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Joe Biden will die USA zum Klimaschutzvorreiter machen. Noch hat er einige Hürden vor sich.

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Vier Jahre lang war es eher still um John Kerry gewesen, den letzten Außenminister im Kabinett Barack Obamas. Jetzt meldet sich der 77-Jährige zurück auf der großen Bühne der Politik. Joe Biden hat ihn zum Sonderbeauftragten für den Klimawandel ernannt, und nun ist es Kerry, der den Sinn der ersten Klimadirektiven des neuen Präsidenten am eindringlichsten begründet. "Es ist billiger, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen, als sie zu ignorieren", mahnt er. Schließlich müsse man immer mehr an Steuergeldern ausgeben, um nach den Verwüstungen immer schlimmerer Wirbelstürme den Schaden zu reparieren. "Es kostet uns immer mehr Geld, Leute. Was wir da machen, ist einfach nicht klug."

Der ökonomische Nutzen der Weichenstellung: Es ist dieser Aspekt, den das Weiße Haus in den Vordergrund stellt. Am Mittwoch hatte Biden mit einer Reihe von Dekreten weitere Pflöcke eingeschlagen. Nachdem er bereits die Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen und den Stopp des Baus der Ölpipeline Keystone XL verfügt hatte, gab er langfristige Ziele aus. Bis 2050 soll die amerikanische Volkswirtschaft klimaneutral werden. Bis 2030 sollen Windturbinen vor den Küsten doppelt so viel Strom erzeugen wie heute. Der Fuhrpark der Bundesregierung soll komplett auf Fahrzeuge mit Elektromotoren umgestellt werden. Zudem – der auf kurze Sicht wichtigste Punkt – darf das Innenministerium bis auf weiteres keine Genehmigungen mehr für die Förderung von Öl und Gas in Küstengewässern sowie auf Landflächen erteilen, die dem Bund gehören.

Joe Biden und John Kerry wollen die Klimapolitik der USA umkrempeln.
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Gerade in den letzten Wochen der Ära Trump waren noch einmal, wie bei einem Endspurt, Lizenzen in großem Stil vergeben worden. Nach Angaben der "Washington Post" wird aktuell jedoch nur auf 53 Prozent der freigegebenen Flächen tatsächlich nach Öl oder Gas gebohrt. Gina McCarthy, einst Chefin der Umweltbehörde, heute Klimaberaterin im Weißen Haus, spricht von einer Genehmigungslawine, die wirtschaftlich keinen Sinn ergebe. Schon deshalb sei es dringend geboten, jetzt eine Pause einzulegen.

Derzeit entfällt etwa ein Fünftel der Ölgewinnung auf Staatsland und den Küstenschelf der USA. An der Förderung auf Parzellen in Privatbesitz ändert Bidens Anweisung nichts. Nach Ansicht von Fachleuten dürfte das Moratorium frühestens 2023 praktische Folgen für die Rohölproduktion haben. In Erwartung des Vergabestopps haben etliche Unternehmen unter Trump quasi auf Vorrat Lizenzen beantragt, um sie erst später, womöglich Jahre danach, zu nutzen. Dennoch, allein an der Symbolik der Wende haben sich heftige Debatten entzündet.

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Biden fror das Ölpipeline-Projekt Keystone ein, neue Bohrungen auf bundeseigenem Land soll es nicht mehr geben.
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"Wir können nicht länger warten, wir sehen es mit unseren eigenen Augen, wir spüren es in unseren Knochen", sagte Biden, nachdem er die Direktiven unterzeichnet hatte. "Denke ich an den Klimawandel und die Antwort darauf, denke ich an Arbeitsplätze", fügte er hinzu. "Das sind keine utopischen Träume, das sind konkrete, machbare Lösungen." Hunderttausende gut bezahlte Jobs, so versprechen die Demokraten, würden geschaffen, wenn man sich mit aller Kraft erneuerbaren Energien zuwende. Schon vor der Pandemie, betont der "Klima-Zar" Kerry, sei der Clean-Energy-Sektor schneller gewachsen als jede andere Branche.

