In bewegten Zeiten kommt es immer wieder vor, dass manche Spitzenleistungen nicht jene öffentliche Würdigung erhalten, die sie verdient hätten. Unlängst so ergangen ist es einer Stellungnahme von Harald Mahrer. Auf die ihm in einem "Presse"-Interview gestellte Frage nach seinem Versagen bei der Präsentation der Pleiten-Pech-und-Pannen-Plattform "Kaufhaus Österreich" antwortete der staatliche Multifunktionär: "Es war ein Fehler, dass ich mir die Sache vorher nicht genauer selbst angeschaut habe. Aber man sieht, dass die alte Wolfgang-Schüssel-Aussage richtig ist: Mehr privat, weniger Staat."

Diese Verquickung von maximaler Chuzpe mit purem Blödsinn ist ehrfurchtgebietend. Da hätte er auch gleich antworten können: "Es ist schade, dass ich mit meinem Versagen einige enttäuscht habe. Aber man sieht, dass der alte Sponti-Spruch richtig ist: Trau keinem über dreißig."

Margarete Schramböck und WKÖ-Präsident Harald Mahrer mit der E-Commerce-Charta.
Foto: APA/WKÖ/nadine studeny

Was die "Richtigkeit" der Wolfgang-Schüssel-Aussage betrifft, sind wir dieser Tage um einige erstaunliche Erkenntnisse reicher geworden. Offensichtlich wurde in Österreich der in herkömmlichen Demokratien als staatliche Aufgabe gesehene Schutz der Verfassung schon vor längerer Zeit privatisiert. Nach ersten Geständnissen ranghoher Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT haben einige Mitarbeiter dieser Behörde in den vergangenen Jahren im Sold privater Auftraggeber agiert. Dabei wurde den zahlenden Kunden eine breite Palette an Dienstleistungen offeriert. Abgesehen vom schwunghaften Handel mit Staatsgeheimnissen, geheimdienstlichen Dossiers, personenbezogenen Daten oder dem Verkauf einfacher Abfragen vom Dienstcomputer wurden auch individuell zugeschnittene Servicepakete geschnürt: Überprüfung der Zahlungsfähigkeit von Porno-Website-Anbietern für den damals noch zahlungsfähigen Pleitekonzern Wirecard; Ausspähung eines Konkurrenzunternehmens von Novomatic (es wäre geradezu peinlich für die geschäftstüchtigen BVTler gewesen, wenn der Automatenglücksspielkonzern just bei ihnen keine Gelegenheiten für "Kooperationen" gefunden hätte); Fluchthilfe für den mutmaßlichen Milliardenbetrüger Jan Marsalek.

Das letztgenannte All-inclusive-Arrangement zeichnet sich durch spezielle Korruptionssymbolik aus, wurde es doch unter Mitwirkung des ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Thomas Schellenbacher realisiert. Zehn Millionen Euro haben ukrainische Oligarchen einst der Freiheitlichen Partei geboten, wenn diese Schellenbacher ein Nationalratsmandat checkt. Die von einem ehemaligen Leibwächter fotografierte, mit Bargeld prall gefüllte Sporttasche HC Straches gilt seither als eine Art ikonografische Darstellung konsequent privatisierter Politik.

Aber vielleicht hat Harald Mahrer ja genau das mit "mehr privat, weniger Staat" gemeint, und "Kaufhaus Österreich" wird uns künftig mit völlig neuen Geschäftsangeboten überraschen: Privatwirtschaftlich orientierte Staatsschützer, Parlamentarier mit flexibler Agenda und offenem Ohr für Sponsoren, Investitionskonzepte für die Beschleunigung von Kampfflugzeugkäufen oder anbieterfreundliche Glücksspielgesetze könnten dort zu großen Rennern werden. (Florian Scheuba, 28.1.2021)