Mit dem Aufkommen der Kinos hatten die Wiener Theater mit einer starken Konkurrenz zu kämpfen. Während einige Spielstätten mit der Zeit gehen wollten und zu "Lichtspielhäusern" umgebaut wurden, rechnete sich für andere der Spielbetrieb nicht mehr – sie mussten schließen. Das einst beliebte Carl-Theater zählte zu den ersten Opfern, zur Zeit des Wiener Theatersterbens in den 1950er- und 1960er-Jahren gesellten sich die Scala, das Bürger- und das Stadttheater dazu. Was sich in erster Linie als ein Verlust im kulturellen Leben Wiens bemerkbar machte, verursachte auch schmerzhafte Veränderungen im Stadtbild.

Carl-Theater (2. Bezirk, Praterstraße 31)

Fotos: 1938 ÖNB/Holluber (www.bildarchiv.at), 2019 Alexander Fried

Das Carl-Theater eröffnete 1847 als Nachfolgebau des Leopoldstädter Theaters in der Praterstraße. Die Architekten des Theaters waren Sicardsburg und van der Nüll, die späteren Erbauer der Staatsoper. An diesem Theater wurden viele Stücke Nestroys uraufgeführt. Er selbst war zwischen 1854 und 1860 als Darsteller und Direktor am Theater tätig. Aufgrund der Tatsache, dass hier vorwiegend heitere Theaterstücke gespielt wurden, soll die Wiener Redewendung "sich einen Karl machen" entstanden sein.

Im 20. Jahrhundert geriet das Theater in finanzielle Schwierigkeiten und musste 1929 schließen. Bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg wurde der Zuschauerraum zerstört, das schwer beschädigte Gebäude wurde in weiterer Folge 1951 abgerissen. Heute befindet sich an dieser Stelle der Galaxy-Tower.

Das gegenüber stehende Nestroy-Denkmal hätte eigentlich im Krieg eingeschmolzen werden sollen, geriet in Vergessenheit und wurde in einer Metallfabrik in Erdberg wiederentdeckt. Die folgenden drei Jahrzehnte stand es vor dem Reinhardt-Seminar in Penzing und kehrte 1983 wieder in den 2. Bezirk zurück. Heute steht es vor dem Haus Praterstraße 17.

Johann-Strauß-Theater (4. Bezirk, Favoritenstraße 8)

Fotos: 1910 ÖNB (www.onb.digital), 2019 Alexander Fried

Das Johann-Strauß-Theater (1908 eröffnet) hatte ein Fassungsvermögen von 1.200 Personen. Hier wurde unter anderem die "Csárdásfürstin" von Emmerich Kalman uraufgeführt.

Einen ersten Tiefschlag musste das Theater in den 1930er-Jahren erleben. Der Tonfilm war im Vormarsch und brachte das Theater in finanzielle Schwierigkeiten. Die Betreiber wandelten somit das Theater in ein Kino namens Scala um.

Scala (4. Bezirk, Favoritenstraße 8)

Fotos: 1944 ÖNB (www.onb.digital), 2019 Alexander Fried

Mit dem Umbau des Johann-Strauß-Theaters zum Großkino bekam die Wieden einen Filmpalast, der zur damaligen Zeit technisch "alle Stückln" spielte: Auf einer 42 Quadratmeter großen Leinwand wurden bereits seit der Eröffnung Tonfilme abgespielt.

Es folgten wechselhafte Jahre: 1933 wurde das Kino bereits wieder geschlossen und bis 1938 wieder Theatervorstellungen aufgeführt – der Name "Scala" blieb allerdings erhalten.

Während der nationalsozialistischen Diktatur diente das Gebäude wieder als Kino, in dem Unterhaltungs- und Propagandafilme der Ufa gezeigt wurden. In dieser Zeit entstand auch das abgebildete Foto und zeigt die Scala bereits mit geglätteter Fassade.

Der Kinobetrieb wurde nach Ende des Krieges zunächst beibehalten, ab 1948 wurde hier allerdings wieder Theater gespielt. Durch die Lage in der sowjetischen Besatzungszone stand das Theater unter Einfluss der KPÖ.

Hier wurden neben Klassikern auch Stücke des ansonsten boykottierten Bertolt Brecht aufgeführt. Der Spielbetrieb wurde schließlich 1956 eingestellt und das Theater schlussendlich 1959/60 abgerissen.

