Mehr als 4.300 Exoplaneten sind inzwischen bekannt – und es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Entdeckungen gemeldet werden. Weitaus seltener gelingt der Nachweis ganzer Exoplanetensysteme. Ein solches System, bestehend aus gleich sechs Planeten, die um einen fernen Stern kreisen, hat nun ein internationales Forscherteam entdeckt. Die bisherigen Beobachtungen brachten Außergewöhnliches ans Licht, wie die Wissenschafter im Fachblatt "Astronomy & Astrophysics" berichten.

Ein (imaginierter) Blick vom äußersten der sechs Planeten auf sein Gestirn. Astronomen entdeckten das außergewöhnliche System mithilfe von Teleskopen im All und am Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte in Chile.
Illustr.: ESO/L. Calçada/spaceengine.org

Die ersten Hinweise auf die fernen Welten lieferte das Nasa-Weltraumteleskop Tess. Beobachtungsdaten des rund 200 Lichtjahre von uns entfernten Sterns TOI-178 deuteten darauf hin, dass es dort drei Planeten geben könnte. Zwei davon schienen den Stern fast auf der gleichen Bahn zu umkreisen. "So etwas gibt es tatsächlich, aber es ist sehr auffällig", sagt der Astrophysiker Manuel Güdel von der Universität Wien, der an der Studie beteiligt war.

Rhythmische Welten

Also nahmen die Forscher den Stern auch mit dem europäischen Weltraumteleskop Cheops in den Blick – und entdeckten etwas völlig anderes: Nicht drei, sondern sechs Planeten ziehen dort ihre Bahnen, und zwar jeder seine eigene. Sie sind ihrem Stern so nahe, dass ein Jahr auf dem innersten Planeten keine zwei Tage dauert, auf dem äußersten gerade einmal 20. Lebensfreundlich ist das nicht.

Die äußeren fünf Planeten weisen zudem eine sehr spezielle Konfiguration auf, sie befinden sich in Resonanz, erklärt Güdel. "Man hat ein Verhältnis in den Umlaufperioden von 12:9:6:4:2 gefunden." Während der zweitinnerste Planet seinen Stern also zwölfmal vollständig umrundet, zieht sein äußerer Nachbar exakt neun Runden, der nächste absolviert in dieser Zeit wiederum sechs Umläufe und so weiter. Güdel: "Das Planetensystem ist so angeordnet, dass sich die Planeten gegenseitig in Schach halten."

Darstellung der Planetenbahnen im TOI-178-System.
European Southern Observatory (ESO)

Sanfte Entwicklung

Auch im Sonnensystem gibt es Beispiele für resonierende Objekte: Die drei Jupitermonde Io, Europa und Ganymed weisen eine Resonanz von 4:2:1 auf. Die Umläufe unserer Planeten sind zwar stabil, bilden aber keinen so harmonischen Rhythmus.

Damit sich eine Resonanz wie im System von TOI-178 einpendeln kann, müssen die Bahnen kreisförmig sein, das Planetensystem muss eine ruhige Entwicklung durchgemacht haben. Wäre es in der Frühphase des Systems zu gewaltigen Kollisionen mit anderen Körpern gekommen, hätte die fragile Konfiguration der Bahnen nicht überlebt.

Doch nicht nur die harmonischen Planetenbahnen in dem fernen System sind ungewöhnlich. Wie Analysen der Dichten und Massen der einzelnen Welten um TOI-178 zeigen, passt ihre Anordnung so gar nicht ins gängige Bild: Gesteinsplaneten mit größerer Dichte scheinen zum Teil weiter außen zu sein, während sich gasförmige Welten offenbar näher am Stern befinden – genau umgekehrt wie im Sonnensystem. "Das zu erklären ist eine Herausforderung", sagt Güdel.

Ungeklärte Anordnung

Die Anordnung unserer Planeten folgt einem klaren Muster. Die kleineren, dichteren Gesteinsplaneten befinden sich näher an der Sonne, weiter draußen kommen die kalten, großen Gasplaneten mit geringerer Dichte. Denn die inneren Planeten können keine dichten Gasatmosphären halten, weil sie zu nahe an der Sonne sind. Dichte Hüllen würden zu heiß werden und verloren gehen, die Gravitation der kleinen Planeten könnte dies nicht verhindern. Anders die massereichen äußeren Planeten, die sehr viel Anziehungskraft haben und sehr kalt sind.

Wie lässt sich also die umgekehrte Anordnung bei TOI-178 erklären? Wäre es denkbar, dass die Gasplaneten zwar weiter draußen entstanden, aber später durch Bahnänderungen nach innen gewandert sind? Dieses Szenario ist laut Güdel unwahrscheinlich, denn die Resonanz des Systems, das bereits sieben Milliarden Jahre alt ist, spricht gegen solche turbulenten Ereignisse. Und wie die inneren Planeten ihre Gashülle halten können, wäre auch damit nicht geklärt.

Weitere Welten?

Antworten können nur neue Beobachtungen bringen. Im nächsten Schritt wollen die Forscher nach möglichen weiteren Planeten Ausschau halten, die weiter draußen ihre Bahnen ziehen könnten. "Den Berechnungen zufolge wäre die Suche in einer Umlaufbahn von 25 bis 45 Tagen am vielversprechendsten", so Güdel. Etwa bei 40 Tagen Umlaufzeit liege auch die habitable Zone des Sterns TOI-178, der etwa 0,65 Sonnenmassen hat. "Das System ist komplett anders als unseres und zeigt einmal mehr, dass unser Sonnensystem einfach eine mögliche Variante ist, aber nicht der Normalfall."

Aufschlussreich könnten auch Untersuchungen der Atmosphären der Exoplaneten sein. So ließe sich vielleicht klären, ob es sich um die ursprünglichen Gashüllen handelt, die von der protoplanetaren Scheibe stammen, oder ob sie durch Vulkanismus später neu gebildet wurden. "Die Zusammensetzung wäre interessant", sagt Güdel. Möglich werden könnten solche Charakterisierungen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop, das nach mehreren Verzögerungen im Oktober 2021 ins All starten soll. Der Astrophysiker ist an einem Instrument des Teleskops beteiligt. (David Rennert, 26.1.2021)