Kurz war es schwarz-weiß kariert. Dann war es länger nur schwarz. Johnny Herbert brach kurz nach seinem Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1991 bewusstlos zusammen. Weil er in der Schlussphase des Rennens vorne lag, verzichtete Mazda auf einen Fahrerwechsel. Die folgende Dehydrierung machte es Johnny Herbert unmöglich, bei der Siegerehrung zu erscheinen. Aber das darf man auch nicht nur so schwarz sehen. So fiel Herbert wenigstens nicht auf, dass er mit seinem Teamkollegen Volker Weidler eh nicht hätte plaudern können. Diesem fiel im Rennen ein Ohrenstöpsel raus, und er zog sich wegen des Höllenlärms des Vier-Scheiben-Wankel R26B im Mazda 787B einen so schweren Tinnitus zu, dass er wegen der folgenden Gleichgewichtsstörungen das Rennfahren bald ganz aufgeben musste.

1991 gewinnt Mazda mit dem 787B, der von einem Vier-Scheiben-Rotationskolbenmotor angetrieben wird, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Platz fünf holten sich damals übrigens die Nachwuchsfahrer Karl Wendlinger und Michael Schumacher im Mercedes-Benz C11.
Foto: Mazda

Doch Herbert und Weidler haben sich in Le Mans gemeinsam mit Bertrand Gachot ein Denkmal gesetzt. Genauso wie Mazda. Denn zum ersten oder vermutlich wohl auch zum einzigen Mal konnte ein Rennwagen mit Wankelmotor das legendäre Langstreckenrennen gewinnen. Man wusste schon damals, dass es die letzte Gelegenheit sein würde, den Beweis anzutreten, was für ein Wunderwerk der Wankelmotor ist – denn das neue Reglement schrieb ab dem darauffolgenden Jahr 3,5 Liter große Hubkolbenmotoren vor.

Felix Wankel vor einem Schaustück – ich nehme an, es ist der DKM 54 –, in dem man gut den Läufer, Kolben ist es ja keiner, sehen kann. Felix Wankel besaß wegen seiner Kurzsichtigkeit nie einen Führerschein, aber einen Ro 80. Er gründete einen Krebshilfefonds – bevor er selbst 1988 an Krebs starb.
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Das war er also, der Höhepunkt des Wankelmotors. Und genauso diffus, wie dieses Glanzlicht strahlt, war auch der Beginn der Motorengeschichte. Und der war 1932, als Felix Wankel die "Drehkolbenmaschine DKM 32" konzipierte. Die lief nur kurz, aber sie lief – und konnte zumindest als Kompressor eingesetzt werden.

Wankel: Kaufmann und Erfinder

Felix Wankel, 1902 in Baden-Württemberg geboren, war Nationalsozialist und Antisemit, hatte ob seiner Streitbarkeit eine recht sonderbare Karriere in der NSDAP, der er bereits 1922 beigetreten war. Er wurde mehrmals aus der Partei ausgeschlossen, brachte es aber dennoch zum Gauleiter der Hitlerjugend und Obersturmbannführer in der SS. Wankel arbeitete für BMW wie auch für das Reichsluftfahrtministerium, von dem er mehrere Millionen bekommen haben soll. Nach 1945 wurden seine Werkstätten demontiert, er selbst verhaftet, kam aber bald wieder frei. Jedoch hatte er Forschungsverbot.

1951 gründete Wankel die Neue Technische Entwicklungsstelle und begann kurz darauf, für NSU zu arbeiten. Mit Erfolg. 1954 war er fertig, der Rotationskolbenmotor, der Wankelmotor. Obwohl, noch nicht ganz. Denn erst ab 1958 drehte sich allein der Kolben in einem ab nun feststehenden Gehäuse. Nur zwei Jahre später wird ein Wankelmotor das erste Mal ein Auto antreiben. Natürlich einen NSU. Dort baute man einen Prinz mit dem Wankelmotor auf. Mit dem Wankel-Spider brachte NSU 1963 dann auch den ersten Serienwagen mit dem neuen Aggregat – der "Wagen für fortschrittliche Individualisten".

Der NSU Wankel-Spider kam 1964 auf den Markt und hatte einen fast 500 Kubikzentimeter großen Einscheiben-Wankel, der 50 oder 65 PS leistete. 1966 wurde Karl-Heinz Panowitz damit deutscher Rallyemeister.
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Der Wankel-Spider war eine Ansage. Weil er die Vorteile des neuen Motors so gut nutzte. Der Wagen war nur 700 Kilogramm schwer – weil der Motor so leicht ist –, machte Spaß beim Fahren und war sportlich. Gleichzeitig war sein Spritverbrauch – na, sagen wir, unter den Zeichen der Zeit – moderat. Das ist gerade deswegen erwähnenswert, weil ein Grund, warum es heute keinen Wankel mehr in einem Serienwagen gibt, der enorme Verbrauch dieses Motors ist. Und seine schlechte Verbrennung.

