Wenn sich ehemalige US-Präsidenten beider politischer Lager treffen, dürfte ein Thema unter Republikanern ein wunder Punkt sein: die Wachstumsbilanz ihrer Amtszeit.

EPA / Gregg Nash

Als Anführer der freien Welt gelten die Präsidenten der Vereinigten Staaten. Diese Rolle übernahmen die Amtsträger vor allem während des Kalten Krieges, sie blieb aber auch danach lange Zeit in den Köpfen und Schlagzeilen hängen.

Die Wahlen in den USA beeinflussen auch die Konjunkturerwartungen von hunderten Ökonomen in ihrem jeweiligen Heimatland. Ihr Fazit: Die Wirtschaft wird im ersten Jahr der Amtszeit des 46. US-Präsidenten Joe Biden besser laufen als unter Donald Trump. Das ergab eine vom deutschen Ifo-Institut regelmäßig durchgeführte Befragung von fast 850 Wirtschaftswissenschaftern aus dem vergangenen November. Die Teilnehmer aus über hundert Ländern sind aufgefordert, ihre Erwartungen für ihr Heimatland etwa bezüglich des Wachstums und der Arbeitslosigkeit anzugeben.

Bidens Boom

Das Besondere bei der Befragung im November war, dass ein zufällig ausgewählter Teil der Ökonomenschar vor der US-Wahl, die Übrigen erst nach dem Sieg Bidens teilnehmen konnten. Und siehe da: Die Wachstumsprognosen nach dem Erfolg des Demokraten lagen um rund einen Prozentpunkt höher als jene vor der Wahl.

Zur Illustration: Schätzte zum Beispiel eine Wiener Ökonomin, die an der ersten Fragerunde teilnahm, die österreichische Wirtschaft werde 2021 um ein Prozent wachsen, hätte ihr Grazer Kollege, der an der zweiten Runde nach der US-Wahl teilnahm, das Wachstum doppelt so hoch angesetzt.

Das bezeugt, welche Bedeutung der Wahl eines US-Präsidenten weltweit zugemessen wird. Auffallend war, dass die positiven Erwartungen nur das Jahr 2021 betrafen, aber für die zwei folgenden Jahre kein weiterer Wachstumsimpuls durch eine Biden-Präsidentschaft aus den Prognosen hervorging. "Vielleicht handelte es sich um einen Trump-Effekt", sagt Ifo-Ökonom Niklas Potrafke, der die Umfrage mit einer Studie begleitet hat. Womöglich war es eher die Abwahl Donald Trumps als konkrete Vorhaben Bidens, die für Optimismus unter den befragten Ökonomen gesorgt hatte. Anders formuliert: Wer weiß, was Trump durch seine nachlässige Handhabe der Pandemie sowie Handelskriege der Wirtschaft 2021 angetan hätte? Doch obwohl der Effekt der US-Wahl in der Ifo-Umfrage eindeutig ist, lässt sich über die Motive der Experten nur spekulieren.

Historisch betrachtet könnte Biden in die Hände spielen, dass die Konjunktur unter Demokraten besser lief als unter Republikanern. Doch woran liegt das?

Zunächst die Fakten: Zwei US-Ökonomen der Uni Princeton, Alan S. Blinder und Mark W. Watson, haben sich das Wachstum in den USA seit der Wahl von Harry Truman 1949 bis zum Ende der ersten Amtszeit Barack Obamas 2016 näher angeschaut. Im Schnitt wuchs die Wirtschaft unter demokratischen Präsidenten um 1,8 Prozentpunkte mehr als unter republikanischen.

In unserer Grafik haben wir den Blick etwas erweitert und die Rezession 1946 ebenso berücksichtigt wie die Zeit bis zum Einbruch 2021 und der noch andauernden Krise unter Trump. Auch in dieser Betrachtung wuchs die US-Wirtschaft um rund einen Prozentpunkt besser unter Demokraten, wenn man das Durchschnittswachstum der Amtszeiten vergleicht. Die Wachstumslücke zeigt sich deutlich in den Zahlen und ist aus statistischer Sicht relevant, wie Potrafke betont.

Die Wachstumslücke zieht jedenfalls die Botschaft von Trumps Behauptung in Zweifel, dass die Demokraten vom erfolgreichen Wirtschaften keine Ahnung hätten und ein Businessmann wie er davon viel mehr verstünde. Doch auch der Umkehrschluss ist nicht zulässig, wie die Princeton-Studie zeigt.

Mit statistischen Methoden filterten die beiden Ökonomen heraus, ob es tatsächlich ein Erfolgsrezept der Demokraten gegeben hat. Nicht wirklich, wie sich herausstellt. Die Mehrheitsverhältnisse im Kongress spielten keine Rolle. Auch mit der konkreten Wirtschaftspolitik unter Demokraten und Republikanern ließ sich die Wachstumslücke nicht erklären.

Schocks und Schutz

Laut Blinder und Watson bedingten äußere Faktoren die bessere Wirtschaftsleistung unter Demokraten. So fanden die Ölpreisschocks unter Republikanern wie Richard Nixon statt, was vielleicht mit der Außen-, aber nicht direkt mit der Wirtschaftspolitik zusammenhängt. Ein weiterer Faktor waren höhere Ausgaben für Rüstung zugunsten der Demokraten. Relevant waren auch sogenannte Produktivitätsschocks. Damit meinen Ökonomen etwa technologische Veränderungen wie die Verbreitung von Computern, die einer Volkswirtschaft Auftrieb verleihen.

Eine alternative Erklärung für die Wachstumslücke lieferten die Ökonomen Luboš Pástor und Pietro Veronesi von der University of Chicago: Demokraten ziehen eher Wähler an, die Risiken scheuen. In wirtschaftlich schlechten Zeiten ist der Bedarf an staatlichem Schutz höher. Das treibt bei Wahlen mehr Menschen nach links. Die unweigerliche Erholung der Wirtschaft fällt somit ebenfalls häufiger unter die Amtszeit von Demokraten, deren bessere Konjunkturdaten seien Zufall.

Angesichts der wirtschaftlichen sowie gesundheitlichen Krise würde das Modell auch zum Wahlsieg Bidens passen. Dass der Demokrat bessere Wachstumszahlen verzeichnen wird als sein Vorgänger in einer einzelnen Amtszeit samt Corona-Pandemie ist auch kein Kunststück. Angesichts der vielfachen Herausforderungen in den USA, bleibt das wohl ein schwacher Trost. (Leopold Stefan, 25.1.2021)