Bild nicht mehr verfügbar.

"The Investigation" mit Pilou Asbaek (links) als Staatsanwalt und Sören Malling als Mordermittler.

Foto: AP

Köln/Wien – Ein Erfinder mit Weltraumambitionen tötet in einem selbstgebauten U-Boot brutal eine junge Journalistin. Was wie eine dramatische, abwegige Idee aus der Feder eines Krimischreibers klingt, ist in Skandinavien im Sommer 2017 tatsächlich so passiert. Monatelang bewegte der Fall international die Boulevardpresse. Nun wird der Mord an der Schwedin Kim Wall auch in einer True-Crime-Serie verarbeitet – und zwar ganz anders, als man es erwartet hätte.

Die Macher von "The Investigation – Der Mord an Kim Wall" haben sich entschlossen, einen spektakulären Fall ohne spektakuläre Bilder nachzuerzählen. Statt Täter und Opfer, Mordszenen und abgetrennte Körperteile sieht man nüchtern grübelnde Ermittler, denen der Fall auch persönlich an die Nieren geht. Taucher, die den Öresund zwischen Dänemark und Schweden frustriert und akribisch nach Leichenteilen absuchen. Eltern, die mit einem schrecklichen Schicksal ihrer Tochter konfrontiert werden. Gelacht wird nicht in dieser Serie, dafür aber umso mehr mitgefühlt. Zu sehen ist all das für Streamingfreunde ab Donnerstag (28. Jänner) bei TVnow, dem Streamingableger der RTL-Gruppe.

Kopenhagener Mordermittler

Im Zentrum der Serie steht der Kopenhagener Mordermittler Jens Möller (Sören Malling aus "Borgen"). Ein Mann, dessen berufliches wie privates Leben im August 2017 mit einem Schlag umgekrempelt wird: "Ich hab' hier was ganz Eigenartiges", meldet ihm ein Mitarbeiter seines Teams. Eine junge schwedische Journalistin ist verschwunden, als sie im Rahmen eines Interviews mit dem Ingenieur eines selbst gebauten U-Boots von Kopenhagen aus auf den Öresund herausgefahren ist.

Schnell wird klar, dass mit den Aussagen des dänischen U-Boot-Erbauers etwas nicht stimmt. Erst will er die Journalistin an Land abgesetzt haben, dann soll sie bei einem Unfall ums Leben gekommen sein. War es das wirklich, ein Unfall, als Kim Wall den Lukendeckel des U-Bootes auf den Kopf bekam? Möller ist sich schnell sicher: Nein, es war Mord.

Trailer:

HBO

Dieser muss nur auch nachgewiesen werden, und ohne Motiv und Todesursache ist eine Mordanklage nicht möglich. "Ihr habt vier Wochen, um Ergebnisse zu liefern", fordert Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen (Pilou Asbäk, "A War") das Ermittlerteam auf. Am Ende werden mehr als fünf Monate bis zur Anklageerhebung vergangen sein.

"Raketen-Madsen"

Die Handlung orientiert sich dabei stringent an den Geschehnissen des echten Lebens, in dem die 30-Jährige Kim Wall das U-Boot von Peter Madsen am Abend des 10. Augusts 2017 betreten hatte und im Anschluss nicht wieder lebend zurückgekehrt war. Die Dänen kannten Madsen bis dahin hauptsächlich wegen seiner U-Boote und der Pläne, selbst gebaute Raketen ins All zu schießen. "Raketen-Madsen" wurde er genannt.

Die sechsteilige Serie erzählt den Fall nun nach, ohne den Elefanten den Raum betreten zu lassen: Als Ermittler Möller vor Vernehmungsraum 5 steht, ist sich der Zuschauer eigentlich sicher, dort gleich den Mordverdächtigen zu sehen. Doch Fehlanzeige: Möller betritt besagten Vernehmungsraum nicht. Madsen wird in der Serie nicht gezeigt, sein Name konsequent ignoriert. Das dürfte sicherlich auch damit zu tun haben, dass Serienschöpfer Tobias Lindholm intensiv mit Walls Eltern gesprochen hat – und denen war es stets darum gegangen, den Blick weg vom Täter und hin zu ihrer Tochter und deren Arbeit zu richten.

Ermittler im Mittelpunkt

Statt den Fokus auf Madsen oder Wall zu setzen, wählen die Macher eine dritte Perspektive: die der Ermittler. Ihr Vorgehen spielt sich zwischen unbeantworteten Fragen, medialer Aufmerksamkeit, Gerüchten und Hoffnungen der Eltern ab. "Finden Sie meine Tochter. Mehr nicht. Finden Sie sie", fordert Kim Walls Mutter. Das entsetzliche Leid der Eltern ist kaum auszuhalten – ebenso wie manchmal auch die Stille, die Möller und sein Team bei den Ermittlungen immer wieder umgibt.

Der Mord an Kim Wall ist fast zu grausig, um wahr zu sein. Eine Serie hat es da schwer, dem Ganzen zusätzliches Drama zu verschaffen. Und das versucht "The Investigation" auch gar nicht. Statt Hollywood bekommt der Zuschauer von Lindholm eine klassische skandinavische Polizeiserie präsentiert, die nicht von dramatischen Bildern geprägt wird, sondern von ihren Protagonisten, darunter neben Möller vor allem von Kims Eltern Ingrid und Joachim Wall (Pernilla August und Rolf Lassgard), um die sich der Chefermittler intensiv kümmert.

Ingrid und Joachim Wall zählten zu den stärksten Menschen, die er je getroffen habe, sagt Regisseur Lindholm. "Sie erzählten mir ihre Version, ihre Realität all der Geschehnisse. Sie haben alles mit mir geteilt, für die Idee, dass eine Serie entsteht, die all die Menschen feiert, die ihnen durch ihre dunkelsten Stunden geholfen haben." (APA, dpa, 28.1.2021)