So sollen die mehr als 140 Filialen Rewe zufolge in Zukunft aussehen.

Foto: REWE Group

Wien – Der Lebensmittelhandel ist in Österreich arm an Vielfalt. In Zukunft wird das Bild in Sachen Supermärkte noch monotoner. Rewe stampft die Marke Merkur ein und ersetzt sie durch Billa Plus. Im April startet der Umbau der Fassaden, organisatorisch fahren die beiden Vertriebsschienen bereits seit Monaten auf einer gemeinsamen Linie. Bis wann genau alle Logos, Sackerln und Arbeitskittel der 10.000 Mitarbeiter hierzulande umbenannt werden, lässt sich der Konzern offen.

Merkur prägte die Handelslandschaft über Jahrzehnte. Karl Wlaschek hatte sich 1969 die Rechte daran für sein Billa-Reich gesichert. Der langjährige mächtige Billa-Chef Veit Schalle schuf daraus große Verbrauchermärkte, die den Erzrivalen Spar bremsen sollten, zugleich aber auch Billa auf der Fläche zügelten.

Rivalen unter einem Dach

Die Konkurrenz im eigenen Haus behielt auch der spätere Eigentümer Rewe bei. Billa und Merkur bekriegten sich intern fast bis aufs Blut, erinnern sich frühere Manager. Wechselten führende Mitarbeiter von einer zur anderen Sparte, führte dies vielfach zu härteren Spannungen als der Sprung zum Mitbewerber Spar.

Es waren Zeiten des Marktwachstums, in denen sich wenige Konzerne breitbeinig aufstellten und Wettrennen unter einem Dach ihre Kräfte beflügelten. Damit ist aber, abgesehen vom Aufleben der Branche seit dem Ausbruch der Pandemie, seit Jahren Schluss. Der Markt ist gesättigt. Die Grenzen zwischen Supermärkten, Diskontern und Verbrauchermärkten verschwimmen.

Merkur haderte mit Ertragsproblemen. Rewe fühlte sich durch Doppelgleisigkeiten gelähmt und führte die Strukturen – von Einkauf bis zu Controlling – zusammen. Die Betreiberfirmen sind bereits verschmolzen. Ein zweistelliger Millionenbetrag sei damit eingespart worden, der nun in Markt und Kunden investiert werde, sagt Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti. Statt Standorte zuzusperren, werde mit Billa Plus weiter expandiert. "Wir verheiraten das Beste aus beiden Welten."

Merkur lebt bei BP weiter

Warum er vergangenen Sommer noch betonte, die Marke Merkur mit ihren mehr als 140 Filialen zu erhalten? Das "Merkur-Erlebnis" bleibe ja bestehen, es ändere sich nun lediglich der Name, versichert Haraszti.

Nostalgiker finden diesen weiterhin an den Tankstellen der BP. Mittelfristig werde daran nicht gerüttelt, lässt ein Sprecher des Mineralölkonzerns auf Anfrage wissen. Auf lange Sicht seien Adaptierungen allerdings nicht auszuschließen.

Wirtschaftlich logisch und nachvollziehbar nennt Ernst Gittenberger, Handelsexperte der Kepler-Uni Linz, den Schritt der Rewe. Marken würden geschärft und Synergien genützt. Zumal es auch darum gehe, Kräfte für einen gemeinsamen Auftritt im Onlinehandel zu bündeln. Merkur selbst betreibt seit 2018 keinen eigenen Webshop mehr.

Angst vor Hochzeitsboni

Brand-Trust-Gründer Klaus Dieter Koch sieht hingegen nur Verlierer. Lieferanten zitterten, ihnen drohe wohl der nächste Hochzeitsbonus. Konsumenten werde Wahlfreiheit genommen. Und für Unternehmen reduzierten sich die Kosten nur vordergründig. Der Markenexperte ist davon überzeugt, dass sich höhere Wertschöpfung allein mit einem differenzierten Angebot erzielen lasse.

Prange der Billa-Schriftzug mehr denn je an jeder Hausecke, sinke die Kundenbindung. Klar sei es für Manager leichter, eine statt zwei Marken zu führen. "Gleichmacherei zeugt jedoch von Mut- und Einfallslosigkeit."

Rewe verspricht, mit Billa Plus Mehrwert zu erzeugen. Unter Lieferanten geht jedoch die Angst um. Eigenmarken würden gebündelt. Das mache diese austauschbarer. Zentralisierung sei stets mit Verlust von Diversität im Regal verbunden, sagt ein Landwirt, der die Supermärkte seit Jahrzehnten beliefert. Je mächtiger der Einkäufer, desto höhere Rabatte ringe er seinen Partnern ab.

"Billa Bio" statt Alnatura

Merkur bietet auf 2.000 Quadratmetern im Schnitt 26.000 Produkte. Dazu kommt ein breites Gastronomieangebot. Bei Billa Plus werde Haraszti zufolge beides bewahrt. Neu ist eine zweite Biomarke namens "Billa Bio" neben "Ja! Natürlich", die jüngere Kunden ansprechen will. Alnatura werde aus dem Sortiment verschwinden, erfuhr DER STANDARD. Rewe hatte das Label gelistet, nachdem es im Streit mit DM aus dem Sortiment der Drogeriekette geflogen war.

Bio legt in Zeiten von Corona rasant zu. Marktkenner berichten jedoch von vergleichsweise gedämpfter Entwicklung bei "Ja! Natürlich". Das Label, einst Pionier der Biobranche und von Rewe wie eine Handelsmarke aufwendig geführt, sei zuletzt in seinem Kern kaum weiterentwickelt worden. Der beworbene hohe regionale Anteil enge seinen finanziellen Spielraum ein. "Billa Bio" werde nach dem Vorbild der Biomarken bei Spar und Hofer daher wohl deutlich internationaler einkaufen. (Verena Kainrath, 28.1.2020)