Die Sperre von Donald Trumps Social-Media-Accounts hat einmal mehr verdeutlicht, über welch großen Einfluss die globalen Internetplattformen mittlerweile verfügen. Anbieter wie Facebook, Amazon, Youtube und Tiktok haben im vergangenen Jahrzehnt die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen so sehr geprägt, dass mitunter bereits von einer Plattformgesellschaft gesprochen wird. Die Plattformen betreiben wichtige Informationsinfrastrukturen, sie kuratieren, moderieren und sperren Inhalte und Accounts und agieren so als Regulatoren gesellschaftlicher Kommunikation. Sie entwickeln dafür ihre eigenen Regeln, entscheiden als private Unternehmen darüber, was veröffentlicht wird, und treffen damit laufend grundrechtsrelevante Abwägungen.

Dieser Einfluss der Plattformen und intransparente Inhaltsregulierung durch Algorithmen führen zu Befürchtungen, dass auch demokratische Öffentlichkeit und Meinungsbildung manipuliert und verzerrt werden könnten. Außerdem werden Plattformmärkte oft von einzelnen Dienstanbietern dominiert, denen vorgeworfen wird, ihre marktbeherrschenden Stellungen auszunutzen, um Konkurrenten und Kunden zu benachteiligen. Im globalen Wettbewerb sind bislang Anbieter und Dienste aus den USA und China führend – und Europa droht den Anschluss zu verlieren.

Auf der interdisziplinäre Onlinetagung "Internet-Plattformen für Europa: Digitale Dominanz und digitale Souveränität als Herausforderung für Politik und Regulierung" diskutierten Mitte Jänner 14 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, wie sich die Plattformmärkte aktuell entwickeln, welche Risiken von der digitalen Dominanz einzelner Anbieter ausgehen und welche regulatorischen Reaktionen sich für Europa anbieten, um fairen Wettbewerb und digitale Souveränität sicherzustellen. Organisiert wurde die zweitägige Veranstaltung vom Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien und vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Klagenfurt.

Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Um die Risiken devianter Kommunikation über Internetplattformen für die Öffentlichkeit und die Demokratie zu verdeutlichen, hilft ein Blick auf aktuelle Befunde der Medien- und Kommunikationsforschung. Lena Frischlich (Universität Münster) differenzierte in ihrem Vortrag unterschiedliche Problembereiche wie Onlinepropaganda, politische Desinformation, Verschwörungstheorien und Hassrede – und zeigte, wie diese zu gesellschaftlicher Polarisierung und inzivilem Verhalten führen können. Die Notwendigkeit regulierender Eingriffe ist angesichts dessen kaum zu bestreiten, sie zwingt die Plattformen jedoch vielfach zur Abwägung zwischen Grundrechten wie Meinungsfreiheit, Menschenwürde und Persönlichkeitsschutz. Darüber hinaus, so folgerte auch Andree Thieltges (TU München), sei auch die Wirksamkeit rechtlicher Lösungen wie das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) umstritten. Eine manuelle Kontrolle von Facebook-Kommentaren zu politischen Themen zeige zum Beispiel, dass 35 Prozent aller Postings im Widerspruch zu den geltenden Community-Guidelines stehen und dementsprechend gelöscht werden müssten. Bei einer automatisierten Kontrolle mit Inhaltsfiltern drohe allerdings die Gefahr, dass die Löschquote aufgrund von Klassifikationsfehlern höher liege und so zu einem Overblocking führe.

Auch aus ökonomischer Sicht ist die Regulierung von Plattformen mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Ralf Dewenter (Universität der Bundeswehr Hamburg) verwies in seinem Grundsatzreferat auf verschiedene Gründe für die besondere Marktmarkt von Internetplattformen. Relevant sind etwa Netzwerkeffekte und Verbundvorteile, die sich aus der meist großen Nutzerzahl dieser Plattformen ergeben, aber auch Lernkurven- oder Lock-in-Effekte, die dazu führen, dass sich neue, alternative Anbieter kaum gegen etablierte Player durchsetzen können.

