Nicht nur die Produktentwicklung wird von VR-Technologien unterstützt. Ihr Einsatz umfasst die gesamte Wertschöpfungskette.

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Ein großer Autobahnunfall mit mehreren Verletzten: Die ersten professionellen Helfer vor Ort müssen zwischenzeitlich auch die Rolle des Einsatzleiters übernehmen. Zusätzlich zum medizinischen Wissen sind organisatorische Fähigkeiten verlangt. Trainiert werden diese Aufgaben heute vor allem in großangelegten Übungen und Planspielen.

Künftig könnte das anders aussehen, wie eine Virtual-Reality-Anwendung des Roten Kreuzes zeigt, mit der Rettungskräfte Trainingsszenarien durchspielen können. Es soll erprobt werden, ob mit der Virtual-Reality-Brille, die die Rettungskräfte mitten in eine Szene versetzt, eine ähnliche Lernerfahrung geschaffen werden kann wie bei den Übungen.

Vernetzen und voneinander lernen

Entwicklung und Umsetzung von derartigen Anwendungsbeispielen von Virtual und Augmented Reality wurden in den vergangenen Jahren im Rahmen des Projekts Mixed Reality Based Collaboration for Industry (MRBC4i) begleitet und vor den Vorhang geholt. Mehr als 20 Unternehmen aus verschiedenen Bereichen der Industrie, der Digitalisierung, der Logistik, aber auch eine NGO wie das Rote Kreuz arbeiteten mit Forschenden zusammen, um die Hürden bei der Adaption der neuen Technologien, seien sie technischer, organisatorischer oder psychologischer Natur, zu untersuchen und zu reduzieren.

Gleichzeitig wurde nach Strategien gesucht, wie sich der wirtschaftliche Aufwand reduzieren lässt, und welcher konkrete Nutzen sich in den Use Cases erzielen lässt. Den Unternehmen wurde bei der Entwicklung ihrer Anwendungen Gelegenheit gegeben, sich zu vernetzen und voneinander zu lernen.

Virtuelle Schulungen und Vertrieb

Die Gesamtleitung des Projekts, das von der Förderagentur FFG über die Schiene Collective Research mit Mitteln von Wirtschafts- und Klimaschutzministerium unterstützt wurde, lag bei der niederösterreichische Wirtschaftsagentur Ecoplus. Neben der TU Wien, den FHs St. Pölten und Oberösterreich und dem Wiener Neustädter Forschungsunternehmen Fotec ist auch die IMC-Fachhochschule Krems mit an Bord, wo Gerhard J. Kormann-Hainzl, Professor für International & Digital Business, das Projekt begleitet.

"Die Zeit ist gekommen, in der die Unternehmen Virtual und Augmented Reality ernst nehmen. Sie werden mehr und mehr Teil der Geschäftsmodelle", resümiert der FH-Professor. Aus seiner Sicht finden die Technologien in Bereichen wie Schulung, in Entwicklung, Produktion und Wartung technischer Systeme sowie im Vertrieb ihre Hauptanwendungsfelder. "Die Unternehmen nutzen die Technologien heute entlang der gesamten Wertschöpfungskette."

Rückenwind für Fernwartung

Gerade in der Nutzung von Virtual-Reality-Techniken – mit Brillen, die ihre Träger in eine künstliche Welt versetzen – gebe es in den Industrieunternehmen zum Teil schon lange Erfahrung. "Hier gibt es bereits eine hohe Akzeptanz.

In der Schulung werden die VR-Brillen etwa sehr bewusst eingesetzt – zum Beispiel in der Lehrlingsausbildung", sagt Kormann-Hainzl. "Mitarbeitern wird damit eine Lernmöglichkeit gegeben, die auch unabhängig von Sprache funktioniert." Arbeitnehmer, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, können so abgeholt werden.

Im Bereich der Augmented Reality gibt es verschiedene Ausprägungen mit noch unterschiedlichen Reichweiten in der Praxis. Während einschlägige Brillen, die die Sicht mit digitalen Inhalten überlagern, noch auf Hindernisse in der Praxis stoßen, profitiert jene Variante, bei der das Kamerabild eines Tablets oder eines Smartphones mit Zusatzinhalten überlagert wird, von der Verbreitung und intuitiven Bedienbarkeit der Geräte.

Als typisches Anwendungsgebiet sieht Kormann-Hainzl etwa Wartungsarbeiten, bei denen ein Mitarbeiter Maschinen inspiziert und, wenn notwendig, virtuelle, direkt an den Anlagen verortete Anmerkungen hinterlässt. Gerade die Corona-Zeit mit den einhergehenden Reisebeschränkungen hätte auch Fernwartungskonzepten Rückenwind verliehen.

Zeit effizient nutzen

Doch auch ohne Pandemie sollten die Experten ihre Zeit effizienter einsetzen und die Technologie als Vermittler nutzen können, anstatt selbst vor Ort sein zu müssen. Kormann-Hainzl: "Der aus der Ferne arbeitende Experte hat dabei vielleicht ein Kamerabild vor sich, in dem er Markierungen oder andere visuelle Information anbringt. Gleichzeitig leitet er dem Arbeiter vor Ort in mündlicher Kommunikation an, die simultan übersetzt wird." (Alois Pumhösel, 29.1.2021)