In Tirol mehren sich Berichte über Lockdown-Brecher.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Innsbruck – In Tirols Wintersport-Hochburgen scheint der Lockdown nur bedingt zu funktionieren. Im Zillertal, wo am Wochenende ein vom Skigebiet Hochfügen ausgehender Cluster bekannt wurde – dort hatten sich mindestens 16 Seilbahnmitarbeiter infiziert –, werden im Zuge der angeordneten Massentests immer mehr positive Fälle entdeckt: Stand Montagabend waren es 29 positive Ergebnisse. Der Cluster strahlt mittlerweile auch in ein Altenwohnheim in Münster aus, wo 18 Bewohner und Mitarbeiter positiv getestet wurden.

Die Behörden registrieren die Fälle mit großer Besorgnis, da die südafrikanische Virusmutation B.1.351 bei mindestens sieben Fällen im Zillertal, in Innsbruck-Land und Innsbruck nachgewiesen wurden. 21 weitere Verdachtsfälle werden noch abgeklärt. Die Mutante ist ansteckender, und es gibt Befürchtungen, dass die Impfung weniger Schutz dagegen bieten könnte, weshalb einige Hersteller bereits reagierten und die Vakzine anpassen wollen.

Deutsche Gäste im Zillertal

Bislang ungeklärt ist, wie die Virusmutation nach Tirol kam – wobei der offenbar trotz Lockdowns weiterlaufende Skitourismus eine Rolle spielen könnte. Im Zillertal räumten Bürgermeister wie auch Bezirkshauptmann ein, dass viele Besitzer eines Freizeitwohnsitzes die geltenden Reisebeschränkungen umgehen. Einheimische berichten in den Skigebieten von zahlreichen Tagesgästen mit deutschen Kennzeichen an den Autos.

Seitens des Landes heißt es dazu auf Nachfrage allerdings, dass im Zillertal seit Öffnung der Skilifte "proaktiv und teilweise mehrmals täglich" die Einhaltung der Corona-Maßnahmen kontrolliert werde. Dabei seien bisher "keine nennenswerten Übertretungen" festgestellt worden.

Briten und Skandinavier am Arlberg

Anders in St. Anton am Arlberg. Hier weist Bürgermeister Helmut Mall auf offensichtliche Lockdown-Brecher hin und beklagt, ihm fehle die Handhabe dagegen. Im Ort haben sich dutzende junge Skandinavier und Briten zum Skifahren und Partyfeiern einquartiert. "Hotelzimmer zu vermieten wäre nicht erlaubt. Aber es gibt leider ein paar Betriebe im Ort, die ihnen Unterkunft geben, indem sie dort einen Zweitwohnsitz anmelden und vorgeben, zur Arbeitssuche hier zu sein", erklärt der Bürgermeister die dreiste Praxis.

In Wahrheit sind die jungen Leute aber nur zum Feiern und Skifahren im Ort. "Denn Jobs gibt es ja im Moment gar keine", ärgert sich Mall über die schwarzen Schafe unter den Hoteliers, die dabei mitspielen. Als Bürgermeister fehle ihm die Handhabe dagegen, aber er setze auf Polizei und Bezirkshauptmannschaft, die das Treiben abstellen sollen. Mall hat kein Verständnis für diese Umgehung der Corona-Bestimmungen: "Der schwarze Peter bleibt wieder an uns hängen, obwohl sich die große Mehrheit an die Verordnungen hält."

Schließung der Lifte dennoch kein Thema

Der Bürgermeister hofft, dass diese Schlupflöcher, die den Partywütigen die Einreise und den Aufenthalt ermöglichen, durch Verordnungen rasch geschlossen werden. Er hat sich bereits über den Gemeinde-Newsletter an die Bevölkerung gewandt und dazu aufgerufen, solche Umgehungen nicht zu ermöglichen. Der Unmut unter den St. Antonern sei groß, sagt Mall.

Eine Schließung der Skilifte ist dennoch weder für die Tiroler Landes- noch für die Bundesregierung ein Thema. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bestätigte das im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) verwies, von der APA darauf angesprochen, auf "Umfragen", denen zufolge sich zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung für eine Öffnung der Skilifte aussprechen sollen.