Direkt gesagt

Die Nachteile des Wankelmotors sind in der Bauform des Brennraums zu finden. Der thermische Wirkungsgrad ist wegen der großen wärmeabführenden Fläche – na, sagen wir es noch einmal direkt – schlecht. Noch dazu gibt es keinen kühlenden Leerhub, sondern die eine Kerze feuert wie eine Böse. Wegen der Bauform des Brennraumes ist auch die Verbrennung unvollständig. Erst als man eine zweite Zündkerze verwendete, konnten die Schadstoffe reduziert werden. Aber halt auch nicht so weit, dass man den Motor heute einfach so durch eine Euro 6 bringen würde. Das alles war den Freunden des Wankels aber wohl ziemlich wurscht. Was da mehr störte, das war, dass die Dichtflächen eher früher als später den Geist aufgaben. Ein Motor, der säuft und keine 100.000 Kilometer hält, konnte die Vorteile nicht für jeden aufwiegen.

Autowerbung, wie man sie in den 1970er-Jahren noch gut fand. Auch damals war das Auto schon im Hinter-, aber politische Korrektheit dennoch nicht im Vordergrund.
Foto: Audi

Die Vorteile

Obwohl, und das muss man, gerade in Hinblick darauf, dass die Anfänge der Serienwankel in den 1960ern liegen, schon auch anfügen: Im Vergleich zu einem Zweitakter war der Wankel wirklich sparsam und sauber. Der Wankel dreht unglaublich hoch, läuft superruhig, er kommt ohne Ventile und deren Anhängerschaft aus, freut sich aber über eine Einspritzung. Für die Nutzer waren aber der ruhige Lauf, der ganz eigene, turbinenartige Klang, das gleichmäßige Drehmoment – auch wenn von dem mehr da hätte sein können – und seine Drehfreude entscheidend.

Mazda war von Anfang an von dem Motor überzeugt und unterzeichnete 1961 einen Vertrag mit NSU. Die Japaner merkten aber auch schnell, dass das Wankelwerkel in der bestehenden Form für Mazda nicht passte. Die Vibrationen waren so stark, dass die Gehäuse verschlissen – was zur Folge hatte, dass im Brennraum irgendwann nicht nur Sprit, sondern auch Öl, das eigentlich zur Schmierung gedacht war, verheizt wurde. Auch mit dem Drehmoment war man bei Mazda nicht zufrieden. Die Japaner verbesserten die Dichtheit des Motors und entwickelten einen Zweischeiben-Wankel, der dann ein Drehmoment hatte, das die Ingenieure an einen Sechszylinder erinnerte.

Der Cosmo Sport, hier einer aus 1968, war der erste Serien-Mazda mit Wankelmotor.
Foto: Mazda

1963, also während NSU mit dem Wankel-Spider in Serie ging, stellte Mazda auf der Tokyo Motor Show einen ersten Prototyp mit Zweischeinben-Wankel vor. Vier Jahre später, im Mai 1967 – drei Monate bevor der NSU Ro 80 vom Band lief – kam Mazda mit dem Cosmo Sport heraus. 80 Vorserienmodelle wurden schon im Jahr zuvor in Japan ausgeliefert. Der erste Cosmo Sport hatte eine Leistung von 81 kW, 110 PS – und das bei einem Gewicht von deutlich unter einer Tonne. Die zweite Version blieb ebenfalls unter der gewichtigen Marke, der Motor leistete dann aber 94 kW, 128 PS.

Der NSU Ro 80

Auch NSU setzte im Ro 80 auf einen Zweischeiben-Wankel. Der leistete dort in der 1.280 Kilogramm schweren Limousine 85 kW, 115 PS. Und der Wagen sollte schnell in die Geschichte eingehen. Es gab nämlich wieder Dichtprobleme, und auch die Doppelzündung trieb die Fahrer öfter in die Werkstätten, als ihnen lieb war. Es gab Brösel mit dem Drehmomentwandler, es gab Probleme noch und nöcher ...

Es dauerte nicht lange, bis Ro 80-Witze die Runde machten. So spreizten Ro-80-Fahrer, wenn sie sich begegneten, angeblich zum Gruß so viele Finger ab, wie sie schon Motoren verschlissen haben. Oder dann gab es den, dass Ro-80-Fahrer nie zum Ölwechsel müssten, weil sie eh alle 10.000 Kilometer einen neuen Motor bekommen. Und Otto Waalkes: "Ro 80 – gekocht 160." Aber damit noch nicht genug der Witze – selbst wenn ich mir da jetzt unter Kollegen keine Freunde mache: Autojournalisten wählten den Ro 80 1967 zum Auto des Jahres.

