Die Schließung der Gastronomie und der Hotels lastet schwer auf der heimischen Wirtschaft.

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Konjunkturforschung ist ein kreatives Metier. Um bessere Daten über den Stand der Wirtschaft zu erhalten, ziehen die Prognostiker eine Fülle an aktuellen Daten heran. Sie sehen sich beispielsweise Kreditkartenzahlungen an, die über die Höhe privater Käufe Auskunft geben. Praktisch täglich vorliegende Mautdaten von Lkws lassen eine Einschätzung des Warentransports zu. Garniert mit Stelleninseraten, Mobilitätsdaten, Buchungsanfragen für Hotels und dem aktuellen Stromverbrauch erhalten Konjunkturforscher ein stimmiges Bild über die aktuelle Situation.

Konsum bricht ein

Die ist derzeit ziemlich schlecht. Die genannten Indikatoren zeigen einen Absturz seit Verhängung des dritten Lockdowns. Die Wirtschaftsleistung schrumpft seit Weihnachten im Vergleich zum Vorjahr wöchentlich um mehr als zehn Prozent, wie aus den Frühindikatoren von Nationalbank und Wirtschaftsforschungsinstitut hervorgeht.

Wenn Händler, Friseure, Lokale, Hotels und andere Dienstleister die Läden runterlassen (müssen), können die Menschen kein Geld ausgeben. Lediglich die Industrie, der Bau und die Staaten stützen die Wirtschaft, können den genannten Einbruch aber nicht annähernd kompensieren.

Zweites Quartal negativ

Schon in den letzten drei Monaten 2020 sackte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um fast vier Prozent gegenüber dem Sommerquartal ab – der Lockdown "light" begann ja schon im November. Wegen weiterer Schließungen bis Anfang Februar beziehungsweise März (Hotels, Gastronomie) erwartet Stefan Schiman vom Wirtschaftsforschungsinstitut einen neuerlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent im ersten Quartal 2021. Damit ist die Definition einer Rezession erfüllt.

Menschen und Wirtschaft warten auf die Impfung.
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Spielentscheidend wird sein, ob es ab April rasch aufwärtsgehen wird. Die Verbreitung von Corona-Mutanten und Verzögerungen bei den Impfstofflieferungen werfen einen Schatten auf das Frühjahr. "Diese Entwicklungen könnten die Erholung nach hinten verschieben", sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria. Sein Kollege Schiman pflichtet ihm bei und verweist auf Äußerungen des deutschen Starvirologen Christian Drosten. Der hatte vergangene Woche davor gewarnt, dass die Impfungen den Druck auf rasche Lockerungen erhöhen und dann 100.000 Infektionen pro Tag drohten.

Prognosen purzeln

Laut Schiman sind in diesem Fall auch im März und April Lockdowns nicht auszuschließen. Dann werde die ohnehin schon nach unten revidierte Konjunkturprognose nicht mehr halten. Das Wifo war zuletzt von einem Wachstum von 4,5 Prozent für 2021 ausgegangen, im Falle eines dritten Lockdowns nur noch von 2,5 Prozent. Bei dem zweiten Wert bleibt Schiman vorläufig.

Die neuerliche Rezession bedeutet weniger Jobs und Steuereinnahmen – ausgehend von einer ohnedies schon äußerst angespannten Situation. Derzeit sind eine Million Personen in Kurzarbeit oder arbeitslos. Die Neuverschuldung lag im Vorjahr bei gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung und wird heuer weiter hoch bleiben. Das veranschlagte Defizit von 6,3 Prozent des BIPs im laufenden Jahr wurde noch unter der Annahme errechnet, dass die Wirtschaft 2021 um 4,4 Prozent zulegt.

Österreich leidet stärker

Es gibt freilich noch weiteres Potenzial nach unten, denn dass die Industrie weiterhin gut läuft, ist nicht in Stein gemeißelt. Die vom Ifo-Index gemessene Geschäftsstimmung deutscher Manager hat sich im Jänner überraschend stark eingetrübt, auch die Erwartungen des produzierenden Sektors sind zurückgegangen.

Einige Daten weisen zudem darauf hin, dass Österreich nach einem BIP-Einbruch von rund 7,5 Prozent im Vorjahr neuerlich stärker von der Corona-Krise getroffen wird als vergleichbare Länder. Ein Blick auf den Stromverbrauch in den letzten Wochen zeigt, dass der Rückgang hierzulande besonders stark ausfällt. Die Daten sind wegen großer Schwankungen mit Vorsicht zu genießen, doch eines ist klar: Die starke Abhängigkeit vom Tourismus wird das Land noch länger in Atem halten. (Andreas Schnauder, 26.1.2021)