Widerstand aus Kohlestaaten

Am Markt seien die Weichen bereits zu einer Zeit gestellt worden, als Trump noch die Renaissance der Kohle beschworen habe. William Peduto, der Bürgermeister Pittsburghs, der früheren Stahlstadt, die den Strukturwandel besser meisterte als andere Standorte der alten Industrie, plädiert für einen Kraftakt nach dem Vorbild des Marshallplans. Der Demokrat wirbt für massive staatlich geförderte Investitionen. "Ist es nicht sinnvoller, dass wir Windturbinen selbst bauen, statt sie weiter aus Deutschland zu kaufen?" Das Pikante daran: Als Trump den Ausstieg aus dem Klimaabkommen verkündete, hatte er in der Pose des Patrioten erklärt, er sei gewählt worden, um die Bürger von Pittsburgh zu repräsentieren und nicht die von Paris.

Widerspruch kommt aus Regionen, die nach wie vor von fossilen Brennstoffen leben. Der Generalstaatsanwalt West Virginias, eines klassischen Kohlestaats, hat bereits rechtliche Schritte gegen die Klimadekrete avisiert. John Cornyn, ein konservativer Senator aus Texas, dem Zentrum der amerikanischen Ölindustrie, hält die Energiewende auf absehbare Zeit für unrealistisch. Er sei ja durchaus für saubere Alternativen, sagt er, "doch aktuell haben wir es mit der Tatsache zu tun, dass 280 Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren auf unseren Straßen fahren". Andere warnen vor einem Wegbrechen der Steuereinnahmen. Im vergangenen Finanzjahr kassierte der Fiskus 8,1 Milliarden Dollar für die Erlaubnis, auf Staatsland fossile Rohstoffe zu fördern.

Ziehen andere Länder mit?

Die USA sind der zweitgrößte Treibhausgasemittent der Welt und für rund 15 Prozent des Gesamtausstoßes verantwortlich. Bis April will Biden das Klimaziel bis 2030 ankündigen, sollte es deutlich höher sein, könnten auch andere Staaten mitziehen, meinen einige Beobachter.

Nicht alle sehen durch Bidens Pläne eine Kehrtwende eingeläutet: Auch in der Klimapolitik der Demokraten ist nicht alles Gold, was glänzt, meint die Politikwissenschafterin Alina Brad von der Universität Wien. "Das Problem ist, dass Biden für die Umsetzung seiner Klimapläne nicht ,nur‘ Verordnungen, sondern auch Gesetze benötigt", erklärt die Wissenschafterin. "Dazu braucht er den Senat, wo die Demokraten nur eine hauchdünne Mehrheit haben. Darüber hinaus wurde die US-Umweltbehörde EPA unter Trump "jahrelang von innen systematisch ausgehöhlt", sagt Brad.

Auch Bidens Pläne, die USA als führende Exportwirtschaft für E-Mobilität und erneuerbare Energien zu etablieren, könnten scheitern. Aus Sicht der Politikwissenschafterin hat das Rennen schon längst begonnen. Das würde etwa der europäische Green Deal zeigen.

Nach wenigen Stunden im Amt trat Biden wieder dem Pariser Klimaabkommen bei.
Foto: AFP/JIM WATSON

Der Demokrat reiht sich mit seinem Versprechen der Netto-Null jedenfalls in eine Riege anderer Regierungsspitzen ein, die sich im vergangenen Jahr zur Klimaneutralität bekannt haben. Auch die EU will bis 2050 klimaneutral werden. "Netto-Null bedeutet nicht null Emissionen", wirft Brad ein. "Vielmehr sollen mithilfe von Negativemissionstechnologien Treibhausgase aus der Atmosphäre entzogen werden." Im großen Maß sei das technologisch bislang nicht ausgereift. "Am Ende könnten also auch diese Ziele nicht ausreichen."

Doch auch, wenn die bisherigen Netto-Null-Versprechen umgesetzt werden, wird es knapp, rechnet der "Climate Action Tracker" vor: Die Erderwärmung würde bis Ende des Jahrhunderts dennoch um rund 2,1 Grad steigen. Damit liegt der Wert deutlich über dem laut Weltklimarat notwendigen 1,5-Grad-Ziel. (Frank Hermann aus Washington, Nora Laufer, 29.1.2021)