Pininfarina entwarf 1971 eine Studie von einem potenziellen Ro-80-Nachfolger. Gebaut wurde ein solcher nie.
Foto: Audi

1969 fusionierte NSU mit der Auto Union, aus der 1985 die Audi AG wurde. Der Ro 80 wurde noch bis 1977 gebaut – zum Schluss sogar mit einem robusten Motor. Doch danach war sowohl der Markenname NSU als auch der Wankel Geschichte. Zumindest bei der Auto Union. Mercedes-Benz baute den C-111-Prototyp mit Drei- und Vierscheiben-Wankel, Citroën baute Mitte der 1970er eine kleine Serie des GS Birotor. Bei den Motorradherstellern versuchten sich Hercules, Suzuki, Van Veen und Norton am Drehscheibenmotor – von MZ gab es zumindest ein paar Prototypen. Am bekanntesten sind sicher die Suzuki RE 5 und der Staubsauger von Hercules, die W 2000, die in der zweiten Hälfte der 1970er gebaut wurden. Der Wankel stammte aus der gemeinsamen Geschichte mit Fichtel & Sachs.

Legendär, der Mercedes-Benz C 111-II von 1970 mit einem 350 PS starken Vier-Scheiben-Wankelmotor.
Foto: Daimler

Nur Mazda blieb am Wankel dran und bot in den 1970ern in den USA sogar einen Pick-up an. Höhepunkt war aber der Mazda RX-7. Der Sportwagen kam Ende der 1970er auf den Markt und matchte sich anfangs mit dem 924er-Porsche. Er erstand in drei Generationen und hatte 2002 stolze 176 kW, 239 PS Leistung und beschleunigte in 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Der RX-7, hier einer von 1978, ist einer der wenigen erfolgreichen Sportwagen mit Wankelmotor.
Foto: Mazda

1988 erschien sogar ein Cabrio des RX-7. "Sie kennen uns als geradezu hündische Verehrer des Wankelprinzips" stand damals in der "Autorevue", der Tester war begeistert vom Motor, lediglich vom Verdeck enttäuscht. Den Durst des Zweischeiben-Wankels nahm er zur Kenntnis.

Der Mazda RX-8 von Rupert Schachinger, liebevoll auf rund 500 PS aufgeblasen.
Foto: Guido Gluschitsch

Mazda RX-8

Mit dem RX-8 legte Mazda noch ein letztes Mal nach. Es gab ihn – bis 2012 – mit 141 kW, 192 PS oder 170 kW, 231 PS. Na gut, in Österreich gab es auch ein Monster mit rund 500 PS. Rupert Schachinger – Junioren-Rallyestaatsmeister 2004 und bunter, wilder und schönster Hund der heimischen Rennszene – baute sich diesen nach 2010 auf, um damit die Vormacht der M3s in der österreichischen Driftstaatsmeisterschaft zu brechen. Gebrochen ist dann aber noch mehr. Zumindest stellte es nicht die Ausnahme dar, wenn er nach einem Lauf die Strecke noch einmal abging, um die Trümmer wieder einzusammeln, die er an Bodenwellen, Curbs oder Reifenstapeln liegen hat lassen.

Eine Aufnahme aus einer Zeit, als Motorsport noch nicht unmittelbar mit einem schlechten Gewissen verbunden war.
Foto: Guido Gluschitsch

Danach schien es, als wäre das Ende des Wankelmotors besiegelt gewesen. Der hohe Verbrauch, die hohen Emissionen passten nicht zu immer strengeren Abgasnormen. Der Diesel hatte seinen Siegeszug schon lange angetreten – auch sein Fall wird bald folgen. Also kann man das Kapitel "Kreiskolbenmotor" noch vor dem 60. Geburtstag des Wankelmotors endgültig schließen? Nein, schaut nicht so aus.

Wasserstoff-Wankel

Mazda ist immer noch ganz vernarrt in den Motor und hat bekanntgegeben, ihn demnächst als Range-Extender für E-Autos einzusetzen. Und die Idee ist gar nicht so schlecht, wie es auf den ersten Blick scheint. Dreht und orgelt man den Rotationskolben nicht in Rennfahrer-Manier, sondern betreibt ihn im Idealbereich, ist der Motor sogar sehr effizient. Und Mazda hat intensiv daran geforscht, wie sich der Wankel mit Wasserstoff betreiben lässt – und auch dafür ist er ideal. Als Beweis dafür darf der Hydrogen RE gelten.

2003 stellte Mazda mit dem RX-8 Hydrogen RE bereits das fünfte Fahrzeug vor, das von einem Wasserstoff-Wankel angetrieben wird. Der Wasserstofftank fasste bei 350 bar 110 Liter, was für 100 Kilometer Reichweite gut war. Der Motor konnte auch mit Benzin betrieben werden und kam dann 550 Kilometer weit.
Foto: Mazda

Also gut möglich, dass doch noch ein Wasserstoff-Verbrennungs-Wankelmotor kommt. Und wer sollte das realisieren, wenn nicht die Ingenieure von Mazda, die beim Motorenbau ja schon immer eigene Wege gingen. Es bleibt also spannend. Erst in der zweiten Hälfte 2022 werden wir es wirklich genau wissen, wenn der Range-Extender dann in einem E-Mazda auf den Markt kommen wird. (Guido Gluschitsch, 3.2.2021)