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Bei Google sucht man nach neuen Konzepten für Werbung im Web, die mehr Bedacht auf die Privatsphäre legen.

Foto: Ng Han Guan / AP

Als Browser-Cookies ersonnen wurden, war die Internetwelt noch wesentlich naiver. Was einst dazu gedacht war, den Nutzern individuelle Dienste und Anpassungen zu ermöglichen, hat sich über die Jahre zur Grundlage für ein umfassendes Überwachungssystem entwickelt. Der Umfang, in dem hier Daten über das Surfverhalten einzelner Nutzer mit Werbenetzwerken und Analyse-Tools geteilt werden, ist längst komplett unüberschaubar geworden. Daran ändert auch die Datenschutzgrundverordnung nur wenig.

Blockade

Parallel dazu hat sich aber auch eine wachsende Gegenbewegung entwickelt. Mithilfe von Anti-Tracking-Tools versuchen sich immer mehr Nutzer vor den gröbsten Auswüchsen dieses Überwachungssystems zu schützen. Gleichzeitig haben die meisten Browserhersteller entsprechende Tools direkt in ihre Produkte integriert, was auch bedeutet, dass viele Tracker bereits von Haus aus blockiert werden.

Eine Ausnahme bildet dabei Google, das mit Chrome den weltweit klar dominierenden Browser anbietet – gleichzeitig aber auch selbst eines der größten Werbenetzwerke betreibt. Doch selbst dort hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass es so nicht weitergehen kann. Entsprechend hat man bereits im Vorjahr kommuniziert, dass auch Chrome künftig jene Third-Party-Cookies blocken soll, die bislang die wichtigste Basis für das Tracking einzelner Nutzer bilden. Zudem will man aber auch gegen andere Formen zur Erstellung eines "digitalen Fingerabdrucks" vorgehen, die mittlerweile von manchen Trackern statt Cookies zum Einsatz kommen.

Relevanz von Werbung

Gleichzeitig betont Google, dass Werbung essenziell für das offene Web ist – immerhin stellt sie die ökonomische Grundlage für viele Dienste dar. Ohne Werbeeinschaltungen wären diese entweder kostenpflichtig und damit auch für viele nicht zugänglich – oder würden gleich gar nicht existieren. Also will man parallel zu all dem auch neue Formen der personalisierten Werbung entwickeln, die ohne solch invasives Nutzer-Tracking auskommen.

Ganz auf Privacy ausgerichtet?

"Privatsphäre zuerst" soll künftig das Motto für Werbung im Internet sein, verkündet Google in einem aktuellen Blogeintrag. Unter dem Namen "Federated Learning of Cohorts" (FLoC) habe man ein System entwickelt, dass es Werbetreibenden erlaube, den Nutzern auf sie zugeschnittene Werbung anzuzeigen, ohne ihre Privatsphäre damit zu beeinträchtigen. Die eigenen Tests würden zeigen, dass man auf die Art eine ähnliche "Conversion-Rate" pro Werbedollar (95 Prozent) erreicht, wie sie bisher von Cookie-basierter, individualisierter Werbung bekannt ist.

Das Grundprinzip dahinter ist nicht ganz neu: Mittels "Federated Learning" sorgen Apple und Google bei einigen ihrer Produkte dafür, dass diese laufend dazulernen können, ohne dass die Daten auf einzelne Nutzer rückführbar sind. Dabei werden die konkreten Daten üblicherweise in mehreren Stufen anonymisiert und in Gruppen zusammengefasst. Mithilfe von Maschinenlernen sollen dann auch bei FloC Interessen-Cluster gebildet werden, bei denen der Werber nie sieht, wer jetzt konkret dahintersteckt. Der Webverlauf bleibt ausschließlich lokal im Browser, anstatt dauernd von allerlei Werbenetzwerken erfasst zu werden – so die Idee. Für alle, die mehr über die konkrete Implementation wissen wollen, hat das Unternehmen ein passendes Whitepaper veröffentlicht.

Ein Puzzlestück

Die ersten Tests mit FLoC sollen schon bald beginnen. Die Basistechnologie soll bereits in der kommenden Version von Chrome landen, ab dem zweiten Quartal will man das System auch mit Kunden von Google Ads testen. FloC versteht sich dabei nur als ein Teil dessen, was Google als "Privacy-Sandbox" bezeichnet und zu der auch noch andere Maßnahmen gehören. So soll es ab Chrome 90 eine zentrale Einstellung dafür geben, ob die Nutzer überhaupt angepasste Werbung haben wollen oder nicht. Zudem kann es auch noch sein, dass FLoC sich in den Tests nicht als tauglich erweist oder Google eine bessere Alternative findet – immerhin sind derzeit intern mehrere Konzepte, die alle in diese Richtung gehen, in Entwicklung.

Bis das alles vollumfänglich greift, wird es hingegen noch einige Zeit brauchen – immerhin müssen sich dann auch Webseitenbetreiber umstellen. Eine Frist für das Abschalten von Third-Party-Cookies hat Google ebenfalls noch nicht genannt – und erst dann kann so ein System überhaupt voll greifen. Und natürlich hofft man, dass sich noch andere Browserhersteller der Initiative anschließen. Deren Interesse scheint bisher aber enden wollend zu sein.

Wozu das alles?

Das mag auch daran liegen, dass viele eine andere Sicht auf die Dinge haben. So werfen Privacy-Verfechter immer wieder die Frage auf, ob es überhaupt personalisierte Werbung braucht. Bei Google und der Werbebranche liefert man immer wieder Zahlen, mit denen man einen Unterschied bei der Effektivität – und damit den Einnahmen – zu argumentieren versucht, diese sind aber längst nicht unumstritten.

Interessant ist das Engagement von Google zusätzlich noch aus einem Grund: So würden von Dingen wie FLoC doch überdurchschnittlich andere Werbenetzwerke profitieren. Denn für Googles selbst ist die Blockade von Trackern unterschiedlichster Provenienz noch das geringste Problem: Hat man doch über die eigenen Webdienste schon direkt viele Daten zu den Nutzern zur Verfügung. Für andere Werbenetzwerke ist die zunehmende Tracker-Blockade hingegen tatsächlich existenzbedrohend, da es den Wettbewerbsvorteil von Google nur verstärken würde.

Das wiederum führt zu der etwas absurden Situation, dass die angekündigten Privacy-Verbesserungen in Chrome – konkret das Blockieren von Third-Party-Cookies – bereits sowohl Konkurrenten als auch so manche Kartellbehörden auf den Plan gerufen haben. Ob Google diese mit Vorschlägen wie FLoC für sich gewinnen kann, wird also für die weitere Entwicklung – und damit auch die Zukunft des Webs – eine entscheidende Rolle spielen. (Andreas Proschofsky, 26.1.2021)