Der legendäre TV-Moderator Larry King ist 87-jährig gestorben.

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Der Mann lümmelt in seinem Sessel, seine angeschwollenen Füße sind hoch gelagert. Marlon Brando nimmt keine Rücksicht auf seinen Gastgeber: einmal zwickt er Larry King in die Nase. Am Schluss verabschiedet er sich in Mafia-Manier und küsst ihn auf den Mund – so, als wollte er damit andeuten, King habe sich anständig verhalten und daher seine hohen Weihen verdient.

Anständig war Larry King immer, egal, wer bei ihm zu Gast war. Weder brüllte er seine Gäste nieder noch politisierte und polarisierte er wie damals zu gleicher Zeit Bill O’Reilly oder Glenn Beck auf dem Konkurrenzkanal Fox-News. Am 16. Dezember 2010, nach einem Vierteljahrhundert fast täglichen – oder abendlichen – Auftritten auf CNN, musste Larry King seinen Platz räumen. Das tat er, wie vieles, mit einem Tusch: gleich mehrere ehemalige US-Präsidenten gaben ihm die (letzte) Ehre. Ein Typ wie er, "the quintessential nice guy", war nicht mehr gefragt. Seine Einschaltziffern, zumindest zwei Jahrzehnte immer über dem Durchschnitt sonstiger Sendungen auf CNN, rasselten in den Keller. Auch das ein Abbild für das damalige Klima in den USA, das – man konnte es noch nicht ahnen – von Jahr zu Jahr gehässiger wurde.

Mit 13 an der Straßenecke

Dabei hat niemand so früh zu üben begonnen wie Larry King: mit dreizehn Jahren stand ein klein gewachsener, leicht übergewichtige Brillenträger namens Lawrence Zeiger an einer Straßenecke im New Yorker Stadtteil Brooklyn und kommentierte das Geschehen rund um sich: "Hier kommt ein Dodge, meine Herrschaften, mit Weißwandreifen, New Yorker Kennzeichen, am Steuer ein Mann in einem Anzug, neben ihm eine Dame mit Hut, jaaa.!" Jeder, der ihn kannte, nannte ihn "Das Mundwerk".

Zehn Jahre danach war das Mundwerk plötzlich eingetrocknet, noch dazu im ungünstigsten Moment: Larry ist in Miami, sein erster Radioauftritt steht unmittelbar bevor, die Platte läuft gerade aus, das Rotlicht leuchtet, aber nichts kommt raus aus seinem Mund. Er lässt die Musik weiterlaufen, bis zum nächsten Versuch – wieder nichts. Da schaut der Stationsmanager ins Studio und sagt ihm: "Hei, das ist ein Kommunikationsunternehmen – also kommuniziere!" Und so hört man am 1. Mai 1957 zum ersten Mal seine Stimme im Radio: "Guten Morgen, mein Name ist Larry King, diesen Namen habe ich gerade vor 15 Minuten bekommen." Tatsächlich war es der Radiomanager, der "Lawrence Zeiger" nicht fürs Medium geeignet hielt. Die Zeitung vor ihm zeigte gerade die Werbung eines Alkoholgeschäfts, das "King" hieß – und so kam der spätere TV-Star zu seinem Namen.

Kein Promi lehnte ab

Das Radio blieb lange Zeit sein Lieblingsmedium, Mitte der Neunzehnachtziger Jahre lud ihn CNN-Gründer Ted Turner ein, eine abendliche Talk-Show im Fernsehen zu leiten: ab da konnte – oder wollte – kein Promi eine Einladung auf "Larry King Live" ablehnen. Vor allem Politiker schätzten es, bei King höflich und nicht aggressiv behandelt zu werden. Dennoch blieb King nicht unpolitisch: 1992 interviewte er den merkwürdigen Eigenbrötler Ross Perot so oft, bis er seine schon einmal widerrufene Kandidatur für das Präsidentenamt zurück zog und damit George Bush die Wiederwahl versaute.,

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1999 war Donald Trump, damals noch als Immobilien-Tycoon bei Larry King un Interview
Foto: AP / Marty Lederhandler

Wer bei ihm saß, so schrieb die "New York Times" zum Ende von Kings Karriere, "fühlte sich weniger auf einem heißen Stuhl als in einer warmen Badewanne." In die "Badewanne" konnten sich die Gäste auch nach 22 Uhr noch legen, wenn die TV-Sendung zu Ende war: nur eine Stunde später lud Larry King schon wieder Persönlichkeiten zu sich ein, diesmal im Radio, bis lange nach Mitternacht. Es gab genügend Fans, die extra dafür aufblieben, und auch genug Personen, die an Schlaflosigkeit litten.

Von Putin und Bush bis Trump

40.000 Interviews, darunter mit so kontroversiellen Figuren wie dem ehemaligen Iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinejad oder dem Ober-Russen Vladimir Putin, machten ihn weltberühmt – wenn er einmal seine typischen Hosenträger, die er auf Sendung trug, mit Sakko oder Pullover abdeckte, blieben einem immer noch die überdimensionalen Brillen als Erkennungszeichen.

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Ex-Präsident George W. Bush, im Jahr 1999 noch Präsidentschaftskandidat, hatte es offenbar lustig bei Larry King.
Foto: AP / John Russel

Als ich Larry King im Sommer 2000 in Los Angeles zufällig auf der Straße begegnete, war er noch der unumstrittene "King of Talk" – aber er verhielt sich keineswegs monarchisch: barfuss, in Pantoffeln, stand er bei einem Zeitungskiosk, holte sich die "L.A. Times" und ließ sich anstandslos ansprechen – wir plauderten über Al Gore, der gerade vor seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten stand. Wie meist bei "Larry King Live" ist mir von diesem Treffen nichts Aufregendes in Erinnerung geblieben. Außer, dass er eben ein "nice guy" war. Jetzt ist er im Alter von 87 Jahren in Los Angeles an den Folgen der Corona-Erkrankung verstorben. (Eugen Freund, 22.1.2021)