Trotz Sicherheitsmaßnahmen wird die Öffnung der Skigebiete hinterfragt.

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Innsbruck – Angesichts anhaltender Probleme mit der Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Skisport nimmt die politische Diskussion darüber Fahrt auf. Am Dienstag legte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried auf Bundesebene vor und forderte die Regierung zum Handeln auf: "Während sich in ganz Österreich Millionen von Menschen seit Wochen an die Lockdown-Regeln halten, glauben offenbar manche, für sie gelten keine Regeln. Diese Mischung aus Arroganz und Ignoranz wird möglich gemacht durch ein politisches Versagen."

Die ebenso geharnischte Antwort aus Tirol ließ nicht lange auf sich warten. Der dortige VP-Landtagsklubobmann Jakob Wolf rückte zur Ehrenrettung des Skisports aus: "Schön langsam gleitet die Debatte rund ums Skifahren ins Absurde ab. Vor allem die Wiener Polit-Blase, die keine Ahnung hat, wie es auf den Tiroler Skipisten wirklich ausschaut, übt sich in völlig undifferenzierter Pauschalkritik." Fakt sei nämlich, so Wolf, "dass alle Skigebiete umfassende Sicherheits- und Hygienekonzepte anwenden und sehr genau darauf achten, dass alle Bestimmungen eingehalten werden". Laut Wolf gibt es "keinen einzigen Cluster, der auf das Skifahren zurückzuführen ist". Die SPÖ solle aufhören, den Skisport madig zu machen, und sich besser um "volle U-Bahnen und überfüllte Eislaufplätze" in Wien kümmern.

Platter lehnt Schließung ab

Schon zuvor hatte am Dienstag Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) versichert, dass die Skilifte offen bleiben, denn "die Menschen wollen raus und Sport betreiben". Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) stieß am Mittwochmorgen gegenüber Ö1 ins selbe Horn. Eine Schließung der Skigebiete lehnte er strikt ab: "Beim Skifahren steckt sich niemand an." Die Öffnung von Schulen und Handel müsse zumindest "ernsthaft diskutiert" werden.

Platter forderte außerdem ein Nachschärfen der Verordnungen, um Schlupflöcher wie jenes, über das Skitouristen als Arbeitssuchende in St. Anton am Arlberg Zweitwohnsitze anmelden konnten, zu schließen. Und er kündigte Schwerpunktkontrollen der Tiroler Polizei bei der Einreise ins Land an. Bisher, so eine Auskunft des Landes, wurden von der Exekutive trotz "permanenter Kontrollen" in den Skigebieten weder im Zillertal noch in St. Anton Verstöße gegen die geltenden Verordnungen festgestellt. Das Gesundheitsministerium kündigte am Mittwoch eine "Präzisierung" der Einreiseverordnung an.

Wie der Kurier berichtet, zeichnet sich im salzburgerischen Bad Gastein bereits eine ähnliche Situation wie in St. Anton ab. Täglich melden demnach mehrere ausländische Staatsbürger, vor allem aus Schweden, einen Zweitwohnsitz in der Gemeinde an. Offenbar in erster Linie, um trotz Lockdown Skifahren zu können.

Tiroler Grüne wollen "offen diskutieren"

Für Gebi Mair, Klubobmann der Tiroler Grünen und somit Koalitionspartner der regierenden VP, ist das Nichtentdecken von Verstößen bemerkenswert: "Wer keine gesehen hat, hat eventuell nicht genau geschaut." Für Mair ist die Öffnung der Skilifte "ohne Denkverbote und ohne Tabus" zu diskutieren. Basis dafür sollten Daten zu Infektionszahlen unter Skifahrern sein. Doch genau daran hapere es, so Mair: "Beim Contact-Tracing muss noch sehr viel getan werden, um hier Klarheit zu erhalten."

Insgesamt sei die Öffnung von Skigebieten während des Lockdowns aber ein "bedenkliches Signal", sagt der grüne Klubobmann. Angesichts der Vorkommnisse in Jochberg, im Zillertal und am Arlberg werde "die Luft fürs Skifahren dünner".

Neos: Nicht Skifahren, sondern Drumherum das Problem

Weniger das Skifahren selbst als das Drumherum sieht der Neos-Tirol-Chef Dominik Oberhofer als Problem: "Wenn wir die Skigebiete schließen, ändert das nichts am Infektionsgeschehen." Vielmehr sei dann zu befürchten, dass sich Freizeitsportler auf nichtpräparierten Pisten austoben und dabei die Verletzungsgefahr steigt. Die Missstände liegen für den Neos-Politiker bei den Begleiterscheinungen des Skifahrens. Hier müssten die Behörden genauer hinsehen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass einem das nicht auffällt, wenn man wirklich kontrollieren wollen würden."

Oberhofer verweist etwa auf das Arbeitsmarktservice (AMS) im Bezirk Landeck: "Im Bezirk mit der aktuell höchsten Arbeitslosigkeit Österreichs fällt es niemandem auf, dass sich im Lockdown Briten und Skandinavier zur Jobsuche im Tourismus anmelden, um legal im Land bleiben zu können?" In sozialen Netzwerken kursieren regelrechte Anleitungen, sagt Oberhofer, wie man die geltenden Einreisebestimmungen umgeht und welche Dokumente und Anträge es braucht, um sich als offiziell arbeitssuchend im Land aufzuhalten. Hier seien die Behörden gefordert, sagt der Neos-Politiker.

SPÖ-Chef Dornauer: "Am Ende werden alle schließen"

Tirols SPÖ-Vorsitzender Georg Dornauer ist überzeugt, dass "es am Ende dieser Diskussion zu einer Schließung aller Skigebiete kommt". Andernfalls könne man gegenüber der Bevölkerung nicht mehr begründen, dass diese sich weiter an alle anderen Corona-Maßnahmen zu halten habe. Für Dornauer war es "ein Fehler, die Pisten zu öffnen". Das habe er auch in einer Videokonferenz mit Landeshauptmann Platter und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) zuletzt so angesprochen: "Denn das tut dem Land nicht gut. Man muss sich eingestehen, dass hier ein enormer Schaden passiert." (ars, 27.1.2021)