jene Beträge handeln, die für S.' Mandat bezahlt worden sein sollen. (Fabian Schmid, 22.1.2021)