Apollo (6. Bezirk, Gumpendorfer Straße 63)

Fotos: 1900 Bezirksmuseum Mariahilf, 2011 Alexander Fried

Auch in Mariahilf verdrängte das immer populärer werdende Kino das Theater: Im Gebäude des Apollo-Theaters wurden ab 1929 Stummfilme gezeigt und kurze Zeit später bereits Tonfilme.

Eröffnet wurde das Apollo 1904 auf dem Grundstück des ehemaligen Palais Kaunitz in der Gumpendorfer Straße. Es wurde rasch zu einem der beliebtesten Variététheater Wiens. Mit dem Ende des Erste Weltkriegs begann allerdings der Niedergang – es konnten kaum mehr internationale Künstler engagiert werden. Nach turbulenten wirtschaftlichen Jahren folgte 1928 der Verkauf an die städtische Kiba (Kinobetriebsanstalt), die das Apollo zum Kino umbaute und bis 1999 betrieb.

Stadttheater (8. Bezirk, Skodagasse 20)

Fotos: 1960 ÖNB (www.onb.digital), 2015 Alexander Fried

Der markante Jugendstilbau in der Josefstadt wurde 1914 eröffnet und befand sich an der Kreuzung Skodagasse/Laudongasse. Nach 1918 diente das Stadttheater als Operettentheater. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Theater von der amerikanischen Besatzungsmacht in "Rex-Theater" umbenannt, nach 1955 fand das Gebäude als Fernsehstudio Verwendung, bis es schließlich 1961 abgerissen wurde. An seiner Stelle wurde 1969 das Haus des Buches, die städtische Hauptbücherei, eröffnet, die in den 90er-Jahren an den Gürtel übersiedelte. Heute befindet sich hier die Zentrale der Musikschulen.

Bürgertheater (3. Bezirk, Vordere Zollamtsstraße 13)

Fotos: 1906 ÖNB/AKON (akon.onb.ac.at), 2020 Alexander Fried

Das Bürgertheater bestand von 1904 bis 1960. Wurden hier zunächst nur Sprechstücke aufgeführt, kam es ab 1910 zu einer Umwandlung in ein Operettentheater. Ab 1926 war hier unter anderen Fritz Grünbaum tätig. In den Kriegsjahren hatte das Theater zumeist geschlossen, erst ab 1942 fanden wieder regelmäßig Aufführungen statt. Ab 1945 wurde das Bürgertheater zur Außenstelle des Theaters in der Josefstadt, ehe der Theaterbetrieb 1953 eingestellt wurde. Die folgenden Jahre diente das Gebäude als Studio für den Sender Rot-Weiß-Rot, den Radiosender der amerikanischen Besatzer.

Heute befindet sich übrigens an dieser Adresse die Redaktion des STANDARD.

Ringtheater (1. Bezirk, Schottenring 7)

Foto: 1875 ÖNB/Stauda (onb.digital), 2018 Alexander Fried

Dort, wo sich heute die Polizeidirektion befindet, stand einst das Ringtheater. Die Brandkatastrophe von 1881, bei der mehrere hundert Personen ums Leben kamen, zerstörte das Gebäude. An der Stelle der Ringtheaters ließ Kaiser Franz Joseph das Sühnhaus errichten, das in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ebenfalls zerstört wurde.

Altes Burgtheater (1. Bezirk, Michaelerplatz)

Fotos: 1885 ÖNB (onb.digital), 2015 Alexander Fried

Zwar nicht geschlossen, sondern nur übersiedelt, aber dennoch auch in diesem Beitrag eine Erwähnung wert: Bis 1888 befand sich das Burgtheater am Michaelerplatz, ehe es als Prachtbau am Ring neu eröffnete. Das Theater hatte damals einen eigenen Zugang aus der benachbarten Hofburg, sodass die kaiserliche Familie direkt in ihre Loge gelangen konnte. Kaiser Joseph II. veranlasste außerdem, dass keine traurigen Stücke gespielt werden durften, damit die Stimmung nicht getrübt wird. Einige Stücke mussten somit abgewandelt werden, um "burgtheatertauglich" zu werden, und bekamen ein Happy End. Der Standort am Michaelerplatz musste schließlich der Komplettierung des Michaelertrakts weichen. (Alexander Fried, 29.1.2021)