Ein Schrei durchbricht die Stille: "Oahhhhuuuuuuuu", schreit eine Frau. Sie drückt damit das aus, was wir alle derzeit denken. Der Lockdown zieht sich, der Esstisch muss seit Monaten als Schreibtisch herhalten, und langsam fällt einem daheim die Decke auf den Kopf. Es ist zum Schreien!

Darum lädt Island seit einigen Monaten auf der Webseite Lookslikeyouneediceland.com dazu ein, so richtig markerschütternd zu brüllen. Wer mag, kann sich dabei sogar aufnehmen und den Schrei dann virtuell nach Island schicken, wo er inmitten der beschaulichen Vulkanlandschaft abgespielt wird. Stören wird das Geschrei dort vermutlich weniger, Touristinnen und Touristen gibt es auf Island derzeit ja auch nur eher wenige.

Schreien tut gut

Abseits vom lustigen Marketingschmäh ist das aber auch tatsächlich keine schlechte Idee. Denn auch wenn sich Schreien als Therapie nie durchgesetzt hat: Schreien hilft, indem es zu einer Entspannung des Angstzentrums im Gehirn führt. Und, gänzlich unwissenschaftlich: Es tut einfach verdammt gut, mal den ganzen über Monate angestauten Frust rauszulassen.

Die wahren Experten auf dem Gebiet: Kinder können ganz vortrefflich schreien.
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Der Selbstversuch zeigt aber: So ein richtig tiefer, mächtiger, befreiender Schrei will auch gelernt sein. Und wohlüberlegt: Denn was soll man schreien – ein Wort ("Fuckkkkk"), eine Phrase ("Scheiß Coronaaaaa") oder, viel einfacher, nur einen ganz langen Laut ("aaaaah") –, um seine Gefühle am besten auszudrücken? Wirklich wichtig ist dabei auch die richtige Haltung, wie es auf der Webseite heißt. Ein richtig guter Blatzer im Sitzen funktioniert nämlich nicht.

Bitte kein Halsweh

Noch ein Tipp: Das Schreien sollte man nicht überstrapazieren. Sonst wird man heiser und kriegt Halsweh – so wie vor Corona nach richtig guten Konzerten, bei denen man jeden Song mitgegrölt hat. Nur ist Halsweh derzeit halt wirklich überhaupt nicht ratsam.

Ob man die Technik jetzt gleich zu Hause ausprobieren will, hängt aber auch von Ihrem Verhältnis zu den Nachbarn ab. Notfalls sollten Sie die vielleicht vorwarnen. Vielleicht wollen die ja auch mitmachen, drüben in ihrer Wohnung. Es sollte sich halt niemand bedroht fühlen, eh klar. Sie könnten aber auch einen weniger geräuschempfindlichen Ort aufsuchen. Es muss ja nicht gleich Island sein. Für einen befreienden Schrei reicht schon der Wienerberg. (Franziska Zoidl, 1.2.2021)