Die Kulturbranche leidet am meisten unter der Corona-Pandemie.

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Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass es die Kulturbranche in der Covid-Krise ungleich härter trifft als andere Wirtschaftssektoren. Zwar hat es etwas gedauert, bis die Dimension der langen Wertschöpfungskette auch der Politik bewusst wurde, mittlerweile laufen aber zahlreiche Unterstützungsprogramme. Die Branche sorgt sich dennoch bereits um die Zeit nach einer allfälligen Durchimpfung. Wird das Geschäft wieder anspringen?

Ein Grund, warum der Kreativsektor als nicht so relevant wahrgenommen wird, ist, dass in der öffentlichen Debatte bislang kaum mit wirtschaftlichen Kennzahlen über ihn gesprochen wurde. Das soll nun eine umfassende Studie des Beratungsunternehmens EY ändern. In Auftrag gegeben wurde sie von den 32 europäischen Verwertungsgesellschaften, die etwa für die Ausschüttung von Tantiemen an Künstler zuständig sind.

Durchgeführt wurde die Studie in allen 27 EU-Ländern plus Großbritannien. Das verheerende Ergebnis: Der Branche entgingen im Pandemiejahr 2020 199 Milliarden Euro an Einnahmen, was einen Rückgang um 31 Prozent zum Jahr davor bedeutet. Damit wurde der Kreativsektor härter getroffen als etwa der Tourismus (minus 27 Prozent) oder die Automobilindustrie (minus 25 Prozent).

Live-Geschäft leidet am meisten

Am größten fielen die Rückgänge in der Sparte darstellende Kunst aus: also Theater oder Oper mit minus 90 Prozent (37 Milliarden Euro) sowie Musik mit minus 76 Prozent (18 Milliarden Euro). Die bildende Kunst musste einen Umsatzeinbruch von 38 Prozent respektive 53 Milliarden Euro verkraften. Einzig die Videospielindustrie konnte ein leichtes Plus von neun Prozent bzw. zwei Milliarden Euro verbuchen. Der Gesamtumsatz der Kreativwirtschaft brach EY zufolge von 643 Milliarden im Jahr 2019 auf 444 Milliarden Euro ein.

Im Ländervergleich zeigt sich, dass osteuropäische Staaten am stärksten betroffen sind sowie Länder, in denen das Livemusikgeschäft ein wichtiger Faktor ist, darunter auch Österreich.

Ebenso wichtig wie die Erhebung der Verluste ist aber die zahlenmäßige Aufschlüsselung der Branche vor der Krise, die zeigt, dass der im postindustriellen Europa stetig gewachsene Kreativsektor von Politik und Öffentlichkeit chronisch unterschätzt wird.

Hinzugezählt haben die Studienautoren neben klassischen Kultureinrichtungen wie Theatern, Museen oder Kinos auch die Medienbranche, weggelassen wurden die Design- und Modeindustrie. EY zufolge arbeiteten im Kreativsektor vor der Krise 7,6 Millionen Menschen. Das sind dreimal mehr als in der Automobilbranche und annähernd so viele wie im Tourismus (10,7 Millionen).

Diese Kreativbranche erreichte zuletzt eine Wertschöpfung von 253 Milliarden Euro und machte damit 4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU aus. Kurz: Sie sei "ein europäisches Schwergewicht", wie die Studienautoren betonen.

Publikum könnte zögern

Interessant ist auch eine Umfrage, die EY durchgeführt hat, bei der die Bereitschaft der Bevölkerung erhoben wurde, wieder verschiedenen Tätigkeiten nachzugehen. So gaben fast 80 Prozent an, dass sie sich nach Tagen bzw. Wochen wieder beim Einkaufen wohlfühlen würden, während dies für einen Theater- oder Kinobesuch nur bei knapp 32 Prozent der Fall wäre. 46 Prozent sehen das erst wieder in Monaten gegeben. Noch zurückhaltender fielen die Antworten bei Konzerten oder ähnlichen Events aus.

Ein alarmierendes Ergebnis, das die Studienautoren zur Empfehlung bringt, die Kulturbranche auch nach der Krise mit öffentlichen und privaten Mitteln zu stützen und aus der Misere "hinauszuinvestieren".

Gernot Graninger ist der Chef der größten heimischen Verwertungsgesellschaft AKM; er zeichnet ein düsteres Bild: "Wir rechnen mit drei bis vier Jahren, bis wir wieder auf das Niveau von 2019 kommen. Großkonzerte in Stadien wird es wohl länger nicht gehen. Wir hoffen aber sehr, dass im zweiten Halbjahr 2021 etwas passieren kann." An die Politik appellierte er, beim Verlustausgleich auf "Spezifika der Branchen" Rücksicht zu nehmen. (Stefan Weiss, 26.1.2020)