„Sie haben sich in einer anderen Schule beworben, obwohl Sie bei uns unterrichten? Waren wir für Sie also nur eine Zwischenschule? Ist das, was wir lernen für Sie zu kindisch? Verdienen Sie dort mehr?“

Meine Schülerinnen und Schüler sprechen aus, was ich mir denke. Wieder eine Kollegin, die uns verlässt, weil sie spontan eine Stelle an der AHS bekommen hat. Freudenstrahlend erzählt diese Kollegin es den Kindern am 23. Dezember. „Wisst ihr, dafür hab ich ja studiert. Natürlich schaut man sich dann auch während des Schuljahres um.“ 

Ahja. Danke. Wir, also meine Schulleiterin und ich als ihre Stellvertreterin, haben am 21. Dezember davon erfahren. Auf drei angenehme Tage vor Weihnachten waren wir eingestellt. Noch ein paar nette Stunden, die dieses verrückte Jahr ausklingen lassen. Eine spontane Stellenausschreibung ist es geworden. Sechs Bewerberinnen und Bewerber, fünf davon mit der absolut falschen Ausbildung. Bewerbungsgespräch am 23. Dezember. Inklusive der Absage dieses Bewerbers am gleichen Tag – er habe schon eine andere Stelle. Wir starten also im Jänner mit Supplieren im Distance-Learning. 

Aber die Kollegin ist glücklich. Sie fährt ab jetzt lieber eine Stunde mit dem Auto in eine Richtung, um in der AHS zu arbeiten, als in der eigenen Stadt in der Mittelschule. 

Nur Gymnasien zählen

Wir bleiben zurück an unserer Mittelschule, wir, die in dieser Schule mit Leidenschaft unterrichten, die viel Energie und Liebe in unsere Arbeit stecken. Und die Kinder bleiben zurück, weil es die zweite Lehrerin in zwei Jahren ist, die genau diese Entscheidung getroffen hat. Die Kinder, die es verdient haben, eine stabile Lehrperson in einem Hauptfach zu haben. 

Uns wird so oft suggeriert, dass wir ja „nur eine Mittelschule“, also „weniger wert“ sind. Manche Kinder kommen zu uns und sagen, sie seien zu dumm fürs Gymnasium. Das wird den Kindern in der Stadt beigebracht. Es dauert Monate ihr Selbstbewusstsein aufzubauen. Wenn ich sage, ich arbeite an einer Mittelschule, und dann sogar noch als Sonderschullehrerin, bekomme ich mitleidige Blicke und „Puh, das könnte ich nicht“ zu hören.  

Mittelschulen gelten gemeinhin als schlechter als AHS.
Foto: APA/HANS PUNZ

Heuer hatte ich ein Online-Kennenlernen mit interessierten Eltern. Der dritte Sohn soll bitte zu uns kommen. Die anderen Kinder gehen ins beste Gym der Stadt. Der dritte Sohn wird dem Druck dort nicht standhalten. Die Noten passen nicht. Die Eltern bitten mich darum, ihnen das System der Mittelschule zu erklären, sie wissen eigentlich nichts davon. Warum auch, den Eltern wird in vielen Volksschulen vermittelt, dass, überspitzt formuliert, nur aus den Kindern, die ins Gymnasium gehen, etwas werden kann. 

Schöne Bescherung 

Aber kann nun besagter Kollegin ein Vorwurf gemacht werden? Das wahre Problem sitzt doch in Wahrheit viel tiefer. Das Fenster für die Stellenausschreibungen der Bundesschulen ist zwei Wochen vor dem Fenster der Allgemeinen Pflichtschulen offen. Die Kolleginnen und Kollegen dürfen sich zuerst bei den AHS bewerben, und wer dann „übrig bleibt“, der muss sich halt dann wohl oder übel für die MS aufopfern. 

Die ersten Lehrerinnen und Lehrer mit dem neuen Lehramtsstudium fangen jetzt an den Schulen zu unterrichten an. Ein Lehramtsstudium, das nicht mehr zwischen Mittelschulen und Gymnasien, Landes- und Bundesschulen unterscheidet. So die Theorie. Die Praxis zeigt im Moment leider eher, dass sich auch hier einfach der Name und nicht der Inhalt verändert hat.

Und uns, uns werden dann diese frohen Weihnachten mit Vorstellungsgesprächen und Rechtfertigungen vor den Eltern, warum schon wieder eine neue Lehrerin in diesem Fach kommt, beschert. (Elisa F., 2.2.2021)

Elisa F. (Pseudonym, Name der Redaktion bekannt), 31, ist seit zehn Jahren Lehrerin an einer Mittelschule in der Steiermark.

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