Bodo Ramelow spielt gerne "Candy Crush".

Foto: Apa, Afp, Martin Schutt

"Den Namen der Bundeskanzlerin zu verniedlichen war ein Akt männlicher Ignoranz." Es war nicht nur ein Fettnäpfchen, das der Ministerpräsident des deutschen Bundeslands Thüringen, Bodo Ramelow, in seinem ersten Clubhouse-Meeting mit Pauken und Trompeten mitnahm. Neben seinem "Merkelchen"-Sager, für den er sich kurz darauf auf der Nachrichtenplattform Twitter entschuldigte, gab er auch recht unverblümt zu, dass er während der Konferenzen mit der Kanzlerin zur Corona-Krise das Handygame Candy Crush spielte.

Das Timing der Ramelow'schen Spielesitzung hätte sicher besser sein können, aber nicht nur der Ministerpräsident hat eine Affinität zu Candy Crush. Im Jahr 2012 von dem britischen Entwicklerstudio King geschaffen, protzt das Spiel seitdem mit konstant hohen Nutzerzahlen. 46 Millionen Menschen spielen monatlich dieses kurzweilige Gelegenheitsspiel, bei dem man Süßigkeiten zu Ketten formt, die dann in bunten Explosionen das Punktekonto des Spielers erhöhen. Besonders fordernd ist das nicht. Vielmehr geht es bei dem schnell zu erlernenden Konzept um den sogenannten "Flow", der beruhigend auf das ohnehin ständig geforderte Hirn wirkt und bei dem man weitestgehend automatisiert bunte Knöpfe drückt. Den modernen Blick ins Narrenkastl könnte man das nennen.

Drei Millionen Umsatz täglich

Den Entwickler freut es, konnte er im Jahr 2018 dank Candy Crush und der beiden Nachfolger Candy Crush Soda Saga und Candy Crush Jelly Saga doch täglich (!) über drei Millionen Euro umsetzen. 2019 verdoppelte die britische Tochter des US-Konzerns Activision Blizzard den Jahresumsatz auf zwei Milliarden Euro. Jetzt könnte man sich fragen, wie man mit einer Gratis-App so viel Geld verdienen kann. Ohne den Einwurf von Geld kann man Candy Crush nur so lange spielen, bis man durch das Überschreiten diverser Zeitlimits die verfügbaren Leben aufgebraucht hat. Das geschieht einigermaßen flott, ist das Spiel doch primär auf dem Faktor Glück aufgebaut. Nun schlägt Candy Crush vor, dass man entweder das Spiel pausieren muss oder aber ein paar Cents einwirft und einfach weitermachen kann. Diese sogenannten Mikrotransaktionen sind für viele Spieler offenbar eine sehr niedrige Hürde, und deshalb ist dieses Modell auch so erfolgreich. Die paar Cents kann sich doch schließlich jeder leisten, oder?

Dieser pfiffige – andere würden sagen tückische – Mechanismus ist mittlerweile für einen Großteil des Umsatzes in der Games-Branche verantwortlich. Speziell die "Wale", wie sie in der Szene genannt werden, sind heißbegehrt. Das sind solche Menschen, die sehr viel Geld in solch ein Gratisspiel werfen. Das war 2019 etwa ein Candy Crush-Nutzer, der an nur einem Tag 2.300 Euro ausgab, aber auch ein lokaler Ex-Vizekanzler, der in das ebenfalls populäre Clash of Clans satte 3.000 Euro investiert hatte. Bezeichnenderweise nahm Letzterer das Geld für seine Spielleidenschaft sogar aus der Parteikasse. Das ist dann weniger männliche Ignoranz als vielmehr eine Frechheit. (Alexander Amon, 26.1.2021)