"Das Urheberrecht ist der Tod der Meinungsfreiheit", schrieb ein kritischer Poster kürzlich. In der Tat, es kann schon geschehen, dass eine geäußerte Meinung an Grenzen stößt, die durch andere, im Einzelfall überwiegende, Rechte gezogen wurden. Das kann beispielsweise das Namensrecht sein, das Markenrecht oder auch das Urheberrecht. Nicht selten aber wird versucht, sich den Meinungskampf dadurch zu ersparen, dass man – als Objekt einer unliebsamen Meinungsäußerung – eines dieser schweren Geschütze in Stellung bringt. Was allerdings nicht immer funktioniert.

Von der Erfindung des Bildzitats

Als der "Falter" im Jahr 2000 sich in zwei Ausgaben mit der Berichterstattung der "Kronen Zeitung" auseinandersetzte – so etwa im Artikel "Schüssels Dornen-Krone" mit der ablehnenden Haltung der "Krone" zu einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, in einem anderen Artikel mit dem An-den-Pranger-Stellen eines jugendlichen Straftäters –, illustrierte er dies mit insgesamt fünf Original-Titelseiten der "Krone" in verkleinerter Form. Auf diesen Titelseiten waren auch Fotos enthalten, an denen natürlich die Krone die Rechte hatte, außerdem waren wohl die Titelseiten mit ihrem spezifischen Layout insgesamt als Werk des Urheberrechts zu betrachten.

Die "Krone" klagte daher den "Falter" auf Unterlassung, einzelne Titelseiten der "Krone" zu vervielfältigen und zu verbreiten. Nach den Buchstaben des Gesetzes ein klarer Fall, hätte man meinen sollen, denn natürlich wurde hier in Urheberrechte eingegriffen. Das Urheberrechtsgesetz kannte damals noch kein Bildzitat. Der Oberste Gerichtshof (OGH) jedoch wandte die Regelungen des literarischen Zitats analog an: Schließlich könne ein Bildzitat ebenso wie die Wiedergabe einzelner Teile eines Sprachwerks im Interesse der Meinungsfreiheit sein und die Zitierung eines (notwendigerweise ganzen) Bildes der geistigen Auseinandersetzung dienen. Womit das Bildzitat erfunden war und der "Falter" das Verfahren gewonnen hatte. Mittlerweile umfasst die gesetzliche Zitatregelung allerdings alle Werkgattungen.

Das Markenrecht als Keule im Meinungskampf

Auch das Markenrecht bietet sich als nützliche Keule gegen Kritiker an, und auch das funktioniert nicht immer. Legendär wurde der Kampf um die Internet-Domain "oil-of-elf.de". Greenpeace kritisierte den Konzern Total Fina Elf für seinen mehr als fahrlässigen Umgang mit der Umwelt und veröffentlichte Bilder der Ölförderung in Russland, die ganze Landstriche verseuchte, sowie den Text "Ich trinke doch kaum Alkohol – das meiste verschütt' ich! So ähnlich wie in diesem Spruch geht es in Sibirien bei der Ölförderung zu: Aus lecken Pipelines versickert pro Tag so viel Öl im Tundra-Boden, wie beim Tankerunfall der Exxon-Valdez insgesamt auslief." Damit hätte man sich schon inhaltlich auseinandersetzen können, bequemer war es allerdings, das Namens- und Markenrecht von "Elf" als Waffe zu verwenden, da Greenpeace hier eine Verwechslungsgefahr zu verantworten habe. Erst in der zweiten Instanz war Greenpeace erfolgreich: Die Namensverwendung war im konkreten Fall durch die Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt, die blickfangartige Wiedergabe des Zeichens "Elf" im Meinungskampf notwendig.

Das Markenrecht schützt den Markeninhaber, wenn ein anderer dasselbe oder ein ähnliches Zeichen zur Kennzeichnung der eigenen Produkte oder Leistungen verwendet. Auch der Träger eines Namens ist davor geschützt, dass sein Name in verwechslungsfähiger Weise verwendet wird. Dass auf der Website oil-of-elf-de nicht Mineralöl angeboten wurde, sondern "Elf" kritisiert, war spätestens auf den zweiten Blick klar.

Das Urheberrecht schränkt nicht immer die Meinungsfreiheit ein.
Foto: APA/dpa/Patrick Seeger

Kritisierende Domains

Anders lag für die Gerichte der Fall bei bundesheer.at. Auf dieser Website konnte man informative, auch kritische, Beiträge zum Bundesheer finden, und anständigerweise sogar einen Link zum Verteidigungsministerium – von dem stammte diese Website nämlich nicht. Und diese ungebetene "Schützenhilfe" passte ihm auch nicht, also Klage. Um die war in allen drei Instanzen erfolgreich, obwohl schon auf der Startseite zu lesen war: "Diese Seite wird NICHT vom Bundesministerium für Landesverteidigung betrieben und hat keinen offiziellen Charakter", verbunden mit einem Link auf die "offizielle Internet-Präsenz". Der OGH sah eine gewissermaßen unlautere "Ausbeutung" des geschützten Namens "Bundesheer", und das Bundesheer habe ein legitimes Interesse daran, dass sein Name nicht gebraucht werde, um die Aufmerksamkeit auf Aktivitäten zu lenken, mit denen es nichts zu tun hat.

Dass man die Sache auch anders hätte sehen können, zeigt just eine andere Entscheidung des OGH, allerdings in einem ziemlich eindeutigen Fall: Unter der Domain "rechnungshof.com" bot deren Inhaber "alle Insider-Informationen des Österreichischen Rechnungshofes – von einer Person, die vieles weiß und alles sagt, außer ihren Namen" an. Der OGH betonte, dass ein Hinweis auf die offizielle Website des Rechnungshofs hier fehlte und dass durch die explizit dokumentierten Absichten dieser "Person", die Amtsverschwiegenheit zu brechen, ein Imageschaden für den Rechnungshof drohte. (Also kommt es doch darauf an, ob man durch Verweis auf die "richtige" Website Zweifel ausschließt?) Solche Informationen sollten nicht unter dem Namen der davon betroffenen Institutionen verbreitet werden.

Schlauer fädelte es ein Kritiker eines Unternehmens ein, das sich unter dem Firmenschlagwort "Aquapol" mit Gebäudetrockenlegung beschäftigte, als er seine Website unter der Domain aquapol-unzufriedene.at veröffentlichte. Auf die Frage brauchte er nicht lange zu warten. Nun hat aber der Namensträger kein uneingeschränktes Recht zu entscheiden, ob sein Name in der Öffentlichkeit genannt werden darf. Eine kritisierende Domain ist, so der OGH, zulässig, wenn der Name als Signal gebraucht wird, um Interessenten auf die Kritik aufmerksam zu machen – vorausgesetzt (und genau das ist der Punkt), dass der Benutzer bei Anzeige der Website diese Umstände unmittelbar erkennt. Und genau das war hier der Fall – wer würde annehmen, dass das Unternehmen Aquapol den mit ihm Unzufriedenen auch noch eine Plattform bieten würde?

Und was haben all diese Fälle gemeinsam? Vor den Gerichten geht's meist nicht um naturwissenschaftliche Tatsachen, sondern um Wertungen und bei kollidierenden Rechten um eine Abwägung im Einzelfall. Und daher ist nicht ganz generell das eine Recht der Tod des anderen – das kann durchaus einmal in die eine und das andere Mal in die andere Richtung gehen. (Thomas Höhne, 28.1.2021)