Golfen in Südafrika

Im Zillertal sorgen indes Berichte über lokale Hoteliers, die den Lockdown über Weihnachten und Silvester nutzten, um in Südafrika Golfurlaub zu machen, für Gesprächsstoff. Laut bislang unbestätigten Berichten sollen einige von ihnen nach diesem Golfurlaub positiv auf Corona getestet worden sein. Es wird nun offenbar befürchtet, dass die südafrikanische Mutante auf diese Urlaubsrückkehrer zurückzuführen sein könnte.

Elmar Rizzoli, Leiter des Corona-Einsatzstabs, bestätigte der APA diesen Verdacht. Näheres könne er dazu aber noch nicht sagen. Die Behörden würden den Hinweisen derzeit nachgehen. Es sei "Gegenstand von Erhebungen", so Rizzoli. Laut Berichten dürften die Tiroler nach ihrer Rückkehr offenbar die Quarantäne nicht eingehalten und so die Infektionskette ausgelöst haben, heißt es dazu in der APA.

Aufruf zum Testen

Der Corona-Einsatzstab appellierte an die Bevölkerung im Bezirk Schwaz, am Screening mit PCR-Tests teilzunehmen. Morgen, Mittwoch, werden noch kostenlose PCR-Tests durchgeführt, um das Infektionsgeschehen im Bezirk "möglichst umfassend darzustellen und Infektionsketten rasch zu stoppen. Bis zum späten Dienstagnachmittag waren 3.700 Personen zum Massentestung angemeldet. 3.212 Tests wurden durchgeführt, für 43 lag im ein positives Testergebnis vor.

Die SPÖ forderte die Regierung unterdessen zum Handeln auf. "Während sich in ganz Österreich Millionen von Menschen seit Wochen an die Lockdown-Regeln halten, glauben offenbar manche, für sie gelten keine Regeln", kritisierte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. "Diese Mischung aus Arroganz und Ignoranz wird möglich gemacht durch ein politisches Versagen."

Virusmutationen im Raum München auf dem Vormarsch

Im Raum München breiten sich derzeit zwei neue Varianten des Virus aus: die zunächst in Großbritannien entdeckte Mutation B.1.1.7 und die in Südafrika entdeckte Mutation B.1.351. Darauf weist die "Apotheken-Umschau" hin, die aus Berichten des Münchner Labors Becker & Kollegen zitiert.

Das Labor hat zunächst Proben zwischen 28. Dezember und 7. Jänner untersucht und dabei nur in einer Probe die Mutation namens N501Y entdeckt, die für die beiden Mutationen charakteristisch ist. Das entsprach einem Anteil von 0,2 Prozent. Später wurden weitere Proben untersucht. Am 20. Jänner lag der Anteil der Mutationen bei 4,7 Prozent, am 21. Jänner bei 8,1 Prozent.

Merkel spricht von "Pulverfass"

Vor allem die britische Variante gilt als wesentlich ansteckender. Deren Auftauchen in Deutschland war auch einer der Gründe, warum Bund und Länder den Lockdown in Deutschland bis 14. Februar verlängert haben. In einer internen Bund-Länder-Schalte soll Kanzlerin Angela Merkel laut "Bild"-Zeitung die Mutationen als "Pulverfass" bezeichnet und über das Krisenmanagement in der Pandemie gesagt haben: "Uns ist das Ding entglitten."

Allerdings sind die Daten aus dem Münchner Labor mit Vorsicht zu betrachten, weil sie mit jeweils weniger als 200 positiven Proben nicht repräsentativ sind. Darauf weist das Labor selbst hin. Allerdings müsse man die Tendenz ernst nehmen.

Neue Testverfahren

Zudem wurde hier ein neues, schnelleres Verfahren angewandt, bei dem nur ein Teil des Erbguts untersucht wird – jene Stelle, an der der Aminosäureaustausch N501Y vorhanden ist, der für beide Varianten charakteristisch ist. Üblicherweise werden positive Corona-Proben sequenziert, also das gesamte Erbgut des Erregers wird gelesen. Das Labor weist darauf hin, dass die Proben auch von der Berliner Charité untersucht wurden, die Befunde seien identisch gewesen.

Eine wissenschaftliche Studie soll dazu erst veröffentlicht werden. Die Untersuchungen seien "interessant und hilfreich", heißt es im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Allerdings lägen zu wenig Stichproben vor, um "belastbare Aussagen" hinsichtlich der Ausbreitung zu treffen. In München liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 74 und damit niedriger als im Gesamtraum Deutschland mit 107,6. (Steffen Arora, Birgit Baumann, red, 26.1.2021)