Der heimische Verfassungsschutz hat schon lange Probleme, eigentlich seit seiner Gründung vor zwanzig Jahren. Nach kurzen Phasen der Ruhe schwappte regelmäßig Unappetitliches an die Oberfläche: Da wurden Spitzenbeamte verdächtigt, für feindliche Nachrichtendienste aus dem Iran oder Russland zu spionieren; da gab es Geschichten über sexistische Vorfälle; schon zu Mittag betrunkene Führungskräfte und natürlich parteipolitische Intrigen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in Wien.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Als Herbert Kickl im Jahr 2017 zum ersten nicht aus der ÖVP stammenden Innenminister seit 17 Jahren wurde, war die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf seiner Agenda weit oben. Doch Kickl hatte die falschen Ziele, die falschen Verbündeten und die falschen Methoden. Sein Kabinett trieb Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) voran, die auf falsch gestreuten Verleumdungen aus dem Inneren des Amtes beruhten. Die WKStA fiel auf genau jene Intriganten herein, die das eigentliche Problem darstellten.

Aber selbst nach dem desaströsen Intermezzo durch die Ära Kickl, das alles noch schlimmer machte, und nach dem tödlichen islamistischen Terroranschlag in Wien, der gravierende Fehler im BVT und dem Wiener LVT zeigte, hoffte man, eine Reform des Verfassungsschutzes könnte dessen Probleme lösen. Die Innenminister Wolfgang Peschorn und dann Karl Nehammer (ÖVP) forcierten einen ambitionierten Umbau des Amtes; samt besserer Ausbildung, intensiverer Sicherheitsüberprüfung und klarer Strukturen.

Horrorwochenende

Doch jetzt, nach diesem Horrorwochenende für den Verfassungsschutz, ist diese Hoffnung gestorben. Ein ehemaliger Abteilungsleiter ist tief in die Affäre rund um Wirecard verstrickt; er hatte beste Beziehungen zum flüchtigen Ex-Firmenvorstand Jan Marsalek. Genauso wie ein weiterer langjähriger Agent, der für Russland spioniert haben soll. Ein dritter arbeitete gegen Bezahlung für eine Ex-Stasi-Agentin, die beispielsweise von der Novomatic mit der Ausspähung einer Konkurrenzfirma beauftragt wurde.

Es wirkt, als ob in jeder Schublade im Verfassungsschutz ein weiterer Skandal steckt. Zwar gibt es auch engagierte, kompetente und integre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; doch zu viele ihrer Kollegen sind korrupt und intrigant.

Politisch zu verantworten hat das allein die ÖVP. Sie stellte mit der erwähnten Ausnahme Kickl seit dem Jahr 2000 den Innenminister. Unter der ÖVP wurde das BVT aufgebaut, wurden teils inkompetente Parteigänger dort platziert. Nehammer ist zwar als Innenminister frisch gestartet, aber ÖVP-Politiker sollten sich jetzt lange Zeit vom BVT fernhalten. Es gibt nun nur mehr eine radikale Lösung: Das Amt muss von Grund auf neu aufgebaut werden – mit mehr Expertise, mehr Ressourcen und mehr Transparenz gegenüber der Politik. Bis der neue Verfassungsschutz startklar ist, lässt man den alten noch weiterlaufen und hofft, dass er das Gröbste verhindern kann.

Ein Weiterwursteln darf es nicht geben. Zu viel steht auf dem Spiel, nämlich die Sicherheit der Republik – und das Vertrauen in diese. Denn derzeit bleibt nur der Eindruck, dass gute Verfassungsschützer schikaniert werden und die anderen Geld damit verdienen, den Bösewichten zu helfen. (Fabian Schmid, 25.1.2021)