Natascha Just (Universität Zürich) hob in diesem Zusammenhang auch die Besonderheiten eines sogenannten Nicht-Preis-Wettbewerbs hervor: Der Umstand, dass in Plattformmärkten vor allem nicht-monetäre Parameter wie Informationsqualität, Vertrauen oder einfach die Zahl der Nutzer relevante Einflussgrößen darstellen, sei in der Praxis lange ignoriert worden. All diese Aspekte sind für eine zeitgemäße Regulierung von Plattformen jedoch unbedingt zu berücksichtigen.

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Wie gefährlich ist die Dominanz einzelner großer Plattformen?
Foto: AP Photo/Jeff Chiu

Nationale und europäische Lösungen

In der Regulierungspraxis werden derzeit unterschiedliche Ansätze verfolgt, um derartigen Herausforderungen angemessen zu begegnen. Angesichts der Dominanz einzelner Anbieter geht es dabei immer wieder um die Frage, wie die Angreifbarkeit der Märkte für neue Anbieter verbessert werden kann. Florian Schuhmacher (Universität Wien) schilderte aus der Perspektive des Kartellrechts, wie man gegen digitale Dominanz vorgehen kann. Dazu gehören Verbote wettbewerbsbeschränkender Absprachen ebenso wie die Missbrauchsaufsicht und eine effektive Fusionskontrolle. In der Diskussion wurde die Zustimmung zur Übernahme von Whatsapp durch Facebook als Beispiel für vergangene Regulierungsfehler problematisiert, die lange nachwirken. Eine kritische Bestandsaufnahme zum neuen österreichischen Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) brachte Daniel Schönberger (Google) ein. Er hob in seinem Vortrag verschiedene Regulierungslücken hervor und verwies auf Widersprüche zum geltenden EU-Recht – unter anderem zum Herkunftslandprinzip.

Lebhafte Diskussionen riefen vor allem die aktuellen Vorschläge zu einer europaweit einheitlichen Plattformregulierung hervor. Erst Mitte Dezember 2020 hatte die Europäische Kommission mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die über kurz oder lang zu einer Art Grundgesetz für digitale Dienste wie Google und Facebook werden sollen. Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, bezeichnete die Entwürfe in seinem Tagungsbeitrag als "bahnbrechend", um dem Ziel einer digitalen Souveränität Europas näher zu kommen.

Für andere Referenten, wie etwa Paul Pisjak (RTR – Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH) oder Carel Maske (Microsoft), lassen sie jedoch manche Fragen unbeantwortet. Ohnehin, so kommentierte Thorsten Thiel (Wissenschaftszentrum Berlin), sei es fraglich, ob das Konzept einer digitalen Souveränität Europas im Sinne einer kompetitiven Standortpolitik angesichts der aktuellen Herausforderungen politisch und demokratietheoretisch wirklich den passenden Weg darstelle. Europa, so Thiel, werde seinen Werten besser gerecht, wenn es Demokratie und Mitbestimmung durch politische Prozesse fördert.

Ungelöste Aufgaben für die Forschung

Unbestritten schien unter den Tagungsteilnehmern, dass die Wissenschaft auf dem weiteren Weg eine wichtige Beratungsfunktion übernehmen kann und soll. Wolfgang Schulz (Leibniz-Institut für Medienforschung) definierte mit seinem Input dann auch gleich eine breite Palette ungelöster Aufgaben für die Forschung – und forderte mehr aktuell ausgerichtete Kurzzeitprojekte ebenso wie langfristig angelegte Forschungsinfrastrukturen beispielsweise in Form spezialisierter Observatorien. Gleichzeitig verwies er jedoch auf erhebliche Probleme, weil die Plattformen für die Wissenschaft kaum Zugang zu relevanten Daten gewähren – ein Problem, das auch Ulrike Felt (Universität Wien) in ihrem Referat zur Plattform-Forschung "unter wissenskapitalistischen Rahmenbedingungen" adressierte.

Insgesamt zeigte die Tagung, die einerseits Fragen der Rechtssetzung, andererseits aber auch Aspekte der Rechtsdurchsetzung erörterte, dass sich die Forschungsfelder der Rechtswissenschaft und der Kommunikationswissenschaft angesichts der aktuellen Herausforderungen für Plattformregulierung in vielerlei Hinsicht überschneiden. Es liegt also nahe, dass diese Disziplinen auch weiterhin im Gespräch bleiben und einen konstruktiven und kritischen Dialog pflegen. (Florian Saurwein, Tobias Eberwein, Matthias Karmasin, 30.1.2021)