Verrückt, dieser Sex. Und vor allem bedrohlich, wenn er nicht kontrolliert wird, wie es etwa die Kirche perfektioniert hat.

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Welche Rechte verliert eine privilegierte Gruppe, wenn diese Rechte nicht mehr nur für sie, sondern für alle gelten? Natürlich keine. Das Einzige, was diese Gruppe verliert, ist eine willkürliche Vormachtstellung, die längst passé sein sollte. Doch Vormacht, Herrschaft und Privilegien gibt kaum jemand freiwillig und gern her, schon klar. Trotzdem ist es einigermaßen dreist, darauf derart offen zu bestehen wie jüngst Vertreter der katholischen Kirche.

Der neue US-Präsidenten Joe Biden unterzeichnete schon wenige Stunden nach seinem Amtsantritt einen Erlass "zur Verhütung und Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung". Biden trug mit der Unterzeichnung des Erlasses dem Supreme-Court-Verfahren Bostock v. Clayton County Rechnung, das lesbischen, schwulen, trans- und bisexuellen sowie sexuell anders orientierten Arbeitnehmer*innen vollen Schutz vor Diskriminierung zugesprochen hatte. Mehr als diese gleichstellungspolitische Selbstverständlichkeit braucht es offenbar nicht, um römisch-katholischen Bischöfe nervös zu machen.

Man wird wohl noch diskriminieren dürfen

So fürchteten die Bischöfe doch, dass ein solcher Erlass es für die katholische Kirche schwerer machen könnte, als Arbeitgeber nach "ihren religiösen Überzeugungen verfahren" zu können. Anders ausgedrückt: Die Kirche will sich das Recht vorbehalten, jemanden aufgrund seiner sexuellen Orientierung rauszuschmeißen oder sonst wie diskriminieren zu dürfen.

Damit nicht genug: Die Würdenträger meinen auch, der von Biden unterzeichnete Erlass verletze die Rechte jener, die an "die Unterschiede zwischen den Geschlechtern glauben" oder "die Institution einer lebenslangen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau aufrechterhalten". Warum? Wenn zum Beispiel eine lesbische Frau an ihrem Arbeitsplatz vor Diskriminierung geschützt wird, kann eine Kollegin doch bitte schön weiterhin daran glauben, dass Frauen von der Venus kommen, Männer vom Mars und letztere besser einparken können. Soll doch daran glauben, wer will. Nur: Zu Diskriminierung dürfen solche Ideen von "Mann" und "Frau" in ihren angeblichen Seinsweisen nicht führen –genau das war allerdings für Ewigkeiten der Fall und ist es immer noch. Die häufige Rede von der Abschaffung der Geschlechterunterschiede blendet diesen springenden Punkt an diesen "Unterschieden" gerne aus.

Herbeifantasierte Bedrohung

Das und diese herbeifantasierte Bedrohung durch Sexualitäten, die nicht hetero sind, bedient uralte Bilder, die in etwa so aussehen: Eine Lesbe müsste eine verheiratete heterosexuelle Frau nur anschauen, schon würde sie ihr Leben und ihren Sex über den Haufen werfen. Was könnte besser die Panik vor einer Sexualität abbilden, die nicht unter der Kontrolle eines Männervereins steht, als diese jüngsten Aussagen?

Aber was soll man schon von einer Bischofskonferenz erwarten? So könnte man einwenden. Wenn man allerdings junge Burschen und auch Mädchen dabei beobachtet, wie sie mit dem Wort "schwul" heute noch umgehen, wie sie es als Inbegriff für Ekel und für die Abwertung von Frauen verwenden, als Instrument für Beschimpfung nutzen. Und wenn wir an die täglichen weltweiten Diskriminierungen denken, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Mietmarkt, bei der Möglichkeit, eine Familie zu gründen, dann kann man Aussagen wie die jüngsten von Bischöfen in aller Öffentlichkeit gar nicht genug kritisieren. (Beate Hausbichler, 26.1.2021)