English Muffins sind die Lösung eines ewigen Dilemmas: der Wunsch nach ganz frischem, noch warmem Gebäck zum Frühstück vs. den Unwillen, dafür früh(er) aufzustehen.

Sie sind in zwanzig Minuten essfertig (und damit noch einmal schneller gemacht als der Bagel, meine bisherige Lösung des Problems), können auch von Menschen wie mir zubereitet werden, die Backen generell lieber den Profis überlassen, und brauchen nicht einmal einen Ofen, weil sie nicht gebacken, sondern in der Pfanne gebraten werden.

Ihre Konsistenz und ihr Geschmack liegen irgendwo zwischen Brot und Pfannkuchen: Ein guter, hausgebackener Muffin hat eine dünne, dafür umso knusprigere Kruste, und eine herrlich flaumig-weiche Krume mit einer charakteristischen, luftigen Wabenstruktur, die wie dafür gebacken ist, unanständige Mengen von seiner Hitze geschmolzener Butter aufzunehmen.

Foto: Tobias Müller

So wie das Scone, ein anderes britisches Blitz-Gebäck, sind sie nur frisch richtig gut – dann dafür aber hinreißend. Außerhalb des angelsächsischen Raums haben sie sich trotzdem nie so recht durchsetzen können. Ihre Erfinder aber, die Engländer, lieben sie so heiß, dass man von einer Art Besessenheit sprechen könnte.

Alte britische Kochbücher ergehen sich in unzähligen Details zur korrekten Zubereitung (nur ja nicht zu heiß braten!), des Verzehrs (Mit der Hand aufreißen, nicht schneiden!), bis hin zu genauen Anleitungen, wie sie denn zu toasten sind ("Muffins should not be split and toasted. The correct way to serve them is to open them slightly at their joint all the way round, toast them back and front, tear them open and butter the insides liberally. Serve hot." (Marian MecNeill, The Book of Breakfast, 1932).

Elisabeth David widmet dem Muffin (und seinem Bruder, dem Crumpet, weiter unten mehr dazu) stolze 19 Seiten in ihrem Standardwerk "English Bread and Yeast Cookererie", und bemerkt, dass das Wort einst gleichbedeutend dem deutschen G'spusi war: "Every unmarried gentleman, who choses to do so, selects a young lady to be his companion in the numerous amusements of the season...when she acquiesces she is called a 'muffin'".

Bis ins frühe 20. Jahrhundet war der Muffin ein Tee- und kein Frühstücksgebäck. Durch die Straßen Londons zogen dann Nachmittags Muffin-Männer mit einer Glocke, und verkauften ihre Ware von Tür zu Tür – Verwandte der Wiener Beugelverkäufer und Krapfenweiber:

"The muffin man carries his delicacies in a basket, well swathed in flannel, to retain the heat: 'People like them warm, sir', an old man told me, 'to satisfy them they're fresh, and they almost always are fresh (...) I only wish butter was a sight cheaper, and that would make the muffins go. Butter's half the battle.'" (Henry Mayhew, London Labour and the London Poor, 1853)

Über Nacht gehen lassen

So wie bei allen echten Klassikern gibt es auch beim Muffin unzählige verschiedene Rezepte und Varianten. Seit er gegen Ende des 18. Jahrhunderts erstmals in Kochbüchern auftaucht, hat er sich zahllose Male gewandelt – es herrscht nicht einmal Einigkeit, ob er am besten frisch gebraten genossen wird, oder unbedingt noch extra getoastet gehört.

Mehl, Milch und Germ (Hefe) sind in den meisten Rezepten dabei, Ei und Butter in vielen, Zucker oder Honig in manchen. Allen gemein ist, dass der Teig weich – ein Spektrum rangiert zwischen fast flüssig und schon ausrollbar – aber nicht flüssig ist (es ist also ein "dough", kein "batter", für viele ein wesentlicher Unterschied zum Crumpet) (Fussnote).

Ich habe mich großteils an diesem (amerikanischen!) Rezept orientiert, weil es (fast) ein No Knead Rezept ist und damit zwar ein bissl Zeit, aber kaum Anstrengung und schon gar keinen Mixer braucht. Die lange, langsame Gärung über Nacht gibt dem Teig besonders viel Geschmack. Die Teig-Konsistenz ist recht weich, was das Handling ein wenig erschwert und das Ergebnis mitunter nich bildhübsch werden lässt – dafür spart man sich kneten und bekommt eine besonders fluffige Struktur mit schönen, charakteristischen Löchern.

Nach ein wenig Experimentieren backe ich meine Muffins lieber ohne Ei (oder Eiweiß), einer häufigen Muffinzutat – es sorgt für mehr Mürbe und schiebt den Muffin meiner Meinung nach zu weit in Richtung Pfannkuchen. Dafür verwende ich gern Honig statt Zucker: er gibt dem Muffin eine feine Aromatik, die ganz wunderbar mit gebratenem Speck harmoniert.

English Muffins (genug für acht Stück)

300 g Weizenmehl mit ordentlich Protein (etwa Tippo 00)
8 g Salz
8 g frische Germ (Hefe)
220 ml Milch (in etwa, es kommt stets ein bisserl aufs Mehl an)
50 g Honig
Polenta, Grieß oder Reismehl zum Bestreuen
Jede Menge Butter zum Bestreichen
Ei, Speck, Schmelzkäse (optional)

Zubereitung

Mehl, Salz, Germ, Honig und Milch in einer Schüssel mit einem Löffel ordentlich durchrühren, bis ein zäher Teig entsteht, etwa drei bis fünf Minuten.

Foto: Tobias Müller

Der Teig sollte nicht mehr flüssig, aber noch zu nass zum Formen sein. Die Menge an Milch bzw. Mehl kann variieren, im Zweifelsfall daher mehr oder weniger verwenden, als oben angegen.

Foto: Tobias Müller

Aber keine Sorge: Auch aus zu nassem oder zu trockenem Teig lassen sich gute Muffins braten. Einer der großen Vorzüge des Rezepts ist, dass es recht vergebend ist.

Mit Klarsichtfolie abdecken und vier bis fünf Stunden bei Zimmertemperatur gären lassen.

Foto: Tobias Müller

Ein Backpapier mit reichlich Grieß, Polenta oder Reismehl bestreuen. Das hilft, dass später nichts klebt und sorgt außerdem für nette Konsistenzabwechslung. Wer nichts dergleichen zu Hause hat, kann auch eine Handvoll Reis rösten und im Mörser mahlen (so wie hier), funktioniert wunderbar.

Den Teig in acht etwa gleich große Stücke teilen und auf das bestreute Backpapier setzen. Wie immer bei recht feuchten Teigen hilft es, mit nassen Händen zu arbeiten. Bissl Abstand lassen, damit die Teiglinge nicht zu sehr ineinander gehen. Oben nochmal großzügig bestreuen, dann mit Klarsichtfolie abdecken und über Nacht in den Kühlschrank stellen.

Foto: Tobias Müller

Am nächsten Morgen eine schwere Gusseisenpfanne ein wenig heiß werden lassen – sie darf nicht zu heiß sein, sonst verbrennt der Muffin, bevor er gar ist. Idealerweise hält er es locker sieben Minuten auf einer Seite aus, bevor er die perfekte Farbe hat. Ich verwende die niedrigste Stufe des Gasherds.

Foto: Tobias Müller

Muffins in die Pfanne legen und etwa sieben Minuten braten. Wenn sie zartbraun sind, wenden und erneut fünf bis sieben Minuten braten.

Foto: Tobias Müller

Aus der Pfanne heben und am besten in einer Schüssel aufrecht lagern (also nicht hinlegen), damit beide Seiten knusprig bleiben.

Foto: Tobias Müller

Wenn Sie ein traditionsbewusster Brite sind, teilen Sie den Muffin jetzt mit den Fingern vorsichtig horizontal, buttern beide Seiten nicht zu zart, legen sie wieder aufeinander, lassen die Butter kurz in der Resthitze schmelzen und genießen ihn.

Foto: Tobias Müller

Alle anderen dürfen es auch mit Speck, Ei und sogar Schmelzkäse probieren. (Tobias Müller, 24.1.2021)

Fussnote: Der engste Verwandte des Crumpets ist vielleicht das äthiopische Injera, ein fermentierter Pfannkuchen mit ganz ähnlicher Wabenstruktur. Es wird allerdings aus Hirse und ohne Zugaben wie Zucker, Milch, Butter oder Ei gebacken wird.